Der Parteienstaat

Warum Österreich wichtige Reformen verschläft

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Vor einigen Jahren war Josef Cap, damals Klubobmann der SPÖ im Nationalrat, Gastreferent im Bundesvorstand der Industriellenvereinigung. Nach seinem Referat wurde Cap gefragt, warum die SPÖ kaum Veränderungen und Reformen anpacke. Seine Reaktion war entwaffnend ehrlich.

Die Ant- wort sei einfach, sagte Cap. Die SPÖ reformiere nicht, weil die Österreicher keine Reformen wollten. Wer Veränderungen angehe, der verliere Wahlen. Und ein Hauptziel politischer Parteien sei es, Wahlen zu gewinnen. Auf den Vorhalt eines Diskussionsteilnehmers, die SPÖ habe mit dieser Philosophie eine Wahl nach der anderen verloren, ging Cap nicht ein.

Stefan Petzner berichtet in seinem Buch über Jörg Haider, dass dieser nur eine Ambition hatte, nämlich an die Macht zu kommen, an der Macht zu bleiben und die Macht auszubauen. Dazu waren ihm alle Mittel recht und wurden auch alle finanziellen Ressourcen aufgebraucht. Haider hatte keinen Plan für Kärnten und auch kein Konzept. Er hatte einen Plan für Jörg Haider. Seine Parteien, zunächst die FPÖ und später das BZÖ, trugen Haiders Philosophie begeistert mit. Wichtig waren Wahlerfolge. Unwichtig war, dass Kärnten im Vergleich der Bundesländer immer weiter zurückfiel – bei der wirtschaftlichen Entwicklung, bei der Beschäftigung, beim Bevölkerungswachstum, bei Forschung und Entwicklung etc.

Bei den Parteien, die Österreich seit 1945 regieren, fehlt es in Bezug auf Reformen bei der SPÖ am Wollen, bei der ÖVP oft am Können.  Sie braucht nicht nur die Zustimmung ihrer Teilorganisationen, sondern auch die der Landesorganisationen. Da ist der gemeinsame Nenner meist sehr klein. Aufgabe der politischen Parteien ist es, die Entwicklung des Landes zukunftsorientiert bestmöglich zu gestalten. Dazu sind Weitblick, Mut und Veränderungswillen erforderlich sowie die Bereitschaft, für als richtig erkannte Themen und Werte einzustehen und dafür auch einmal eine Wahlniederlage in Kauf zu nehmen.

Der damalige Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus (1949-1961) setzte den Bau des Großen Festspielhauses gegen den erbitterten Widerstand der Salzburger FPÖ durch. Das Thema beherrschte einen Landtagswahlkampf, die von Klaus geführte Volkspartei verlor Stimmen und ein Mandat an die Freiheitlichen. Einige Jahre später wurde Klaus gefragt, ob er sich des Risikos einer Wahlniederlage bewusst gewesen sei. Seine Antwort lautete: “Ich habe immer gewusst, dass mit dem Bau des Festspielhauses ein erhebliches politisches Risiko verbunden war. Aber was ist wichtiger für Salzburg: das neue Haus oder die Vermeidung eines Mandatsverlusts der ÖVP bei einer Landtagswahl?”

Der österreichische Politikwissenschaftler Norbert Leser schrieb vor 30 Jahren von den österreichischen politischen Parteien, die sich den Staat als Selbstbedienungsladen halten. Diese Zustandsbeschreibung ist heute noch immer zutreffend. Wo immer die Parteien Personalentscheidungen zu treffen haben, spielt die Nähe eines Kandidaten zu einer politischen Partei eine maßgebliche Rolle. Daran haben auch diverse Objektivierungsrichtlinien nur wenig geändert. Oft werden Funktionen öffentlich ausgeschrieben, weil das gesetzlich vorgeschrieben ist, obwohl die Entscheidung informell längst getroffen wurde. Sogar kritische Medien nehmen den Anspruch von Parteien auf bestimmte Funktionen ohne Widerspruch zur Kenntnis. Vor einigen Jahren meldete eine Salzburger Tageszeitung in einer kurzen Notiz, dass die Funktion eines Bezirkshauptmanns ausgeschrieben worden sei, deren Besetzung einer bestimmten Partei zustehe. Und so kam es auch. Der Vorgang erschien so selbstverständlich, dass ihn nicht einmal kritische Journalisten kommentierten.

Wie vor 30 Jahren spielt auch heute die Parteipolitik an den Schulen eine dominierende Rolle. Bei vielen Postenbesetzungen und bei den meisten Bestellungen von Direktoren dominiert das Parteibuch. Wir haben uns in Österreich daran gewöhnt – in anderen Ländern folgt die Personalpolitik sachlichen Kriterien. Als ich bei einer Diskussion in Schweden über die Art und Weise berichtete, wie in Österreich Lehrer und Direktoren ausgewählt werden, lachten meine Gesprächspartner, weil sie meine Darstellung für einen Scherz hielten.

Zu meinen Aufgaben als Mitglied der Landesregierung gehörte das Fremdenverkehrsressort. Bei meinem Eintritt in die Regierung hatte ich ein als Behörde organisiertes Landesverkehrsamt vorgefunden, das für das Marketing von Tourismus zuständig war. Ich übertrug diese Aufgabe einer Ges.m.b.H. mit starker Beteiligung der örtlichen Fremdenverkehrsverbände. Geschäftsführer wurde ein dynamischer und innovativer Reisebüromanager, der exzellente Arbeit leistete und von der Branche sehr geschätzt wurde. Eines Tages kam der damalige Präsident der Wirtschaftskammer und Landesobmann des Wirtschaftsbunds wütend zu mir und forderte mich auf, den Mann zu entlassen, denn “er habe öffentlich eine Unterstützungserklärung für die grüne Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten abgegeben und sei daher untragbar geworden”. Ich erklärte dem Präsidenten, dass der Manager seinem Arbeitgeber engagierte Arbeit schulde und nicht seine Gesinnung. Der Präsident und Landesobmann verließ mich noch wütender, als er gekommen war.

Wer für eine im öffentlichen Bereich zu besetzende Funktion nicht nach dem besten Kandidaten sucht, sondern nach dem mit dem richtigen Parteibuch, und dabei eine geringere Qualifikation in Kauf nimmt, richtet damit erheblichen Schaden an. Wenn dies vorsätzlich geschieht und im Wissen über die Minderqualifikation des Parteikandidaten, sehe ich darin Korruption. Diese Form der Korruption sollte, ebenso wie andere Varianten, unter Strafsanktion gestellt werden.

Wie vor 30 Jahren gibt es auch heute noch bürgerliche und sozialdemokratische Sportvereine und Sportverbände in Österreich, Wohnbaugenossenschaften und Automobilklubs. Ein großer Teil der österreichischen Senioren ist in parteinahen Seniorenvereinigungen organisiert. Hauskrankenpflege und Hilfe zur Weiterführung des Haushalts für Senioren wird in Österreich vor allem von parteinahen Vereinen angeboten. Diese Vereine leisten sehr gute Arbeit für Kranke und Alte. Dennoch stelle ich die Frage, ob die Parteien nicht gut beraten wären, sich aus dem geschilderten operativen Tagesgeschäft zurückzuziehen und sich ihrer eigentlichen Aufgabe zuzuwenden, die darin besteht, die Rahmenbedingungen für Österreich erfolgreich zu gestalten – und das in einem lebendigen demokratischen System. Parteinahe Vereine, Organisationen und Unternehmen erhalten Subventionen von öffentlichen Händen, die wiederum von Angehörigen politischer Parteien repräsentiert werden. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob Aufsicht und Kontrolle unter Parteifreunden ebenso streng wahrgenommen werden wie bei anderen Organisationen ohne Parteinähe. Meine Erfahrung ist, dass beamtete Kontrollore ihre Aufgaben unbeeinflusst wahrnehmen. Ich habe aber auch erlebt, dass Politiker ihnen näherstehende Organisationen zu begünstigen versuchen.

Die politischen Parteien sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass sie mit dem skizzierten Klientelsystem erhebliche Risiken eingehen. Als in Salzburg eine der Volkspartei nahestehende Wohnbaugesellschaft Konkurs anmelden musste, bedeutete dies eine schwere Krise und einen massiven Vertrauensverlust für die Partei. Sie brauchte Jahre, um sich davon zu erholen. Einem ASKÖ-Verein in Salzburg wird die widmungswidrige Verwendung von Fördergeldern vorgeworfen, die der Verein von Regierungsmitgliedern der SPÖ zugesprochen bekommen hatte. Jede neue Meldung über staatsanwaltliche Ermittlungen trifft die Partei und schadet ihr.

Österreich ist das Land, das im europäischen Vergleich pro Kopf der Bevölkerung die höchste Parteienförderung aufweist. Insgesamt rund 200 Millionen Euro werden von Gemeinden, Ländern und Bund an die politischen Parteien ausgeschüttet. Die Grundidee der Parteienförderung ist nachvollziehbar. Die Parteien sollten von großen Geldgebern unabhängig werden. Dieses Ziel dürfte erreicht worden sein, auch wenn eine Reihe von Gerichtsverfahren, die derzeit anhängig sind, vermuten lassen, dass es verdeckte Geldflüsse von großen Unternehmen zu politischen Parteien gibt.

Die Parteienförderung steht für mich dem Grunde nach außer Streit. Aber wie kann begründet werden, dass Österreich in Europa pro Kopf am meisten und weltweit am zweitmeisten ausschüttet, wobei Österreich nur von Japan übertroffen wird? Auf diese Frage lautet die Antwort der verantwortlichen Politiker, Demokratie koste und müsse dem Steuerzahler etwas wert sein. Das Problem sehe ich darin, dass die politischen Parteien mit ihren Budgets nie das Auslangen finden. Wenn sie vor einer Wahl gegenüber anderen Parteien zurückliegen, erhöhen sie den finanziellen Einsatz. Und wenn sie nach einer Wahl einen Schuldenberg angehäuft haben, erhöhen sie die Parteienförderungen.

Dazu kommt, dass die Gebarung der Parteien alles andere als transparent ist und die Parteien es vermeiden, umfassende Auskunft über die Verwendung der ihnen vom Steuerzahler zur Verfügung gestellten Mittel zu geben. Die Parteien legen dem Bundesrechnungshof Berichte über ihre Finanzen vor. Direkte Einsicht in die Parteifinanzen darf der Rechnungshof aber nicht nehmen. Sanktionen für falsche Angaben gibt es nicht. Ist es demokratiepolitisch richtig, dass die Parteien ihre Förderungen freihändig selbst beschließen? Sollten die Parteien nicht die Grundsätze der Sparsamkeit und Transparenz auch für sich selbst anwenden? Wäre in Wahlkämpfen nicht weniger oft mehr?

Notwendig wäre eine lückenlose Prüfung der Finanzen aller Parteien und ihrer Vorfeldorganisationen durch den Rechnungshof. Was die Höhe der Parteienförderung betrifft, so schlage ich vor, dass ein aus zwei Höchstrichtern und zwei Universitätsprofessoren bestehendes Gremium Empfehlungen für die Höhe der Parteienförderung abgeben soll. Die Parteien müssten dann Förderungen, die über die Empfehlung hinausgehen, begründen. Der Satz “Demokratie ist nicht zum Nulltarif zu haben” wird dann nicht mehr ausreichen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Medien ein besonders qualifiziertes Interesse an diesem Thema haben. Denn ein großer Teil der Parteienförderung geht über Inserate an sie.

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