Während in Deutschland die Arbeitslosenrate seit 2004 fortwährend zurückgeht, zeigt sich in Österreich ein gegenläufiger Trend: Hierzulande ist sie seit 2011 deutlich gestiegen.
Interessanterweise hat sich nämlich die Zahl der Arbeitsmarktteilnehmer – zumindest seit 2010 – in beiden Ländern relativ ähnlich entwickelt (siehe Abbildung 11). Der negative Trend am österreichischen Arbeitsmarkt spiegelt sich auch im IMD-Vergleich wider. Im Bereich Arbeitsmarkt (Employment – Economic Performance) fällt Österreich ab 2011 hinter Deutschland zurück. Während Deutschland derzeit auf Rang 14 liegt, findet sich Österreich hier nur auf Rang 30 von 63 untersuchten Ländern wieder.
Warum hat sich die Arbeitslosenrate in Deutschland besser entwickelt als die österreichische? Betrachtet man die Zahl der Beschäftigten, so sieht man, dass sich diese in Deutschland bis 2010 schwächer entwickelte als in Österreich, vor allem in den ersten Jahren der Krise (2008, 2009). Das wirkte sich allerdings nicht negativ auf die Arbeitslosenrate aus, weil sich auch die Zahl der Arbeitsmarktteilnehmer – also jener Personen, die einen Job haben oder bereit sind, einen Job anzunehmen – insgesamt ähnlich entwickelte. Es zeigt sich jedoch auch, dass sich die Zahl der Beschäftigten in Deutschland im Vergleich zu Österreich seit 2010 deutlich besser entwickelt.
Während in Österreich das Arbeitsvolumen – also die gesamten geleisteten Arbeitsstunden – seit 2010 stagniert, nimmt die Zahl in Deutschland wieder zu. Deutschlands Arbeitsvolumen hat sich zwar seit 1995 schwächer entwickelt als jenes in Österreich und 2004 den absolut niedrigsten Wert erreicht, aber seitdem holt Deutschland kontinuierlich auf.
Strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt sind in Deutschland gegenwärtig geringer als in Österreich. Das ist nicht zuletzt durch die umfangreichen Reformen Anfang der 2000er-Jahre erklärbar. Damals wurden in Deutschland die Weichen hin zu einem gut funktionierenden, flexiblen Arbeitsmarkt gestellt – und Österreich kann sich davon durchaus einiges abschauen. So wurden zum Beispiel im Zuge der Hartz-Reformen die Kollektivvertragsverhandlungen dezentralisiert, außerdem wurde auf ein Konzept des Förderns und Forderns gesetzt – Arbeitssuchende sollten möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Der Anstieg der Arbeitslosenquote in Österreich geht außerdem – und das ist besonders alarmierend – mit einem Zuwachs der Offene-Stellen- Quote einher[1]. Dies ist einer der gängigsten Indikatoren für grundlegende strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt. Historisch betrachtet ist das für Österreich außerdem ein neues Phänomen: Üblicherweise werden im Falle einer schwachen Konjunktur (und höherer Arbeitslosigkeit) die wenigen offenen Stellen relativ rasch besetzt. Zurzeit ist dies allerdings nicht der Fall.
Die Ursache hierfür dürfte ein sogenannter Mismatch am Arbeitsmarkt sein, bei dem das vorhandene Arbeitskräfteangebot nicht den von den Unternehmen nachgefragten Jobs entspricht. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von einer fehlenden Qualifikation der vorhandenen Arbeitskräfte bis zu regionalen Besonderheiten oder auch fehlenden Arbeitsanreizen.
Strukturelle Probleme spiegeln sich in der Verschiebung der sogenannten Beveridge-Kurve nach rechts außen wider. Abbildung 13 zeigt die Entwicklung der Beveridge-Kurve in Deutschland und Österreich. Im Zuge der Hartz-Reformen hat sie sich in Deutschland deutlich nach links verschoben, während man in Österreich seit 2013 eine Verschiebung nach rechts beobachten kann. Das bedeutet, dass Firmen in Österreich oft keine Arbeiter für offene Stellen finden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens passen vorhandenen offene Stellen und Arbeitssuchende oft nicht zusammen (Qualifikations-Mismatch). Zweitens sind offene Stellen und Arbeitssuchende oft regional voneinander getrennt (regionaler Mismatch). Im Westen werden Arbeitskräfte nachgefragt, die im Osten des Landes verfügbar wären, aber nicht bereit sind, Jobs am anderen Ende des Landes anzunehmen. Drittens sind in manchen Fällen die Anreize für Arbeitssuchende gering, schlechter bezahlte Jobs anzutreten.
Seit 2013 stieg die Anzahl der Langzeitarbeitslosen (über ein Jahr arbeitslos) von knapp 57.000 auf 87.000 (siehe Abbildung 14). Im Ver- gleich dazu hat sich die Anzahl der Kurzzeitarbeitslosen (unter drei Monaten) seit 2013 kaum geändert und bleibt konstant bei etwa 80.000.
Einen weiteren Hinweis auf grundlegende strukturelle Probleme liefert der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Dieser wird ebenfalls oft in Zusammenhang mit einem Mismatch-Problem gebracht, weil Personen, die nicht die geforderten Qualifikationen für den Arbeitsmarkt bringen, nur schwer vermittelt werden können und in der Folge oft in die Langzeitarbeitslosigkeit geraten. In Österreich ist ein deutlicher Zuwachs bei Langzeitarbeitslosen beobachtbar:
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Entwicklung der Langzeitarbeitslosenrate – also die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Relation zu den Erwerbspersonen – wider, die 2016 zum ersten Mal seit Langem in Deutschland unter jener in Österreich liegt.
Die Gründe für die hohe Zahl an Arbeitslosen sind vielfältig: Vor allem seit 2009 wird die Rationalisierung in vielen Unternehmen stärker vorange-trieben, und aufgrund der Globalisierung wandern außerdem Arbeitsplätze in andere Länder ab. Diese Phänomene sind zwar nicht neu, wurden aber durch die Krise verstärkt und beschleunigt. Zusätzlich gibt es angebotsseitige Aspekte des österreichischen Arbeitsmarkts, die in diesem Zusammenhang relevant sind: Dazu zählen u. a. hohe Kollektivlöhne (relativ zur Produktivität), hohe Arbeitskosten und fehlende Anreize zur (Wieder-)Aufnahme einer Beschäftigung. Diese Faktoren führen zu einer zusätzlichen Verschärfung struktureller Probleme.
In Österreich sind vor allem niedrig qualifizierte Arbeitskräfte von Arbeitslosigkeit betroffen: Seit 2013 ist die Anzahl an Arbeitslosen dieser Kategorie von 190.000 auf über 250.000 gestiegen. Die Zahl der Arbeitslosen mit mittlerer und höherer Ausbildung blieb im gleichen Zeitraum praktisch konstant.
Ein schwaches Wirtschaftswachstum, ein sich immer weiter verschlechternder Arbeitsmarkt, offensichtlich nicht nachhaltige Sozialsysteme und der Unwille, umfangreiche Reformen durchzuführen – diese Analyse der deutschen Wirtschaft aus den 1990er-Jahren ließe sich nun ohne Weiteres auf das Österreich von heute umlegen.
Eine wichtige Ursache für die positive Entwicklung in Deutschland sind die Hartz-Reformen (I-IV). Diese wurden von einer rot-grünen Regierung unter Führung von Bundeskanzler Schröder zu Beginn der 2000er-Jahre umgesetzt und hatten primär das Ziel, Arbeitsanreize für Arbeitslose zu erhöhen und die Vermittlungseffizienz der damaligen Bundesanstalt für Arbeit (heu- te Bundesagentur für Arbeit) zu verbessern. Generell wurde die möglichst rasche Reintegration von Arbeitslosen als oberste Priorität gesehen.
Wird eine Person hingegen in Österreich arbeitslos, so hat sie zunächst zwanzig Wochen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dieser Anspruch erweitert sich je nach Alter und Dauer der Beschäftigung auf bis zu ein Jahr. Wird an einer Schulung teilgenommen, kann sich die Bezugsdauer um bis zu vier Jahre verlängern. Die Höhe des Arbeitslosengeldes entspricht 55 Prozent des zuletzt bezogenen Nettoeinkommens. Zusätzlich besteht Anspruch auf Familienzuschläge für Kinder, zu deren Unterhalt eine (arbeitslose) Person wesentlich beiträgt (sofern ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht).
Wird der Anspruch auf das Arbeitslosengeld (aufgrund zu langer Arbeitslosigkeit) verloren, so wird die Notstandshilfe schlagend. Hier wird allerdings sowohl das eigene als auch das Vermögen des Partners geprüft. Im Normalfall beträgt die Notstandshilfe 92 bis 95 Prozent des Arbeitslosengeldes. Die Notstandshilfe kann unbegrenzt lange bezogen werden, allerdings muss nach 52 Wochen ein neuer Antrag gestellt werden. Liegt die Notstandshilfe unterhalb der Mindestsicherung, so kann auf die Mindestsicherung aufgestockt werden. Die Mindestsicherung fällt in den Bundesländern unterschiedlich hoch aus, in Wien liegt sie zum Beispiel für Alleinstehende bei rund 838 Euro. Eine Familie mit drei Kindern kommt in Wien auf etwas mehr als 1.900 Euro Mindestsicherung (zwölfmal im Jahr). Mit der Familienbeihilfe und dem Kinderabsetzbetrag, die aber auch Arbeitende beziehen können, liegt man bereits bei knapp 2.500 Euro. Hinzu kommen diverse Begünstigungen wie beispielsweise die vergünstigte Nutzung des öffentlichen Verkehrs.
In Deutschland kann das Arbeitslosengeld I (ALG I) mit maximal 60 Prozent des Nettolohns für die Dauer von zwölf Monaten bezogen werden. Nach einem Jahr ALG I erfolgt der Rückfall auf das Arbeitslosengeld II (ALG II), das die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenführt. Das ALG II ist ein bedarfsorientierter Transfer in Höhe der vorhergegangenen Sozialhilfe. Im Jahr 2016 betrug das ALG II für eine alleinstehende Person 409 Euro. Zusätzlich erhält diese Person die tatsächlich anfallenden Wohn- und Heizkosten für eine angemessene Wohnung.
Um Arbeitsanreize im Sozialsystem offenzulegen, misst die OECD die Netto-Ersatzraten während der ersten fünf Jahre der Arbeitslosigkeit. Also jenen Anteil des zuvor erhaltenen Nettolohns, den man in Form von staatlichen Leistungen (gesamte Sozialleistungen) bekommt.
In Österreich sind die finanziellen Anreize zur Aufnahme von Arbeit vor allem für eine Person in einem Haushalt mit Kindern im Vergleich zu Deutschland nur schwach (siehe Abbildung 18 und 19). Diese gilt es zu ändern. Auch in anderen Ländern sinkt nach längerer Zeit in Arbeitslosigkeit der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. auf andere Sozialleistungen. Selbst im Sozialstaat Schweden liegt die Netto-Ersatzrate, also die Sozialleistungen in Prozent des letzten Nettoeinkommens, deutlich niedriger als in Österreich. Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich aber nicht nur deshalb positiv entwickelt, weil das System der sozialen Absicherung von Arbeitslosen reformiert wurde.
Viele Ökonomen argumentieren, dass ein ganz wesentlicher Grund für die positiven Effekte der Hartz-Reformen in der zeitgleichen Flexibilisierung der Kollektivverträge liegt. Die Verhandlungen zu den Kollektivverträgen wurden dezentralisiert und auf die Ebene der Betriebsräte und der Unternehmensführung gebracht. Auf diese Weise können Probleme adäquat und individuell im Kleinen gelöst werden.
Die Staffelung des Arbeitslosengeldes wäre auch für Österreich sinnvoll. Das impliziert zum einen eine höhere Ersatzrate zu Beginn der Arbeitslosigkeit und andererseits aber auch ein graduelles Absinken über die Zeit. Jeder Arbeitslose sollte eine angemessene Zeit für die Jobsuche zur Verfügung haben. Durch das allmähliche Absinken der Ersatzrate würde jedoch auch signalisiert werden, dass man nicht zu lange vom Arbeitsmarkt fernbleiben
sollte.
Darüber hinaus könnte die Zusammenlegung von bedarfsorientierter Mindestsicherung, Notstandshilfe und Arbeitslosengeld bei einer zentralen Stelle nach deutschem Vorbild für eine klare Kompetenzstruktur und eindeutige Zuständigkeit sorgen. Neben einer vereinfachten Bürokratie wäre so auch die Überwachung des Anspruches auf Sozialleistungen und der verpflichtenden Bereitschaft zur Teilnahme am Arbeitsmarkt leichter durchführbar. Die unterschiedlichen Mindestsicherungssysteme auf Länderebene führen derzeit nicht nur zu einem uneinheitlichen System der sozialen Sicherung, sondern auch zu entsprechender Intransparenz und unnötigem Verwaltungsaufwand.
Zuletzt entsteht in Österreich schneller eine Inaktivitätsfalle, weil in Österreich die Mindestsicherung (inklusive Kinderbeihilfe) von Familien mit Kindern oft deutlich über dem üblichen Lohneinkommen eines Elternteils liegt. Um dies zu ändern, könnte man Leistungen entweder deckeln oder verstärkt Sachleistungen ausbezahlen. Beides würde dazu führen, dass die Arbeitsanreize erhöht werden. Ziel muss sein, dass Bezieher von Sozialleistungen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Die österreichische Wirtschaft leidet unter Personalmangel. Zugleich nimmt die Arbeitslosigkeit wieder zu und die Teilzeitjobs werden immer mehr. Die nächste Regierung hat es in der Hand, den toxischen Cocktail, der sich auf dem Arbeitsmarkt zusammen
Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck und kein Fetisch neoliberaler Ökonomen oder raffgieriger Unternehmer. Ein höherer Lebensstandard ist ohne Wachstum nicht erreichbar. Auch sozial- und klimapolitische Errungenschaften rücken ohne Wirtschaftswachstum in weite Ferne. Wir präsentieren die Hebel, an denen die künftige Regierung ansetzen muss
Kurz war der Traum vom geeinten Europa; der Glaube an ein regelbasiertes Miteinander im europäischen Haus, das mehr Wohlstand für alle produzieren würde, scheint passé. Die Visionen großer Europäer wie Jean Monnet oder Robert Schuman sind den Minderwertigkeitskomplexen kleiner Provinzpolitiker gewichen. Diese finden nicht mehr Freihandel und
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennen