Die gesetzlichen Grundlagen des österreichischen Föderalismus haben sich in den vergangenen 90 Jahren nur wenig geändert. Die Kompetenzen der Länder in der Gesetzgebung sind gering, die Steuerhoheit liegt nahezu ausschließlich beim Bund, und die Länder finanzieren sich zu mehr als 90 Prozent von den Steueranteilen, die ihnen vom Bund überwiesen werden.
Die zweite Kammer des österreichischen Parlaments, der Bundesrat, hat wenig Einfluss auf die Gesetzgebung und wird daher sowohl von Politikwissenschaftlern als auch von Politikern immer öfter infrage gestellt und als entbehrlich betrachtet.
Diese Schwäche wird dadurch mehr als ausgeglichen, dass die Landeshauptleute zumindest in den vergangenen zehn Jahren die Bundespolitik entscheidend mitgestaltet haben und die Länder sich aus diesem Grund bei den Verhandlungen über den Finanzausgleich erfolgreich gegen die jeweiligen Finanzminister durchsetzen konnten.
Die Ausgaben der öffentlichen Hände in Österreich betrugen im Jahr 2015 rund 170 Milliarden Euro. 42,4 Prozent davon entfielen auf den Bund, 29,6 auf die Sozialversicherungen, 15 auf die Länder und 13 auf die Gemeinden. Für die Länder bedeutet das ein Ausgabenvolumen von etwa 25 Milliarden Euro. Sie verdanken ihre Einnahmen zu mehr als 95 Prozent dem Finanzausgleich, der festlegt, wie die vom Bundesgesetzgeber beschlossenen und zu verantwortenden Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden. Während die Bundesebene sich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Steuerzahler stellen muss, bleibt dies den Ländern erspart. Sie haben keine Einnahmenverantwortung und sind nur für die Ausgaben zuständig, die weitgehend ihren Bürgern zugutekommen. Die Länder würden sich so manche Ausgabe überlegen, wenn sie auch für deren Finanzierung die unmittelbare Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler übernehmen müssten. Es wäre daher sinnvoll, den Ländern ein gewisses Maß an Steuerhoheit zuzugestehen. Im Wissen um die Vorteile des bestehenden Systems haben sich die Länder bisher erfolgreich dagegen gewehrt. Bei einer Klausurtagung der Landesfinanzreferenten Mitte der 1990er-Jahre waren die wirtschaftlich erfolgreicheren Länder für eigene Steuern, die schwächeren dagegen. Die Gegner blieben in der Mehrheit und dürften es bis heute geblieben sein.
Der Idee des Föderalismus liegt die Überzeugung zugrunde, dass kleine, überschaubare Einheiten besser als große, zentrale geeignet sind, auf die Bedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung einzugehen, für den effizienten Einsatz von Steuermitteln zu sorgen und wirksame Kontrolle auszuüben. Die Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordneten in den Ländern agieren in der Überzeugung, dass sie bürgernäher, sparsamer und effizienter arbeiten als ihre Kollegen in der Bundesregierung und im Nationalrat. Dieser Anspruch wurde zuletzt mehrfach infrage gestellt:
Viele Anläufe zu einer Bundesstaatsreform sind gescheitert. Die Ursachen dafür lagen sowohl beim Bund als auch bei den Ländern. Vielleicht lag der Fehler darin, dass beide Seiten von ihren Besitzständen ausgingen und nicht bereit waren, von diesen abzuweichen. Der Bund und die Länder stehen einander misstrauisch gegenüber. Jeder Vorstoß des einen in Richtung Reform wird vom anderen als Versuch gewertet, ihn über den Tisch zu ziehen. Landeshauptleute haben wiederholt Landtagswahlen mit oft massiver Kritik an der jeweiligen Bundesregierung gewonnen. Im Gegenzug haben Bundespolitiker erkennen lassen, dass sie Landespolitik für kleinkariert und ziemlich unnötig halten. Der letzte große Anlauf für eine Bundesstaatsreform wurde in der Ära Schüssel unternommen. Von 30. 6. 2003 bis 31. 1. 2005 tagte der mit hochrangigen Experten und Politikern besetzte Österreich-Konvent. Ein Ergebnis dieses Konvents war die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in den Ländern. Sehr viel mehr wurde nicht umgesetzt. Dabei gibt es so viel zu reformieren. Für die Organisation und Finanzierung der Kinderbetreuung in Österreich etwa sind 2.100 Gemeinden, neun Bundesländer und vier Ministerien zuständig. In einem seiner Berichte schreibt der Bundesrechnungshof, dass im österreichischen Bildungswesen die Ausgaben vergleichsweise hoch und die Erfolge durchschnittlich sind. Als Hauptgrund führt er die fehlende Übereinstimmung von Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden an. Aus einer Erhebung der Industriellenvereinigung geht hervor, dass Bund und Länder insgesamt 223 Familienförderungen und familienrelevante Maßnahmen anbieten. Dazu kommen noch Maßnahmen vieler Gemeinden. Je mehr verwaltet wird, desto weniger kann bei den Familien ankommen.
Ein Faktum ist, dass neue Herausforderungen von den Ländern nicht oder nur ungenügend angenommen werden. Ich bringe dazu ein Beispiel aus Salzburg. Die Stadt ist regionales Zentrum nicht nur für den Salzburger Zentralraum, sondern auch für die bayrische Grenzregion und große Teile des Innviertels. Viele Salzburger verlegen ihren Wohnsitz nach Bayern, weil dort das Wohnen günstiger ist als in Salzburg. Viele Bayern arbeiten in Salzburg wegen des differenzierten Angebots auf dem Arbeitsmarkt. Zahlreiche Betriebe folgen den relativ geringen Grundpreisen ins Innviertel. Sie und ihre Mitarbeiter nützen aber die Landeshauptstadt Salzburg als regionales Zentrum. Diese Entwicklung erfordert Instrumente, die nicht an den Landesgrenzen haltmachen. Notwendig sind gemeinsame Konzepte für Raumordnung, Verkehr, Betriebsansiedlung, Krankenanstalten und Freizeitinfrastruktur. Dazu sind staatsgrenzen- und landesgrenzenübergreifende Auftraggeber und Budgets unerlässlich, die es aber nicht gibt. Die Landesgrenzen und die Staatsgrenzen mögen vor 90 Jahren natürliche Grenzen gewesen sein. Es reichte aus, sich um die Entwicklung innerhalb der eigenen Grenzen zu kümmern. Seither ist die Entwicklung den Instrumenten der Landespolitik davongelaufen. Heute geht es nicht mehr darum, Grenzen zu bewahren, sondern zu überwinden. Dieser Gedanke findet sich in vielen Ansprachen, nicht aber in konkreten Entscheidungen der Landespolitik.
Die wirtschaftliche Zukunft des Salzburger Zentralraums hängt zu einem großen Teil von der gemeinsam gestalteten Entwicklung mit den bayrischen und oberösterreichischen Nachbarn ab. Dieser Herausforderung stellt sich das Land Salzburg nur in sehr kleinen Schritten, obwohl Sprünge erforderlich wären. Ähnliche Problemstellungen gibt es auch an anderen Staats- und Landesgrenzen in Österreich. Sie sind mit dem Denken und den Strukturen von vor 90 Jahren nicht zu bewältigen.
In der Gesetzgebung sind die Kompetenzen der Länder im Vergleich zu denen des Bundes gering. Raumordnung, Naturschutz, Baurecht, Wohnbauförderung, Jugendschutz, Mindestsicherung sowie Landesbudgets sind zwar wichtige Materien, aber nur ein sehr kleiner Teil der Gesetzgebung in Österreich. Die Landtage hätten daher viel freie Kapazität, um die Landesregierungen zu kontrollieren, was aber in der Praxis nicht oder nur ungenügend geschieht. Denn die jeweilige Landesregierung stützt sich auf eine Mehrheit im Landtag, die kein Interesse daran hat, ihre eigenen Regierungsmitglieder in Verlegenheit zu bringen. Den Regierenden steht der Apparat der Landesverwaltungen zur Verfügung, der kontrollierenden Opposition oft nicht mehr als ein Klubsekretär pro Partei. Die Kontrolle der Landesregierungen steht daher unter dem Motto: “Die Opposition kann nicht und die Mehrheit will nicht.” Die rot-schwarze Koalition in Salzburg (2004 bis 2013) hatte einen Koalitionsausschuss, in dem die Entscheidungen in Regierung und Landtag festgelegt wurden. Das ging so weit, dass auch festgelegt wurde, welche Fragen aus dem Landtag heraus an die jeweiligen Regierungsmitglieder gestellt werden dürften und welche nicht. Das extremste mir bekannte Beispiel für die mangelnde Kontrolle eines Landtags über eine Landesregierung stammt aus der Zeit, als Jörg Haider Landeshauptmann von Kärnten war. Um das Chaos in den Landesfinanzen zu verdecken, legte die Regierung mehrmals keinen Rechnungsabschluss vor – und der Landtag ließ sich das gefallen. Ein großer Teil der Aufgaben der Landesregierungen wird in mittelbarer Bundesverwaltung abgewickelt. In diesem Bereich sind die Länder der dezentralisierten Bundesverwaltung und den jeweiligen Ministerien weisungsunterworfen. Wenn die Länder heute trotz alledem einen großen Teil der Macht in Österreich ausüben, so liegt das daran, dass die Landeshauptleute ihre jeweiligen Bundesparteien beherrschen. Die Teile sind stärker als das Ganze.
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