Einen Schritt näher zum Bierdeckel
- 04.04.2019
- Lesezeit ca. 2 min
Einfach, transparent und leistungsfreundlich!
2004 stahl der Finanzstaatssekretär Alfred Finz seinem Finanzminister Karl-Heinz Grasser ein klein wenig die Show. Mit dem Versprechen, der neue Steuertarif lasse sich auf einem Bierdeckel ausrechnen – abgekupfert vom deutschen CDU-Politiker Friedrich Merz –, machte er eine sehr plakative Ansage, die medial gerne und oft aufgegriffen wurde. Tatsächlich war die Vereinfachung des Einkommensteuerrechts schon sehr oft auf der politischen Agenda. Auch im Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und FPÖ vom 11. Mai 1983 hieß es noch, man werde „eine Überprüfung des Steuerrechts auf sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen vornehmen“.
Die Steuerreform ist daher auch eine gute Gelegenheit, alle steuerlichen Ausnahmen zu durchforsten.
Denn am Ende sorgen die vielen Absetzbeträge, Förderungen und Freibeträge dafür, dass den Steuerzahlern ihre wahre Steuerlast verborgen bleibt. So einfach, dass man die fälligen Steuern auf dem berühmten „Bierdeckel“ ausrechnen kann, ist das aktuelle System jedenfalls nicht. Wer seine Steuererklärung selbst erledigen will, braucht zwar kein Studium in Sachen Steuerrecht – aber fast.
Passiert ist bis heute wenig, weil es politisch immer besser zu vermarkten war, eine Wählergruppe mit einer zusätzlichen Ausnahme zu bedienen, als einer anderen durch eine Streichung etwas wegzunehmen. Der Status quo ist daher jedenfalls ein steuerliches Dickicht, von dem der Gesetzgeber selbst nicht genau weiß, wie es wirkt. 2018 kritisierte der Rechnungshof,[1] dass es im Einkommensteuerrecht an einem Gesamtkonzept für die Wirkung und die Treffsicherheit von Steuerbegünstigungen fehle. 2012 hatte der Rechnungshof insgesamt 736 Steuerbegünstigungen in Gesetzen und Verordnungen identifiziert.
Ob sich nach der Einführung eines „Einkommensteuergesetzes 2020“ die Steuerberechnung tatsächlich auf dem Bierdeckel ausgeht, wird davon abhängen, ob es die Regierung schafft, die vielen parallelen Fördermaßnahmen zu verschlanken. Analog zum Familienbonus müsste es dann etwa einen einzigen Pendlerabsetzbetrag geben. Und die Abschaffung der vielen nicht aufeinander abgestimmten Einzelförderungen. Wir schlagen zudem einen trans parenten Lohnzettel vor (siehe Abbildung 8), damit die Mitarbeiter auf einen Blick sehen, was sie verdienen und was sie insgesamt dafür leisten müssen, inklusive aller Lohnnebenkosten. Diese genaue Aufschlüsselung der gesamten Abgaben, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge soll klarmachen, wie viel die Menschen leisten und zum Gelingen des Sozialstaats beitragen. Dafür sollte der Finanzminister auch einmal im Jahr genau auflisten, wofür die Steuerzahler mit ihrer Lohn- und Einkommensteuer gezahlt haben.
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.