Wer braucht schon die Mitte?
- 29.01.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Index
- Die Mittelschicht kommt unter Druck
- Die Mitte macht den Unterschied
- » Mittelschicht, was ist das?
- Die Mitte im Wandel
- Warum gibt es gerade in Österreich eine so breite Mittelschicht?
- Bildung und die Mittelschicht
- Sozialstaat und Mittelschicht
- Krisen setzen der Mittelschicht zu
- Inflation trifft die Mitte mehrfach
- Die Krise trifft die Mitte gleich doppelt
- Herausforderungen für die Mittelschicht
- Handlungsempfehlungen: Bildung
- Arbeitsmarkt
- Vermögensaufbau und Pensionssystem
- Literatur
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Mittelschicht, was ist das?
Die meisten Menschen hätten auf diese Frage wohl eine simple Antwort: Wer nicht jeden Euro zweimal umdrehen muss, eine finanzielle Reserve für Notzeiten hat und sich gelegentlich einen kleinen Luxus leisten kann, gehört zur Mittelschicht. Ökonomen müssen dieses „gefühlte“ Wohlergehen allerdings etwas präziser definieren: Statistisch lässt sich die Mittelschicht anhand von Vermögen oder Einkommen abgrenzen.[1] Zumeist wird als Grundlage für die Berechnung der Mittelschicht das verfügbare Einkommen und damit die Konsummöglichkeiten der Haushalte herangezogen.[2] Unter dem verfügbaren Einkommen versteht man die gesamten Bruttoeinkünfte aus Arbeit und Kapital abzüglich der Steuern und Sozialabgaben sowie zuzüglich aller öffentlichen Geldtransfers. Entscheidend ist die Höhe des verfügbaren Haushaltseinkommens; viele staatliche Leistungen wie Familienbeihilfe oder Kindergeld werden auf Haushaltsebene ausgezahlt.
Dieses verfügbare Haushaltseinkommen wird auf alle Mitglieder eines Haushalts verteilt, also auch auf die Kinder. So versucht man, den Lebensstandard von Familien mit jenem von Single-Haushalten vergleichbar zu machen. Bei der Berechnung wird das Einkommen aber nicht einfach durch die im Haushalt lebenden Personen dividiert. Vielmehr kommt es zur sogenannten „Äquivalisierung der Einkommen“. Die Logik dahinter: Eine vierköpfige Familie hat nicht viermal so hohe Ausgaben wie ein Single. Manche Kosten bleiben gleich, andere steigen, wenn mehr Menschen im Haushalt wohnen.[3] Dafür gibt es entsprechende Anpassungsfaktoren.[4] Auf Basis des äquivalisierten verfügbaren Einkommens wird nun das mittlere Einkommen ermittelt – also der statistische Wert genau in der Mitte der Einkommensverteilung: Gleich viele Österreicher liegen darüber und gleich viele darunter.
In dieser Untersuchung orientieren wir uns an der gängigen Definition der OECD:[5] Demnach umfasst die Mittelschicht alle Menschen, deren (äquivalisiertes) verfügbares Einkommen zwischen 75 und 200 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Ein Single-Haushalt in Österreich gehörte 2019 somit zur Mittelschicht, wenn sein verfügbares Jahreseinkommen zwischen rund 22.200 und 59.100 Euro lag. Vermögen fließen in diese Betrachtung nicht mit ein.
Fußnoten
- Vgl. Piketty (2018). ↩
- Vgl. OECD (2019). ↩
- Die Wohnung muss nur einmal geheizt werden, viele Elemente einer Küchen- oder Badausstattung nur einmal gekauft werden. ↩
- Zur Anwendung kommt hier der Anpassungsfaktor der OECD, der das Haushaltseinkommen mit der Quadratwurzel der Haushaltsmitglieder gewichtet. ↩
- Vgl. OECD (2019). ↩
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