
Steuer auf die Inflation: Wie der Staat den Bürgern jedes Jahr ein bisschen mehr abknöpft
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- Steuerzahler entlasten
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- Pensionen sichern
- Ausgaben bremsen
- Den Investitionsturbo zünden
- Gazellen und Einhörner braucht das Land!
- Digitalisierung: Chancen nutzen statt Ängste schüren
- Bildung: Wenn schon teuer, dann auch „sehr gut“
- Wie es zum Arbeitsmarktversagen gekommen ist
- Die Herrschaft der Bürokratie
- Die Feinde einer offenen Politik
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Schon seit mehreren Jahren fordert die Agenda Austria, die kalte Progression abzuschaffen. Den Finanzminister mag dieses Zusatzeinkommen freuen, für die Bürger ist es eine versteckte Steuererhöhung.
8,5 Milliarden Euro. So viel wird die kalte Progression zwischen 2016 und 2022 den Österreichern zusätzlich aus der Tasche ziehen. Und das geht so: Während die allermeisten Löhne und Gehälter in Österreich jährlich um die Inflation bzw. etwas darüber angepasst werden, ist das Steuersystem starr. Die gleichbleibenden Steuerstufen sorgen dafür, dass die Steuerbelastung für alle Steuerzahler automatisch steigt. Die Inflation bläst den Durchschnittssteuersatz also immer weiter auf – obwohl man real gar nicht mehr verdient.
Was die kalte Progression ist, wird hier verdeutlicht:
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Eine Arbeitnehmerin, die 2016 rund 30.000 Euro brutto verdient hat, lieferte dafür 2.528 Euro Lohnsteuer ab. Wenn ihr Gehalt seither jedes Jahr nur um die Inflation angehoben worden ist, bekommt sie heuer rund fünf Prozent mehr Lohn – sie zahlt aber um 15 Prozent höhere Steuern: 2.913 Euro. Und das, obwohl sie real ja nicht mehr verdient, weil ihr ja nur die Teuerung abgegolten wurde. Wenn die kalte Progression abgeschafft wird, zahlt sie ebenfalls nur um fünf Prozent mehr Lohnsteuer.
Vor einer Wahl hat die kalte Progression wenige Freunde …
Auch die zuletzt regierenden Parteien ÖVP und FPÖ wollten die kalte Progression abschaffen – zumindest in ihren Wahlprogrammen 2017. „Weg mit der kalten Progression – hin zu nachhaltiger Politik“, hieß es etwa im türkisen Programm. Doch Bundeskanzler Sebastian Kurz nannte die Abschaffung im April 2019 gar „unsozial“. Dabei ist es die kalte Progression, die unsozial ist, denn sie fällt auch bei Durchschnittsverdienern übermäßig aus, wie obiges Beispiel zeigt. Im Vergleich zur Steuerlast trifft die kalte Progression speziell Gering- und Mittelverdiener. Sie sorgt auch für einen Taschenspielertrick bei Steuerreformen: Die exemplarische Steuerzahlerin hätte ihre eigene Entlastung im Rahmen der angekündigten Steuerreform zumindest im ersten Jahr der Entlastung großteils vorausfinanziert.
… doch noch jeder Finanzminister hielt an ihr fest
Warum wurde die kalte Progression nicht abgeschafft? Ganz einfach: Weil sie das Regieren bequemer macht. Es ist nämlich so: Für den Finanzminister und die Bundesregierung liefert die kalte Progression durch die entstehenden Mehreinnahmen jene Spielräume, mit denen alle paar Jahre eine Steuerreform als soziale Wohltat vermarktet werden kann. Damit fallen Steuerreformen etwas üppiger aus und werden oft als „größte Steuerreform aller Zeiten“ tituliert. Doch ermöglicht werden die Superlative durch die stetig steigende Belastung im Zuge der kalten Progression: Ausgehend von der letzten Steuerreform im Jahr 2016 wird die kalte Progression bis zum Ende des heurigen Jahres 2019 bereits rund 2,1 Milliarden Euro zusätzliches Steuergeld in die Kassen gespült haben. Seit Beginn der letzten Legislaturperiode bis 2022 wären es 8,5 Milliarden Euro gewesen.
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Abb. 5: Die kalte Progression wird ausgehend von der Steuerreform 2016 bis zum Ende des heurigen Jahres 2019 bereits rund 2,1 Milliarden Euro zusätzliches Steuergeld in die Kassen gespült haben – bezahlt von allen Arbeitnehmern und Pensionisten. Seit Beginn der letzten Legislaturperiode bis 2022 werden es 8,5 Milliarden Euro sein (Stand der Prognose: 15.02.2019).
Parallel dazu darf sich der Staat ohnedies über Steuereinnahmen in Rekordhöhe freuen. Die kalte Progression braucht es gar nicht. Insgesamt sollte die gute Konjunkturlage von der kommenden Regierung genutzt werden, um die Belastungen der Bürger spürbar zu senken. Und dazu gehört auch, der Inflationsbesteuerung den Garaus zu machen. Denn wird diese heimliche Steuererhöhung nicht abgeschafft, wird keine Steuerreform eine nachhaltige Entlastung bei den Steuerzahlern bewirken.
Andere Länder kommen ohne Inflationssteuer aus
Wer übrigens Angst vor den sozialen Folgen der Beseitigung der kalten Progression haben sollte, kann sich Länder wie Dänemark, Schweden und die Schweiz ansehen. Interessanterweise sind dies auch jene Länder, die sich als große Steuerstrukturreformer einen Namen gemacht haben. Sie haben nicht nur die kalte Progression abgeschafft, sondern auch Ausgabenbremsen in ihren öffentlichen Haushalten eingebaut. Was nichts daran ändert, dass Dänemark, Schweden oder die Schweiz nach wie vor zu den lebenswertesten Ländern der Welt gehören.
Handlungsempfehlungen
Das Steuersystem auf Räder stellen: Österreich sollte es vielen entwickelten Industrienationen nachmachen und die Einkommen nicht länger nur wegen der Inflation automatisch höher belasten. Ein Steuersystem, das wie in der Schweiz alle Tarifstufen sowie die Absetz- und Freibeträge jährlich an die Inflation anpasst, würde die kalte Progression gänzlich aus der Welt schaffen.
Einkommen weiter entlasten: Österreich könnte wie Schweden noch einen Schritt weitergehen und die Steuertarife nicht nur an die Inflation, sondern sogar an die Lohnentwicklung anpassen. So wird nicht nur die kalte Progression eliminiert, sondern auch die Steuerbelastung gemessen am Einkommen konstant gehalten.
- Autor: Hanno Lorenz, Dénes Kucsera, Lukas Sustala, Wolfgang Nagl
- Themen: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt, Bildung, Bürokratie, Digitalisierung, Investitionen, Pensionen, Reformen, Regierung, Regulierung, Roadmap, Standort, Transparenz, Vorsorge, Wirtschaftsstandort
- Datum: 17. September 2019