Armut & Verteilung

Was spricht eigentlich gegen eine „faire“ Erbschaftssteuer? Einiges.

Um die hohe Belastung des Faktors Arbeit zu senken, braucht es keine neuen Steuern, wie der in Österreich so beliebte schwedische Wohlfahrtsstaat gut zeigt.

Die Regel ist, dass jemand schon enorm hohe Steuern abgeliefert hat, um diese Erbschaften überhaupt erst einmal entstehen zu lassen.

Österreich ist das Land, in dem jede Debatte über die dringend nötige Entlastung der Bürger mit der Einführung einer neuen Steuer beginnt. Wer die konfiskatorisch hohe Belastung des Faktors Arbeit senken will, fordert nicht etwa ein Ende des nicht enden wollenden Staatsausgabenrausches, sondern die Einführung von Vermögen- und Erbschaftssteuern. Vor allem Letztere steht derzeit wieder hoch im Kurs. 

So meinte etwa der neue Chef des IHS, Holger Bonin, unlängst in der „ZiB 2“, dass man über die Einführung einer Erbschaftssteuer nachdenken sollte. Weil mit dieser gleich zwei Fliegen auf einen Schlag zu erwischen wären: Einerseits könnte der Faktor Arbeit endlich entlastet, andererseits der Verteilungsgerechtigkeit ein wenig auf die Sprünge geholfen werden. Noch deutlicher wird Wifo- Chef Gabriel Felbermayr: „Wir haben in Österreich relativ wenig Besteuerung von Grund und Boden und keine Erbschaftssteuer. In anderen OECD-Ländern schon, sie sind deshalb auch nicht verarmt oder zu Industrieruinen geworden. Man muss es halt klug machen.“ 

Beide Herren sind nicht nur erstklassige Ökonomen, sie sind auch keine radikalen Linksausleger. Dennoch überzeugen mich ihre Argumente nicht. Klar, es ist absurd, wenn der Staat die Steuerzahler bei lebendigem Leib häutet, während Erben die Villen nahezu steuerfrei nachgeschmissen oder von der Großmutter ein dreistelliges Millionenvermögen geschenkt bekommen. Wir sollten uns aber nicht von diesen Extrembeispielen blenden lassen. Sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. 

Die Regel ist, dass jemand schon enorm hohe Steuern abgeliefert hat, um diese Erbschaften überhaupt erst entstehen zu lassen. Nehmen wir ein simples Beispiel: Wenn heute ein Arbeitnehmer um 400.000 Euro eine Wohnung kauft und einen dafür aufgenommenen Kredit in der Höhe von 300.000 Euro über 30 Jahre abstottert, kostet das neue Heim inklusive Zinsen, Immobilien- und Umsatzsteuer knapp 726.000 Euro. Um diese Summe netto bezahlen zu können, muss ein Durchschnittsverdiener eine Arbeitsleistung von über 1.422.000 Euro brutto inklusive Arbeitgeberzuschläge erwirtschaften. Der Staat kassiert also 808.000 Euro an Steuern und Sozialabgaben, damit sich jemand eine Wohnung um 400.000 Euro leisten kann. 

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber meinem Gerechtigkeitsempfinden zufolge sind die Steuern für diese Immobilie zumindest für drei Generationen im Voraus bezahlt. Auch wenn die Inflation den Wert dieser Immobilie auf über eine Million Euro treiben sollte. 

Wer tatsächlich glaubt, dass die Besteuerung des Faktors Arbeit in Österreich niedriger wäre, wenn wir doch nur endlich wieder eine Erbschaftssteuer hätten, der glaubt auch an den eisern sparenden Politiker. Würden österreichische Durchschnittsverdiener so besteuert wie ihre schwedischen Kollegen, blieben ihnen 228 Euro netto mehr von ihrer Arbeitsleistung übrig – pro Monat. Schweden kriegt das interessanterweise ganz ohne Erbschaftssteuer hin. 

Nun wird niemand Schweden als tragisches Opfer einer eiskalten neoliberalen Spardoktrin betrauern wollen. Der fundamentale Unterschied ist, dass das Land eine Ausgabenbremse eingebaut hat, die das Volk vor allzu spendablen Politikern schützt. 

Der nordische Wohlfahrtsstaat gibt nämlich viel weniger Geld aus als die Republik Österreich. Würde sich Österreich mit der schwedischen Staatsausgabenquote von 48,1 Prozent der Wirtschaftsleistung begnügen, wären die österreichischen Staatsausgaben um rund 20 Milliarden Euro pro Jahr niedriger. Um diese Summe könnte der Faktor Arbeit jährlich entlastet werden, wenn unser Staat ähnlich genügsam wäre wie der schwedische. Zum Vergleich: Die Erbschaftssteuer hat 2007 (dem Jahr vor ihrer Abschaffung) 155 Millionen Euro eingespielt. 

Nun wird niemand Schweden als tragisches Opfer einer eiskalten neoliberalen Spardoktrin betrauern wollen. Der fundamentale Unterschied ist, dass das Land eine Ausgabenbremse eingebaut hat, die das Volk vor allzu spendablen Politikern schützt. 

Solang diese Bremse in Österreich fehlt, sollte jede Debatte über höhere Steuern auf der Stelle unterbunden werden. Sie dient nämlich nur dazu, die Regierung von ihrer zentralen Aufgabe zu entbinden: die staatlichen Strukturen zu modernisieren und zukunftsfit zu machen. Weshalb jede neue Steuer in den unzähligen schwarzen Löchern des österreichischen Staatshaushalts verschwinden würde, ohne nennenswerten Nutzen zu stiften. Sie hilft nur der Politik dabei, die vielen Baustellen in ihrem Bereich mit neuem Geld zuzudecken. 

Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (08.07.2023).

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