Wie Vollzeitarbeit attraktiver werden könnte
Ein durchschnittlicher Erwerbstätiger arbeitet im Schnitt um elf Prozent weniger als im Jahr 2000. Teilzeitarbeit ist steuerlich begünstigt – um Anreiz zum längeren Arbeiten zu schaffen, sollten die Sozialbeiträge sinken. Damit der Sozialstaat eine breite Basis hat.
Die Arbeitslosenrate ist, so berichtet das Sozialministerium heute, im Vergleich zum Oktober des Vorjahres erfreulicherweise gesunken. Und noch eine gute Nachricht: Auch die Beschäftigung ist höher als vor einem Jahr, mehr als 3,67 Millionen Menschen stehen als Unselbständige in einem Arbeitsverhältnis.
Diese Tatsachen zeigen aber nicht die ganze Wahrheit. Denn dass so viele Menschen wie noch nie in Beschäftigung stehen, bedeutet nicht, dass in Österreich auch mehr gearbeitet wird. Die Zahl der insgesamt gearbeiteten Stunden ist seit 2000 nämlich praktisch nicht gestiegen. Dies deshalb, weil jeder Erwerbstätige im Durchschnitt um gut elf Prozent weniger lang arbeitet als noch im Jahr 2000:
Denn immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit. Die Gründe dafür sind vielfältig; bei Frauen kann es etwa das fehlende Angebot an ganztägiger Kinderbetreuung sein. Alle Befragungen zeigen jedoch, dass die Mehrheit der Teilzeitarbeitenden dies freiwillig tut.
Mehr Steuerzahler für den Sozialstaat
Auch die Steuerreform 2016 befördert den Teilzeit-Boom. Damit die Steuersenkung auch Personen erfasst, die keine Lohnsteuer bezahlen, bekommen diese nun eine höhere Steuergutschrift (Negativsteuer). Das hat aber einen unerwünschten Nebeneffekt: Die höhere Negativsteuer ist eine Subvention für Teilzeitarbeit, Praktikanten und geringfügig Beschäftigte, die eben oft nicht steuerpflichtig sind. Im Interesse der Allgemeinheit wäre es aber, dass es mehr Steuerzahler gibt, u.a. um den Sozialstaat zu finanzieren. Besser wäre es, die Arbeitnehmer über niedrigere Sozialversicherungsbeiträge zu entlasten: Erwerbstätige hätten trotzdem mehr in der Kasse, und mehr Stunden zu arbeiten würde sich lohnen (siehe auch „Yes you can! Der Wirtschaftsstandort Österreich: Eine Roadmap in die Top Ten“, S. 38)
Sozialversicherungsträger zusammenlegen
Konkret plädiert die Agenda Austria dafür, die Sozialversicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt zu senken und den Wohnbauförderungsbeitrag, der ohnehin oft für anderes verwendet wird, abzuschaffen. Jemand, der 1500 Euro netto monatlich verdient, hätte so pro Jahr 300 Euro mehr auf dem Konto. Auch würde der Abstand zwischen Sozialleistungen wie der Mindestsicherung und dem Nettogehalt von Geringverdienern größer – ein weiterer Anreiz, doch einen Job anzunehmen.
Zwar würden die Sozialversicherungen weniger einnehmen. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Leistungen gekürzt werden. Eine Reform der 22 Sozialversicherungsträger ist überfällig, und eine teilweise Zusammenlegung würde mittel- bis langfristig etwa eine Milliarde Euro pro Jahr an Einsparungen bringen.
Auf diese Weise könnten Arbeitnehmer stärker entlastet werden und der Sozialstaat wäre besser abgesichert. Eigentlich eine Win-win-Situation.
- Autor: Agenda Austria
- Themen: Arbeitsmarkt, Arbeitsstunden
- Datum: 02. November 2017