
Das Ende des Sparbuchs
Das Ende des Sparbuchs
- Überblick
- Die Realzinsen sinken seit fast 40 Jahren
- Wo das Finanzvermögen der Osterreicher steckt
- Wie das Geld dahinschmilzt
- Die Folgen der Pandemie
- Risiko ist leider Pflicht
- Aktien als Sparbuch-Alternative
- ETF oder aktiver Fonds?
- Das Erbe von Jack Bogle
- Welche Fehler man vermeiden sollte
- » Handlungsempfehlungen
- Literatur
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Handlungsempfehlungen
Das in Österreich so beliebte Sparbuch taugt nicht mehr für den langfristigen Vermögensaufbau. Auch andere etablierte Sparformen wie Lebensversicherung und Bausparvertrag leiden unter den niedrigen Zinsen.
Die Corona-Krise und die Reaktionen von Staaten und Notenbanken haben eine etwaige Zinswende weiter in die Zukunft verschoben. Die Daten zeigen, dass die Österreicher auf diese Herausforderung reagieren, indem sie mehr auf Konto und Sparbuch ansparen. Das ist angesichts der langfristigen Renditedaten keine nachhaltige Strategie. Den Sparern droht der Verlust ihrer Kaufkraft – sie erreichen somit das Gegenteil dessen, was sie anstreben.
Verantwortung übernehmen
Wer zusätzlich zur gesetzlichen Pensionsversicherung vorsorgen will und über Kapital verfügt, das langfristig erhalten bleiben soll, muss eine Strategie abseits von Konto und Sparbuch finden. Das bedeutet auch, Verantwortung für das eigene Vermögen zu übernehmen – denn alle Alternativen bergen auch ein gewisses Risiko.
- Anleger sollten ihre Sparziele definieren und Risikokapital vom risikoarmen Teil trennen. Die klassische Regel lautet: 60 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen – wobei der Anteil der Anleihen mit zunehmendem Alter wachsen sollte. Anleihen sind hier immer Staatsanleihen in der Heimatwährung.
- Da Staatsanleihen heute oft negativ verzinst sind, bieten sich tatsächlich auch Konten und Sparbücher an – innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Person und Institut.
- Um den Aktienteil möglichst günstig zu investieren, bieten sich Indexfonds an, die in Europa vor allem in Form von Exchange Traded Fonds (ETF) handelbar sind. Wer sein Geld lieber einen Fondsmanager verwalten lässt, hat weniger persönlichen Aufwand – aber höhere Kosten.
- Weltweite Streuung und ein langfristiger Anlagehorizont verringern das Risiko.
- Sparpläne können dabei helfen, eine regelmäßige Sparrate einzuhalten – und sich nicht von Trends oder Ängsten im Markt beeinflussen zu lassen.
Alternativen aufzeigen
Das Sparbuch ist eine österreichische Erfolgsgeschichte. Das Vermögen der Österreicher wächst und wächst. Im aktuellen Umfeld ist es für die Finanzinstitute aber wichtig, Alternativen zu entwickeln und zu vermarkten. Die Kapitalmarktkultur in Österreich ist unterentwickelt, das gilt es zu ändern. Aktien sind zentraler Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios. Sie ermöglichen es Kleinsparern, am langfristigen Wachstum der Weltwirtschaft teilzuhaben.
- Banken und Fondsgesellschaften sollten ihre Anstrengungen zur Aufklärung bezüglich langfristiger Geldanlage verstärken sowie möglichst transparente und günstige Produkte kreieren, deren Strategie auf die langfristigen Sparziele ihrer Kunden ausgerichtet ist.
- Dabei kann es sich um Indexfonds handeln – oder um besonders günstige aktiv verwaltete Fonds. Es ist zu beachten, dass der Konkurrenzdruck durch Direktbanken, Neobroker und ETF-Anbieter immer größer wird und die Kunden zunehmend preissensitiv agieren werden.
- Zur Gesamtstrategie gehören kompetitive Kosten für Onlinedepot und Wertpapierhandel sowie zeitgemäße Benutzeroberflächen (Website und App).
Stimmung verbessern
Die Politik trägt viel Mitverantwortung für das Schattendasein des Kapitalmarkts in Österreich. Da nur wenige Menschen investieren, wird diese Wählergruppe oft missachtet oder gar als „Spekulanten“ beschimpft. Das muss sofort aufhören. Langfristiges „Aktiensparen“ muss Teil der heimischen Geldkultur werden. Das bedarf auch der Unterstützung durch die Politik – sei es durch persönliche Beispiele oder gesetzliche Regelungen. Vom langfristigen Kapitalaufbau durch die Bevölkerung profitieren letztlich alle: Bürger, Staat und Sozialsystem.
- Finanzbildung gehört auf den Lehrplan der Schulen. Auch für andere Altersschichten sollten die Anstrengungen zur Aufklärung erhöht werden.
- Politiker sollten mit gutem Beispiel vorangehen und selbst auf Aktien (und Fonds) als langfristige Alternative zum Sparbuch setzen – und das auch kommunizieren. Bisher kommen aus der Politik leider stets andere Signale.
- Die Spekulationsfrist, nach deren Ablauf keine Kapitalertragssteuer auf Wertpapiergewinne anfällt, sollte wieder eingeführt werden. Sie sollte mindestens ein Jahr und maximal fünf Jahre betragen.
- Zu überlegen wäre die Gründung eines Staatsfonds nach norwegischem Vorbild, der weltweit das Geld der Österreicher anlegt – und als Vorbild für deren private Strategie dienen kann.
- Entscheidend ist es, die Steuern auf Arbeit spürbar zu senken und die kalte Progression abzuschaffen, um den Bürgern die Möglichkeit zur privaten Vorsorge zu geben.
- Der Staat sollte Voraussetzungen für langfristige private und betriebliche Pensionsvorsorge schaffen und neue, möglichst günstige und transparente Vorsorgeformen forcieren.[1]
- Eine Gelegenheit wäre die Einführung des Pan-European Pension Products (PEPP, auf Deutsch: Europarente), die nach Vorgaben aus Brüssel bis Ende 2021 stattfinden sollte.
- Die „Abfertigung neu“ sollte durch einen Pensionskassenvertrag für alle ersetzt werden.
- Die Kunden sollten die Möglichkeit haben, auf eine Kapitalgarantie zu verzichten, um eine höhere Rendite zu erzielen.
- Zusätzlich sollte nach Schweizer Vorbild ein Modell eingeführt werden, bei dem ein individuelles Depot zur privaten Pensionsvorsorge gewidmet werden kann – idealerweise in Verbindung mit Steuervorteilen.
- Autor: Nikolaus Jilch, Dénes Kucsera
- Themen: Das Ende des Sparbuchs, Geldanlage, Sparbuch, Sparen
- Datum: 23. Juli 2021
Fußnoten
- Vgl. Lehner et al. (2020). ↩