Ergebnisse
- 26.09.2013
- Lesezeit ca. 2 min
Dieses Kapitel legt die Ergebnisse der empirischen Studie dar. Zuerst wird auf Österreich eingegangen, dann wird Österreich mit Schweden und Deutschland im Detail verglichen. Zuletzt wird die bereinigte Arbeitslosenrate berechnet, die dann einen europäischen Vergleich ermöglicht. Die detaillierten Ergebnisse der Regressionen sind im Appendix zu finden.
Prinzipiell sind die Ergebnisse des Modells für Österreich mit den Ergebnissen, die Eurostat jährlich veröffentlicht, im Einklang[1]. Auch europaweit zeigen die Ergebnisse zum Großteil nicht nur eine relative, sondern auch eine absolute Übereinstimmung. Gewisse Schwankungen können aber aufgrund der unterschiedlichen Methodik nicht ausgeschlossen werden. In diesem Paper werden empirische Daten hochgerechnet, während Eurostat Stichproben aus telefonischen Befragungen hochrechnet. Außerdem bestimmt Eurostat die Stille Reserve, während hier die versteckte Arbeitslosigkeit berechnet wird. Diese zwei unterschiedlichen Definitionen decken sich nur zum Teil.
Österreich
Die Modellberechnung liefert uns Werte für die versteckte Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Altersgruppen und nach Geschlecht.
Versteckte Arbeitslose in Österreich
Abbildung 5 zeigt, dass die Gesamtzahl der versteckten Arbeitslosen zu Beginn dieses Jahrtausends ca. 100.000 betrug, aktuell (erstes Quartal 2013) sind es bereits rund 250.000. Wenig überraschend sind die mit Abstand meisten versteckten Arbeitslosen in der Gruppe der 25- bis 54-Jährigen zu finden, da diese auch anteilsmäßig die größte Gruppe stellen. Relativ zur Gruppengröße gesehen zeigt sich natürlich ein anderes Bild. Prinzipiell kann seit 1999 ein Anstieg bei den versteckten Arbeitslosen in allen Altersgruppen festgestellt werden. Ausnahme ist hierbei lediglich die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen, deren Entwicklung über den gesamten Zeitraum relativ konstant verlief.
Geschlechtsspezifische versteckte Arbeitslosenrate
In Abbildung 6 sieht man, dass die versteckte Arbeitslosigkeit der Frauen tendenziell höher als die der Männer ist. Dies ist allerdings kein rein österreichisches Phänomen. Besonders interessant ist die Entwicklung der versteckten Arbeitslosigkeit bei Frauen zwischen Ende 2003 und Anfang 2004 in der älteren Generation. Die Pensionsreformen von 2003 und 2004, die die Aufhebung der gesetzlich verankerten Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts zur Folge haben können, motivierten offenbar viele Frauen, dieses Angebot noch schnell in Anspruch zu nehmen. Dieses Phänomen ist bei Männern zwar auch festzustellen, jedoch in weit geringerem Ausmaß. Die Pensionsreformen von 2003 und 2004 führten jedenfalls dazu, dass sich die versteckte Arbeitslosigkeit in den Folgejahren verringerte und die Erwerbsquote der Älteren anstieg.
Bei Frauen ist die versteckte Arbeitslosigkeit seit 2007 relativ konstant auf einem hohen Niveau.
Versteckte Arbeitslosenrate der 15- bis 64-Jährigen in Österreich
Die versteckte Arbeitslosenquote ist vor allem in Österreich seit 1999 ins- gesamt stark angestiegen. Eine Entwicklung, die zum Großteil auf die Generation der 55- bis 64-Jährigen zurückzuführen ist. Auch wenn sich die Situation seit 2004 nicht merklich verschlechtert hat, kann dies nicht als Entspannung gewertet werden, weil die bisherigen Pensionsreformen die versteckte Arbeitslosigkeit eigentlich zurückdrängen sollten. Mit einer versteckten Arbeitslosenrate von aktuell 5,51% der Erwerbspersonen[2] ist sie aber nicht weit vom Höchstwert im zweiten Quartal 2005 entfernt.
Stellt man die offiziellen Arbeitslosen (LFK) den versteckten Arbeitslosen gegenüber (Abbildung 8), so sieht man, dass die versteckte Arbeitslosenzahl klarerweise unter anderem konjunkturbedingt stärkere Schwankungen aufweist. So waren zum Beispiel bis 2004 weit weniger Menschen versteckt arbeitslos als offiziell, zwischen 2004 und 2008 war es genau umgekehrt. Nach 2008 zeigen beide Zahlen einen relativ ähnlichen Verlauf, wieder schwankt jedoch die Zahl der versteckten Arbeitslosen stärker. Aktuell liegt Österreich bei rund 220.000 offiziellen Arbeitslosen und rund 250.000 versteckten Arbeitslosen – gesamt also bei rund 470.000.
Versteckte und LFK-Arbeitslose in Österreich
Internationaler Vergleich
Wie bereits gezeigt, liegt die Zahl der versteckten Arbeitslosen in Österreich bei rund 250.000. Aber was bedeutet diese Zahl im Vergleich zu anderen Ländern? Schließlich ist Österreich nicht das einzige Land, das die tatsächliche Arbeitslosigkeit verdeckt. Um zu sehen, wie diese Zahl zu interpretieren ist, werden die Arbeitslosenquoten von zehn anderen Ländern bereinigt und miteinander verglichen.
Deutschland ist schon wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Österreich interessant. Und auch deshalb, weil es derzeit wie Österreich als eines der Vorzeigeländer der Europäischen Union im Sinne von niedriger Arbeitslosigkeit[3] gilt. Im Unterschied zu Österreich hat Deutschland aber in den letzten Jahren wichtige Reformen (Hartz-Reformen, die Anhebung des gesetzlichen Rentenantrittsalters auf 67 etc.) umgesetzt. Schweden wiederum war Österreich lange Zeit leuchtendes Vorbild in Sachen Ausbau des Wohlfahrtsstaates, zählt mittlerweile aber zu den entschlossensten Reformländern. Bemerkenswert ist im Falle Schwedens nicht nur die generell hohe Arbeitslosigkeit[4], sondern auch die hohe Beschäftigungsquote der über 60-Jährigen.
Auffallend ist, dass Österreich von diesen drei Staaten aktuell das Land mit der höchsten versteckten Arbeitslosenrate ist. Mit fast 5,51% ist der Wert um fast zwei Prozentpunkte höher als in Schweden und um mehr als vier Prozentpunkte höher als in Deutschland. In Österreich kommen derzeit auf einen offiziellen Arbeitslosen 1,15 versteckte Arbeitslose, während es in Schweden 0,43 sind und in Deutschland 0,26.
Versteckte Arbeitslosenrate der 15- bis 64-Jährigen im Ländervergleich
Hinzu kommt, dass Österreich eine steigende versteckte Arbeitslosenrate aufweist, während Deutschland Fortschritte macht, vor allem durch die Hartz-Reformen (Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, Schaffung eines Arbeitsmarktes für Ältere usw.). Österreich konnte den Abstand zu Schweden durch die Pensionsreformen 2003 und 2004 etwas verringern.
Nun lässt sich noch nicht die Frage beantworten, ob in einzelnen Altersgruppen auffallend viele arbeitslose Menschen aus der Statistik fallen, oder ob es sich um ein weitgehend gleichverteiltes Phänomen handelt. So verzeichnet Österreich in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen zwar einen leicht ansteigenden Trend (Abbildung 10), dennoch liegt das Land hier vergleichsweise gut. Nur Deutschland steht in dieser Altersgruppe noch besser da, im krassen Gegensatz zu Schweden. Dort bekommen junge Menschen deutlich stärkere finanzielle Anreize vonseiten des Staates geboten, höhere Schulen zu besuchen und zu studieren. Sie finden also weniger Anreize vor, in jungen Jahren auf den Arbeitsmarkt zu drängen.
Versteckte Arbeitslosenrate der 15- bis 24-Jährigen
Ganz anders sieht es bei den Älteren aus. In der Altersklasse zwischen 55 und 64 Jahren liegt die versteckte Arbeitslosenrate in Österreich bei über 15% (Abbildung 11). In Deutschland konnte man diese durch langfristig orientierte Reformpolitik kontinuierlich reduzieren, während in Österreich die „Abschaffung“ der Frühpensionen 2003 nur zu einer vorübergehenden Reduktion führte. Schweden und Deutschland wurden aus der Grafik genommen, weil die Ergebnisse der Regression (siehe Appendix) statistisch nicht signifikant sind. Auch Großbritannien und Finnland liegen deutlich besser als Österreich.
Versteckte Arbeitslosenrate der 55- bis 64-Jährigen
Das generell hohe Niveau der versteckten Arbeitslosenrate in der älteren Generation Österreichs ist zweifellos durch die gängige Praxis des vorzeitigen Pensionsantritts zu erklären. Hinzu kommt das niedrige Pensionsantrittsalter bei Frauen, das Vergleichsländer wie Deutschland und Schweden bereits an jenes der Männer angeglichen haben[5].
Berechnung einer bereinigten Arbeitslosenrate
Wie sieht aber nun eine neue, um die versteckte Arbeitslosenrate bereinigte Reihung aus? Wenig überraschend liegt Österreich in einer derartigen Rangliste immer noch gut, verliert aber den ersten Platz (EU-weit). Das geschieht in erster Linie wegen der vergleichsweise hohen Zahl an Frühpen- sionierungen, die es in anderen europäischen Ländern in dieser Art nicht gibt. Keines der Vergleichsländer weist in dieser Altersgruppe eine derart starke Reaktion auf die Arbeitsmarktkonjunktur auf wie Österreich[6].
Die bereinigte Arbeitslosenrate im Ländervergleich und Zeitablauf
Besonders auffallend im Zeitverlauf ist die sukzessive Verbesserung Deutschlands, während sich Österreich und Schweden im Laufe der Jahre verschlechtert haben. Österreich weist aktuell eine bereinigte Arbeitslosenrate von 10,32% auf.
Wie sieht es nun im europäischen Vergleich aus? Zur Erinnerung noch einmal die offizielle, „alte“ Statistik nach LFK:
LFK-Arbeitslosenrate der 15- bis 64-Jährigen 2013:Q1 im Vergleich (saisonbereinigt)
In der neuen, bereinigten Berechnung zeigt sich allerdings eine Verschiebung der Positionen. Österreich wird von einigen anderen europäischen Ländern überholt und findet sich „nur“ noch auf Platz fünf der elf Vergleichsländer wieder.
Bereinigte Arbeitslosenrate der 15- bis 64-Jährigen 2013:Q1 im Vergleich
Spitzenreiter bleibt Norwegen. Deutschland, das eine sehr geringe versteckte Arbeitslosigkeit aufzuweisen hat, schafft den Sprung auf Platz zwei. Zusätzlich wird Österreich von Tschechien und Großbritannien (UK) überholt.
Die Situation auf dem heimischen Arbeitsmarkt ist auch nach Aufdeckung der versteckten Arbeitslosigkeit nicht dramatisch. Es zeigt sich nur, dass Österreich kein Vorzeigeland in puncto Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist. Vielmehr ein Land, das besonders geschickt mit der offiziellen Statistik umzugehen weiß und das sich seine gute Positionierung teuer mit Frühpensionierungen erkauft – zu Lasten der aktiven Jahrgänge und vor allem der jüngeren Generationen.
Fußnoten
- Die Erhebung der Stillen Reserve laut Eurostat (2011 und 2012) sind auf sehr ähnlichem Niveau wie die versteckte Arbeitslosenzahl in diesem Paper. ↩
- Laut Berechnung der Agenda Austria ca. 4,65 Mio. Menschen (versteckte + Erwerbspersonen (OECD)). ↩
- 5,5% im ersten Quartal 2013. ↩
- 8,4% im ersten Quartal 2013. ↩
- Siehe Abbildung 3. ↩
- Siehe Appendix: Regressionsergebnisse zeigen, dass die Altersgruppe 55 bis 64 im europäischen Vergleich den höchsten β-Koeffizienten aufweist. ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.