Der Staat fördert. Alle.
- 22.03.2023
- Lesezeit ca. 2 min
Exkurs: „Koste es, was es wolle“ – die Corona-Hilfen
Mit der Corona-Krise sind die Förderungen in Österreich geradezu explodiert. Im Jahr 2020 lassen sich 11,6 Milliarden Euro an Förderungen dem Bereich Corona zuschreiben (siehe Abbildung 8). 2021 waren es sogar 13,6 Milliarden Euro. Der Staat versuchte durch eine Vielzahl von Programmen die wirtschaftlichen Folgen für die Menschen und die Unternehmen in Österreich möglichst stark abzufedern. Hierbei warb die türkis-grüne Bundesregierung ähnlich wie die deutsche mit dem Slogan „Koste es, was es wolle“. Natürlich ist es nur logisch, wenn der Staat Unternehmen in einem gewissen Ausmaß entschädigt, deren Geschäftstätigkeit er durch einen Lockdown oder andere Maßnahmen eingeschränkt hat. Gerade zu Beginn der Krise war es richtig, schnell zu helfen und dafür auch mögliche Fehler in der Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen in Kauf zu nehmen, die beispielsweise zu Überförderungen führen. Doch mit Fortdauer der Pandemie hätte man mehr dazulernen müssen.
Denn nicht nur die Dauer der Krise spielte eine Rolle, sondern auch ihre Tiefe. Die Lockdowns wurden seltener und weniger stark in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen. Dementsprechend gab es auch immer weniger Gründe für umfangreiche Hilfsmaßnahmen. Wichtig wäre eine möglichst hohe Treffsicherheit gewesen. Doch viele Maßnahmen waren klassische Gießkannenprogramme. Andere wiederum, wie der indirekte Umsatzersatz, waren so chirurgisch präzise und kompliziert in der Beantragung, dass sie kaum genutzt wurden.
Ein großer Posten der Corona-Hilfen war die sogenannte Corona-Kurzarbeit, für die 5,5 Milliarden (2020) bzw. 3,7 Milliarden Euro (2021) ausgezahlt wurden. Gerade zu Beginn der Krise war sie eines der wirkungsvollsten Mittel, um die Arbeitslosigkeit möglichst wenig ansteigen zu lassen. Die Unternehmen reduzierten das Beschäftigungsausmaß der Mitarbeiter; dafür erhielten sie großzügige Zuschüsse der Bundesregierung, um ihrer Belegschaft bis zu 90 Prozent des Verdienstausfalls zu ersetzen. Im Zeitverlauf wurden die Möglichkeiten für Corona-Kurzarbeit zwar immer weiter eingeschränkt, bis heute wurde sie aber nicht vollständig abgeschafft. Je länger diese Kurzarbeitsregelungen anhalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für die oben beschriebenen Mitnahmeeffekte. Der Rechnungshof kritisierte frühzeitig, dass die Corona-Kurzarbeit zu erheblichen Mitnahmeeffekten führen könnte, da sie grundsätzlich auch Wirtschaftsbereichen zur Verfügung stand, die kaum durch Corona beeinträchtigt waren.[1] So haben viele Unternehmen, die auch ohne Unterstützung gut zurechtgekommen wären, Kurzarbeit und andere Corona-Hilfen genutzt. Außerdem konnten nicht mehr konkurrenzfähige Unternehmen, die in normalen Zeiten vom Markt verschwunden wären, auf Kosten der Allgemeinheit überleben. Ein deutliches Anzeichen dafür waren die rekordverdächtig niedrigen Insolvenzzahlen seit 2020. Mit dem Auslaufen der Hilfen schlittern viele dieser Unternehmen dann in die Zahlungsunfähigkeit. Der Staat hätte sich in diesen Fällen die Hilfszahlungen sparen können.[2]
Ein weiterer großer Posten der Corona-Hilfen ist der Lockdown-Umsatzersatz, für den 2,9 Milliarden (2020) beziehungsweise 0,5 Milliarden Euro (2021) ausgezahlt wurden. Hier sollte Unternehmen der Umsatz ersetzt werden, den sie durch Lockdowns verlieren. Dadurch ergibt sich per se schon ein großes Überförderungspotenzial: Die Unternehmen bekamen – je nach Sparte und Zeitraum – bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes aus dem Vergleichszeitraum ersetzt. Jedoch hat ein geschlossenes Unternehmen in aller Regel deutlich geringere Kosten und kann mit dem Umsatzersatz sogar einen höheren Gewinn erzielen als im normalen Geschäftsbetrieb. Im Handel ist zudem mit Nachholeffekten zu rechnen: Wer ein kaputtes Sofa wegen eines Lockdowns nicht ersetzen konnte, wird dies später nachholen. Der Händler erleidet dann keinen Ausfall; der Umsatz findet nur zu einem späteren Zeitpunkt statt. Besonders brisant ist auch, dass gleichzeitig Corona-Kurzarbeit beantragt werden konnte und das Unternehmen damit gleich mehrfach gefördert wurde. Sinnvoller wäre es gewesen, die Hilfen gegenzurechnen – also jeden bereits ausgezahlten Euro Kurzarbeitshilfe vom Umsatzersatz abzuziehen. Deutschland hat dies frühzeitig erkannt und in seiner Hilfsstruktur umgesetzt. Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass einzelne Unternehmen in Österreich in den vergangenen Jahren trotz Corona-Krise Rekordergebnisse verbuchen konnten. Auf der anderen Seite wurden Unternehmen begünstigt, deren Geschäfts- und Abrechnungszeiträume deckungsgleich sind. Ein Event-Veranstalter hingegen, der seine Tickets für das Konzert im Dezember bereits im September verkaufte, hatte das Nachsehen.
Der Verlustersatz spielte zwar mit 0,3 Milliarden (2020) bzw. 0,5 Milliarden Euro (2021) insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings lag das ausgezahlte Volumen in den meisten Fällen in Millionenhöhe. Hier konnten sich die Unternehmen den Vergleichszeitraum, zu dem die Differenz berechnet wurde, für eine unterjährige Periode selbst aussuchen. Besser wäre es gewesen, ein ganzes Jahr als Vergleichszeitraum heranzuziehen. So gibt es Unternehmen, deren Bilanz starke saisonale Schwankungen hat, und solche, die auf Lager produzieren können. Beide können durch geschicktes Bilanzieren und die Auswahl der Vergleichszeiträume eine Überförderung erzielen.
Im EU-weiten Vergleich nahm Österreich bei den Corona-Hilfen den Spitzenplatz ein. Hierzulande wurden in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 10,2 Prozent des BIP für Hilfsleistungen ausgegeben. Im EU-Schnitt war es mit 5,5 Prozent nur etwa halb so viel. Allein im Jahr 2020 belief sich das Fördervolumen pro Kopf auf rund 2.600 Euro. In den Niederlanden waren es 2.200 Euro, in Deutschland 1.300 Euro.[3]
Der damalige Finanzminister Blümel begründete die hohen Summen damit, dass Österreich aufgrund der großen Bedeutung des Wintertourismus besonders betroffen sei. Doch dieses Argument ist leider wenig überzeugend. Viele Maßnahmen unterschieden nicht zwischen den Branchen oder nur unzureichend beim Grad der Betroffenheit.
Die meisten Probleme wurden öffentlichkeitswirksam der COFAG zugeschrieben. Dabei hätte es zur Abwicklung der Vielzahl an Anträgen in möglichst kurzer Zeit neben der Schaffung der COFAG nur wenige Alternativen gegeben. Die aws hätte man beispielsweise deutlich aufstocken müssen. Auch die Finanzverwaltung wäre vermutlich nicht ohne Weiteres in der Lage gewesen, in der erforderlichen Geschwindigkeit so viele Hilfsmaßnahmen abzuwickeln.
Ist diese Bewertung nur für die Geschichtsbücher relevant? Leider nein. Wegen der stark gestiegenen Inflationsraten wurden im Jahr 2022 erneut zahlreiche Hilfspakete geschnürt – wenn auch bisher noch nicht im gleichen Umfang wie in der Pandemie. Bedauerlicherweise scheint die Regierung aus der Corona-Krise nicht viel gelernt zu haben: Noch stärker als zuvor setzt man jetzt auf Maßnahmen mit der Gießkanne. Wieder scheint es darum zu gehen, bei der Höhe der Förderungen Europameister werden zu wollen. So zweckmäßig etwa die Kurzarbeit noch zu Beginn der Corona-Krise erschien, so wenig sinnvoll ist sie jetzt. Die Energiepreise werden noch lange hoch bleiben.[4] Falls das zu einem Strukturwandel innerhalb der Industrie führen sollte, würde die Kurzarbeit nur den Anpassungsprozess verzögern.
Fußnoten
- Rechnungshof (2022). ↩
- https://www.ksv.at/pressemeldungen/vierte-unternehmen insolvenz-corona-krise ↩
- Köppl-Turyna et al. (2021). Die Werte für das Jahr 2021 wurden in der Studie aus den Draft Budgetary Plans übernommen, die an die EU-Kommission versendet wurden und entsprechend mit Unsicherheit behaftet sind. ↩
- Baumgartner et al. (2022). ↩
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