Die eigenartige Medienlandschaft
- 28.11.2016
- Lesezeit ca. 2 min
Warum Österreich wichtige Reformen verschläft
Die österreichische Medienlandschaft ist von zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Die beiden Tageszeitungen Krone und Heute erreichen zusammen eine Reichweite von 45 Prozent. Herausgeber der Krone ist Christoph Dichand, Herausgeberin von Heute ist seine Gattin Eva Dichand.
Es gibt kein anderes Land in Europa, in der eine Familie über eine ähnliche Medienmacht verfügt. Der staatliche Österreichische Rundfunk (ORF) erzielt mit seinen Sendern eine Reichweite von mehr als 60 Prozent. Er ist fest in der Hand der politischen Parteien. Sein Stiftungsrat (Aufsichtsrat) umfasst 35 Mitglieder. 24 werden von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien nominiert, weitere sechs vom Publikumsrat, der sich aus 17 vom Bundeskanzler nominierten Persönlichkeiten zusammensetzt. 32 der 35 Mitglieder lassen sich politischen Parteien zuordnen.
Wichtige Entscheidungen im Stiftungsrat, wie etwa die Wahl eines Generalintendanten, werden auf parteipolitischer Ebene beraten und von den Freundeskreisen der Parteien im Stiftungsrat umgesetzt. Dabei entsteht der Eindruck, dass Parteinähe wichtiger ist als Qualifikation. Bei der Besetzung der Landesdirektoren gilt offensichtlich der Grundsatz, dass jedes Landesstudio einen der Partei oder der Person des jeweiligen Landeshauptmanns nahestehenden Direktor erhält. Auch bei der Besetzung der weiteren Führungspositionen wird neben der Qualifikation die parteipolitische Zuordnung der Kandidaten als wesentliches Kriterium berücksichtigt. Vor allem die Boulevardmedien Krone, Heute und Österreich wollen sich nicht mit ihrer eigentlichen Aufgabe, der Berichterstattung begnügen. Sie wollen die wichtigen Entscheidungen in Österreich maßgeblich beeinflussen, sie wollen regieren. Die Umsetzung dieses Anspruchs erfolgt durch politische Mandatare, die sich von der Zeitung führen lassen und dafür unterstützt werden, und durch die Kampagnisierung ausgewählter Themen. Werner Faymanns Aufstieg zum Bundeskanzler ist zu einem großen Teil auf sein Naheverhältnis zur Krone zurückzuführen. In einem Kabarettprogramm hieß es, Faymann brauche kein Programm, er erfahre am Sonntag in den Kommentaren der Krone, was er am Dienstag im Ministerrat zu sagen habe. Das war satirisch überzeichnet, aber dem Grunde nach wohl zutreffend. So ähnlich wie Faymann hielten bzw. halten es viele seiner Kollegen in politischen Funktionen.
Die enge Verbindung von Politik und Medien hat aber ihren Preis, den der Steuerzahler zu bezahlen hat. Allein im Jahr 2015 haben die öffentliche Hände und ihre Unternehmen 188 Millionen Euro für Insertionen aller Art ausgegeben. Diese Zahl wurde vom Bundesrechnungshof ermittelt, der die Umsetzung des Medientransparenzgesetzes zu prüfen hatte. Davon gingen 22,6 Millionen an die Krone und je 14 an Heute und Österreich. Allein die Gemeinde Wien und ihre Unternehmen inserierten im Jahr des Gemeinderatswahlkampfs für 46 Millionen Euro. Die Kampagnisierung bestimmter Themen ist ein Instrument vor allem der Krone. Die Erhaltung der Donau-Auen bei Hainburg und die Verhinderung des dort geplanten Kraftwerks wären ohne Krone vermutlich nicht möglich gewesen. Viele weitere Kampagnen folgten, wie etwa pro Waldheim, immer wieder pro Faymann zuletzt gegen Van der Bellen, gegen die Wehrpflicht und für ein Berufsheer, 1994 für einen EU-Beitritt, zuletzt gegen die EU und ihre Entwicklung. Manchmal setzt sich die Krone durch, manchmal nicht. Entscheidend ist, dass viele Politiker an das Ende ihrer Überlegungen die Frage stellen, ob die Krone dafür oder dagegen ist und davon ihre Entscheidung abhängig machen. Das trägt zum Stillstand in Österreich bei.
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