Wer braucht schon die Mitte?
- 29.01.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Index
- Die Mittelschicht kommt unter Druck
- Die Mitte macht den Unterschied
- Mittelschicht, was ist das?
- Die Mitte im Wandel
- » Warum gibt es gerade in Österreich eine so breite Mittelschicht?
- Bildung und die Mittelschicht
- Sozialstaat und Mittelschicht
- Krisen setzen der Mittelschicht zu
- Inflation trifft die Mitte mehrfach
- Die Krise trifft die Mitte gleich doppelt
- Herausforderungen für die Mittelschicht
- Handlungsempfehlungen: Bildung
- Arbeitsmarkt
- Vermögensaufbau und Pensionssystem
- Literatur
- Download PDF
Warum gibt es gerade in Österreich eine so breite und einkommensstarke Mittelschicht? Weil das Land eine hochproduktive Wirtschaft mit geringer Arbeitslosigkeit und einen stark ausgeprägten Sozialstaat hat.[1] Nach Umverteilung durch Steuern und Transfers gehört Österreich zu jenen Ländern Europas mit der niedrigsten Einkommensungleichheit. Speziell im produzierenden Sektor gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen, die zu den effizientesten innerhalb der OECD-Staaten gehören.[2]
Anders als etwa in Deutschland, wo der Anteil der Mittelschicht an der gesamten Bevölkerung zwischen 1995 und 2018 von 70 auf 64 Prozent schrumpfte,[3] hält sich Österreichs Mitte ziemlich stabil. Zwar gibt es immer wieder leichte Veränderungen zwischen einzelnen Jahren. Ein klarer Trend lässt sich aber nicht feststellen. Im Jahr 1997 gehörten 67,4 Prozent der Österreicher zur Mittelschicht. Fast eine Generation danach, im Jahr 2019, war der Anteil genau gleich hoch.
Das hängt auch stark mit externen Einflussfaktoren zusammen. Die europäische Integration war wirtschaftlich betrachtet ein Segen für Österreich.[4] Der Wettbewerbsdruck hat das Land fortschrittlicher gemacht, gleichzeitig konnten neue Märkte für den Absatz erschlossen werden.
Verändert hat sich die Mitte allerdings hinsichtlich ihres Alters. Auffallend ist vor allem der Zuwachs bei den über 60-Jährigen. Ihr Anteil an der Mitte ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 18 auf 24 Prozent gestiegen, während vor allem die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen deutlich kleiner wurde. Das hängt einerseits mit der Alterung der heimischen Gesellschaft zusammen; es gibt einfach mehr Ältere, also gehören auch mehr von ihnen zur Mittelschicht. Andererseits kamen die heute 30- bis 40-Jährigen großteils erst nach der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt – also in einer Phase mit deutlich schwächerem Wirtschaftswachstum als in früheren Jahrzehnten. Dies könnte den Aufstieg in die Mittelschicht zusätzlich erschwert haben.
Fußnoten
- Laut Statistik Austria wurden gut drei Viertel der Primäreinkommen 2018 in Österreich als Arbeitnehmerentgelte erworben. Knapp 35 Prozent der verfügbaren Einkommen stammten aus öffentlichen Transfers, darunter auch die öffentlichen Pensionsleistungen. ↩
- Vgl. OECD (2019). ↩
- Vgl. OECD (2021a). ↩
- Vgl. Breuss (2015). ↩
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