
Digitalpotenzial #3: Verwaltung
Was Österreich von Estlands digitaler Verwaltung lernen kann
E-Governance in Europa
Wie konnten Estland und seine nordischen Nachbarn zu digitalen Vorreitern werden? Allein an der Größe lag es nicht. Vielmehr vertrauen die Bürger ihren Institutionen und dürfen sich auf eine zeitgemäße digitale Infrastruktur verlassen.
Estland ist nicht mehr der einzige digitale Vorreiter in der EU. Auch Länder wie Dänemark, Finnland oder Norwegen haben in den vergangenen zehn Jahren eine umfassende digitale Verwaltung aufgebaut. In Estland und seinen nordischen Nachbarn haben 2017 knapp 90 Prozent der Internetnutzer regelmäßig Daten mit öffentlichen Stellen über das Internet ausgetauscht. Im EU-Vergleich greifen nur 57 Prozent der Nutzer aktiv und regelmäßig auf digitale Dienstleistungen im öffentlichen Bereich zurück.

Abbildung 5: E-Governance-Nutzung in der EU
Mythen digitaler Erfolgsgeschichten
Wie lässt sich der Erfolg einiger europäischer Vorreiter wie Estland erklären? In einer aktuellen Studie[1] betrachten wir die Faktoren, die den Ausbau und die Akzeptanz digitaler Verwaltung in Europa begünstigen, und räumen mit einigen Mythen über digitale Erfolgsgeschichten auf. Estland hat seinen Erfolg den besonderen historischen Startbedingungen zu verdanken. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann in Estland, das damals ohne funktionierende Verwaltung dastand, eine neue Zeitrechnung. Zweifelsohne standen die Zeichen für Estland, den ehemaligen Satellitenstaat der Sowjetunion, zu Beginn der 1990er-Jahre auf radikale Veränderung. Im europäischen Vergleich lässt sich darin allerdings kein Muster erkennen. Westlich geprägten Staaten wie Schweden oder Dänemark, mit gewachsener analoger Verwaltung, ist der Sprung in die digitale Neuzeit ebenso gelungen wie Estland. Gleichzeitig zeigt sich in vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, wie Tschechien oder Polen, noch ein deutlicher Nachholbedarf bei digitaler Verwaltung.
Ebenso hält sich die These, dass kleine Staaten beim Ausbau ihrer digitalen Verwaltung einen Größenvorteil gegenüber anderen, großen Ländern genießen. Estland weist mit 1,5 Millionen Einwohnern weniger Bürger auf als die Stadt Wien. Aber auch in den zehnmal größeren Niederlanden ist die digitale Verwaltung auf dem Vormarsch. Im Jahr 2017 nahmen 82 Prozent der Internetnutzer aktiv digitale öffentliche Dienstleistungen in Anspruch. Zudem lässt sich eine digitale Infrastruktur, wie das estnische X-Road-System, technisch relativ leicht „skalieren“, wie Heiko Vainsalu, einer der Architekten der X-Road, betont. Das bedeutet: Einmal eingerichtet, ist es problemlos möglich, einen Service für zehn anstatt für eine Million Nutzer anzubieten.
Vertrauen, Vertrauen und nochmals Vertrauen
In unserer Analyse der europäischen Champions im Bereich der digitalen Verwaltung zeigt sich, dass weder Größe noch historische Umstände eine besondere Rolle für den Erfolg von E-Governance gespielt haben. Ein wesentlicher Faktor für die Bereitschaft der Bürger, das digitale Verwaltungsangebot zu nutzen, ist Vertrauen. In Ländern, die durch ihre umfassende digitale Verwaltung glänzen, vertrauen die Bürger den rechtsstaatlichen Institutionen.
Auch in Estland ist Vertrauen eine wichtige Grundlage der digitalen Verwaltung. Das estnische System verlangt von Staat und Bürgern einen transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten. Kommt es zum Missbrauch, so müssen die Bürger darauf vertrauen können, dass dieser umgehend entdeckt und geahndet wird. Wenn Bürger den rechtsstaatlichen Institutionen nicht trauen, stoßen selbst die technisch raffiniertesten digitalen Dienstleistungen des Staates auf wenig Gegenliebe. Dieses Ergebnis ist ein ermutigendes Signal für den Ausbau digitaler Verwaltung in Österreich. Hierzulande haben die Bürger ein vergleichsweise großes Vertrauen in den Rechtsstaat. Eine wichtige Grundlage für die Akzeptanz einer digitalen Verwaltung ist somit gegeben.
- Autor: Hanno Lorenz, Fabian Stephany
- Themen: Digitalisierung, Digitalpotenzial, Digitalpotenzial 3: Verwaltung
- Datum: 03. Januar 2019
Fußnoten
- Agenda Austria (2018). ↩
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