Woran es im Bildungssystem mangelt und welche Schalter umgelegt werden müssten, damit aus dem „Befriedigend“ ein „Sehr gut“ wird. Die Ausgangslage dazu ist nicht die schlechteste.
Seit dem PISA-Schock ist auch Österreich kein Bildungsland der Seligen mehr. Die Schüler liegen mit ihren Leistungserfolgen bei Bildungstests regelmäßig nur im Mittelfeld. So ist hierzulande zwar eine solide Bildungsbasis gewährleistet, es klafft aber eine Lücke zu den Spitzenreitern. Will Österreich dahin aufschließen, müssen die Investitionen, die wir in die Bildung unserer Kinder stecken, mehr Früchte tragen.
Dabei sind die Schulen hierzulande finanziell erstklassig ausgestattet. Am Geld scheitert es also nicht. Die Bildungsspitzenreiter Finnland und Estland geben pro Schüler deutlich weniger aus. Auch die Forschungsausgaben sind im internationalen Vergleich laut aktuellsten Zahlen mit rund 3,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (Stand: 2019) hoch. So befinden sie sich deutlich über dem Durchschnitt der EU-28 von rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Innerhalb Europas liegt nur Schweden vor Österreich.
Doch mit Geld lässt sich für Österreich kein besseres Abschneiden beim PISA-Test erkaufen. Denn die Ergebnisse zeigen, dass das viele Geld nicht bei den Schülern und Studierenden anzukommen scheint. In Universitätsrankings etwa muss der Interessierte schon länger nach österreichischen Hochschulen suchen. So befindet sich im „Times Higher Education Ranking“ die erste heimische Universität auf Platz 143 (Uni Wien).[1]
Anders als bei den Bildungsausgaben insgesamt liegen die Aufwendungen für Kindergärten und Babykrippen in Österreich lediglich im europäischen Durchschnitt. Speziell das Angebot der Ganztagsbetreuung stellt besonders am Land ein Problem dar. In Österreich wird nicht einmal jedes fünfte Kind zwischen 0 und 2 Jahren in einer solchen Einrichtung betreut. Der EU-Schnitt liegt bei über 30 Prozent, in Dänemark sind es sogar fast 60 Prozent. Dabei sind gerade die ersten Bildungsjahre von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung von Kindern. Bildungsdefizite in der frühen Kindheit lassen sich nur relativ teuer in den späteren Jahren aufholen. Ein Blick in die Klassenzimmer zeigt, dass gerade das Sprachthema zu einer großen Herausforderung geworden ist. Österreichweit liegt der Anteil der Kinder mit einer anderen Umgangssprache als Deutsch bei knapp 25 Prozent. In Wien sind es mehr als 50 Prozent aller Schüler. Das ist per se noch kein Problem, erschwert aber natürlich das Erlernen der deutschen Sprache und stellt Kinder wie Erzieher und Lehrer vor besondere Herausforderungen. Denn Personen ohne Migrationshintergrund tun sich beispielsweise beim Lesen deutlich leichter als jene der ersten und auch zweiten Migrantengeneration.[2]
Wenn sich das österreichische Bildungssystem auf den Weg in Richtung Zukunft machen soll, muss man damit bereits im Kindergarten beginnen. Das geht nur mit Veränderungen und neuen Wegbegleitern. Lehrkräfte und Pädagogen müssen besser ausgebildet und vorbereitet sowie weitergebildet werden.
Viele Länder, die gute Bildungsergebnisse in internationalen Vergleichen erzielen, verfügen über eine hohe Autonomie auf Schulebene. In Österreich ist das nicht der Fall, Direktoren können viele Entscheidungen weder selbstbestimmt noch bedarfsorientiert treffen. Denn viele Instanzen und Kompetenzebenen reden mit und tragen zu einem unbeweglichen und trägen Konstrukt zwischen Schulleitungen, Bund und Ländern bei.
Frühe Bildung fördern: Studien zeigen, dass die ersten Lebensjahre die wichtigsten für den weiteren Werdegang der Kinder sind. Daher kommt der frühkindlichen Förderung im Allgemeinen, aber auch im Bereich der digitalen Ausbildung eine hohe Bedeutung zu. Je früher Kinder spielerisch an die neue Technik herangeführt werden, desto besser können sie diese auch in späteren Lern- und Berufsphasen nutzen. Eine finanzielle Aufwertung der frühkindlichen Bildung ist nicht nur dringend erforderlich, sie würde sich auch rechnen, weil man dafür im späteren Bildungsverlauf teure Reparaturmaßnahmen einsparen könnte. Die Mittel werden derzeit nicht effizient eingesetzt. Dänemark, Schweden oder Finnland geben in der frühen Bildungsphase zwischen 17 und 52 Prozent mehr aus, dafür weniger im späteren Schulverlauf.
Sprache erlernen: Deutsch ist die Voraussetzung für weitere Bildungserfolge. Besonders wichtig ist eine Aufwertung des Kindergartens zum zentralen Ort, um die deutsche Sprache zu erlernen. Pädagogen müssen dementsprechend besser qualifiziert werden. Kinder, bei denen die sprachlichen Fähigkeiten nicht in ausreichendem Maß ausgebildet sind, müssen frühzeitig eine entsprechende Deutschförderung erhalten. Und das vor dem Eintritt in die Schule.
Mehr Ressourcen bei höherem Bedarf: Für das Budget von Schulen sollte ein Sozialindex (Alltagssprache, Bildungshintergrund der Eltern etc.) berücksichtigt werden. Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus bildungsfernen Schichten sollten zusätzliche Mittel erhalten. Zahlreiche Länder wie das Vereinigte Königreich, Frankreich und die Niederlande oder auch Schweizer Kantone handhaben das auf diese Weise. Wo es nötig ist, gibt es für die Schüler dann mehr Lese- und Sprachförderung, auch können Schulpsychologen und Sozialarbeiter besser einbezogen werden. Allerdings sind Schulen rechenschaftspflichtig und müssen die Verwendungszwecke der zusätzlichen Gelder offen darlegen. Außerdem muss die Zweckmäßigkeit der zusätzlichen Finanzierung
regelmäßig evaluiert werden.
Die „Vienna Challenge“ einführen: Im Vereinigten Königreich fielen vor 20 Jahren Londoner Schulen bei den nationalen Bildungstests mit verheerenden Ergebnissen auf. Unter Premierminister Tony Blair wurde daraufhin die „London Challenge“ ins Leben gerufen. Die Problemschulen bekamen mehr Geld und die Chance, besser zu werden. Innerhalb von fünf Jahren mussten die Schüler deutliche Fortschritte machen, andernfalls drohte den Schulen das Aus. Direktoren konnten sich die Lehrer aussuchen, die für den Beruf weniger geeigneten also auch kündigen. Problemschulen wurden mit jenen Schulen vernetzt, die trotz ähnlicher Problemlagen bessere Ergebnisse erzielten. Innerhalb weniger Jahre waren beachtliche Fortschritte zu sehen, noch heute zählen die Londoner Schulen zu den besten öffentlichen des Landes, obwohl die „London Challenge“ längst ausgelaufen ist. So etwas bräuchte es auch in Österreich, allen voran in Wien.
Ausbau der Schulautonomie:
Die Schulen können ihre Probleme ganz pragmatisch selbst lösen und sollten nicht Spielball politisch-ideologischer Auseinandersetzungen sein. In einer entwickelten Volkswirtschaft wie Österreich wäre ein hoher Grad an Schulautonomie für den Lernerfolg der Schüler förderlich. Eine größere Selbstverantwortung der Schulen würde außerdem auch für mehr Transparenz und Wettbewerb sorgen. Dafür braucht es eine einheitliche Datenbank, die verpflichtend mit Informationen zu Ausgaben und Bildungserfolgen zu befüllen und zu veröffentlichen wäre. Das hat auch den Vorteil, dass erfolgreiche und weniger erfolgreiche Lehrmethoden verglichen werden können. Ein wesentlicher Teil der Schulautonomie sollte sich in den Personalentscheidungen widerspiegeln. Die Schulleitung muss ihre Lehrpersonen selber aussuchen und einstellen können. Der Kündigungsschutz muss sich parallel dazu an jenem der Privatangestellten orientieren, sodass sich jede Schule im Zweifel auch von pädagogisch oder fachlich ungeeignetem Personal trennen kann.
Modernes Dienstrecht: Wer mehr Weiterbildung erwartet, sollte auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Es braucht daher bessere Angebote des Staates für Lehrpersonal, in denen das notwendige Wissen für die Anwendung digitaler Hilfsmittel gelehrt wird. Auf der anderen Seite muss es aber auch Aufgabe der Lehrer sein, diese Angebote wahrzunehmen und sich fortzubilden. Es braucht ein modernes Dienstrecht, das zur Weiterbildung verpflichtet und dafür aber auch die notwendigen zeitlichen Freiräume schafft und Engagement belohnt. Um engagierte Lehrkräfte zu fördern, sind Gehaltsvorrückungen an Fortbildungen, speziell im Umgang mit digitalen Hilfsmitteln, zu koppeln.
Fußnoten
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