Was tun gegen Rezession, Bildungsmisere und Budgetdefizite? Österreich braucht Reformen, sonst werden die Probleme immer größer.
Österreich hat kein berauschendes Jahr hinter sich und ein nicht sonderlich vielversprechendes Jahr vor sich: Die Wirtschaft ist in die Rezession abgetaucht, die Lohnstückkosten steigen durch die hohen Lohnabschlüsse schneller als in allen anderen westeuropäischen Industrieländern, und zu allem Überfluss wird auch noch gewählt, was dem ohnehin schwer angeschlagenen Staatshaushalt nicht gut tun wird. Das alles scheint aber niemanden zu beunruhigen. Alles geht seinen gewohnten Gang, dabei bräuchte das Land dringend ein paar Veränderungen:
Alle Arbeitnehmer wissen, wie viel sie netto verdienen. Aber die meisten wissen nicht, wie viel sie zum Gelingen des Staatsganzen beitragen und wie viel die staatlichen Leistungen sie tatsächlich kosten. Weil die Steuern und Abgaben der Beschäftigten von ihren Arbeitgebern an den Staat abgeführt werden. Wir sollten auch hier dem Beispiel der Schweiz folgen und die Löhne brutto auszahlen. Jeder Arbeitnehmer überweist seine Krankenversicherung, seine Pensionsversicherung und seine Lohnsteuer selbst. So wie das bei allen anderen Ausgaben des täglichen Lebens perfekt funktioniert. Alle könnten darüber befinden, ob sie die Kosten der staatlichen Leistungen für angemessen oder überzogen halten. Der Druck auf bessere staatliche Angebote würde deutlich steigen.
In Österreich wurden seit 1995 netto keine neuen Vollzeitstellen geschaffen. Und das, obwohl heute um 1,2 Millionen Menschen mehr in diesem Land leben als damals. Der gesamte Beschäftigungszuwachs findet Teilzeit statt. Das hat nicht nur mit fehlender ganztätiger Kinderbetreuung zu tun. Sondern insbesondere damit, dass es sich viele Haushalte leisten können, weniger zu arbeiten. Wir haben es hier also mit einem erfreulichen Wohlstandsphänomen zu tun. Zudem ist Mehrarbeit nur noch in Spanien und Belgien unattraktiver als in Österreich. Wer die Arbeitszeit um 50 Prozent erhöht, bekommt in Öserreich nur 32 Prozent mehr netto, in Schweden und Dänemark sind es 44 Prozent. Heimische Regierungen haben in den vergangenen Jahren immer wieder niedrige Einkommen steuerlich entlastet – weshalb der Netto-Stundenlohn in Teilzeit höher ist als in Vollzeit. Österreichs Bevölkerung überaltert, deshalb braucht der Sozialstaat dringend mehr (Voll)Zahler. Will die Politik verhindern, dass mehr Menschen immer weniger arbeiten, muss sie die Belastung der mittleren und höheren Einkommen senken.
Österreichs Schüler landen bei internationalen Bildungstests seit Jahren abgeschlagen im Mittelfeld – und das, obwohl in der EU nur Luxemburg noch mehr Geld pro Schüler ausgibt als Österreich. Das schlechte Abschneiden liegt nicht nur an den Schulen, sondern auch an der starken Migration. Respektive daran, dass die Bildungspolitik so tut, als gäbe es sie nicht.
27 Prozent der österreichischen Schulkinder kommen aus Einwandererfamilien, das sind um über zehn Prozentpunkte mehr als vor zehn Jahren. Der Staat sollte weder die Kinder noch die Lehrer mit der angespannten Situation allein lassen, sondern sich an Ländern wie Großbritannien und denNiederlanden orientieren. Sie teilen Schulen mit sozialen Brennpunkten mehr Geld zu oder bieten gezielte Fördermöglichkeiten an. Entscheidend ist aber nicht nur, dass es für Schulen mit höherem Migrationsanteil mehr Geld gibt. Sondern, dass sich die Ergebnisse der Schüler verbessern.
Österreich wird 2024 die mit Abstand höchsten Lohnkostensteigerungen der EU-15 verzeichnen. Gleichzeitig wächst die Produktivität der Erwerbstätigen pro Stunde kaum noch, ist pro Kopf betrachtet sogar schon länger rückläufig. Um nicht aus vielen Märkten zu fliegen, muss sich das ändern. Dazu braucht es Investitionen. Aber wer investiert schon gerne in einem Land, in dem Unternehmen von der Politik als „Abzocker“ vorgeführt werden? Wer steckt sein Geld in einen Standort, in dem schon bald Vermögen- und Erbschaftsteuern eingeführt werden, die fast ausschließlich Unternehmen treffen? Österreich braucht keine neuen Steuern, Österreich braucht eine grundlegende Modernisierung. Allein das Adressieren von Problemen, die für jedermann sichtbar sind, schafft Vertrauen in den Standort. Wir müssen wieder mehr über das Erwirtschaften des zu Verteilenden reden als über das Verteilen des (noch nicht) Erwirtschafteten.
Die Bundesregierung wird bis 2027 jedes einzelne Jahr mehr Geld ausgeben als in den Corona-Jahren 2020 und 2021. Obwohl die Pandemie zumindest budgettechnisch kein Thema mehr ist. Wie der Ausgabenrausch in den Griff zu kriegen ist, zeigt die Schweiz. Schon vor mehr als 20 Jahren wurde hier eine Schuldenbremse beschlossen. Gebremst werden allerdings nicht Schulden, sondern die Ausgaben: Sie dürfen die prognostizierten Einnahmen nicht überschreiten. Letztere werden um konjunkturelle Schwankungen bereinigt, in Zeiten wirtschaftlicher Hochphasen darf weniger ausgegeben werden, in Krisenzeiten ist die Politik aufgefordert, aktiv gegenzusteuern und Geld in die Hand zu nehmen. Einzige Bedingung: Die Mehrausgaben müssen innerhalb einer festgelegten Frist von sechs Jahren wieder hereingespielt werden. Das funktioniert prächtig, ohne dass die Schweizer Straßen brüchig oder die Spitäler heruntergekommen wären.
Auch wenn viele es nicht mehr hören wollen: Wir haben ein erdrückendes Pensionsproblem. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Pensionisten bis 2050 um knapp eine Million steigen. Zu diesem Zeitpunkt werden 1,3 Erwerbstätige einen Pensionisten erhalten müssen – ein ziemlich sportliches Unterfangen. Auch die Politik hat keine Antwort auf die Frage, wer dann den Sozialstaat finanzieren soll. Zumal bereits heute jeder vierte Budgeteuro dafür aufgewendet werden muss, das Finanzloch im staatlichen Pensionssystem zu stopfen. Allein in den kommenden fünf Jahren muss der Staat 168 Milliarden Euro zuschießen, um die Finanzierungslücke zu stopfen. Die Lösung: Das Pensionsantrittsalter muss an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Besser gestern als heute. So wie das viele vergleichbare Länder längst gemacht haben.
In eine lebenswerte Zukunft werden uns nicht die Apokalyptiker führen, die sich auf die Straßen kleben. Sondern Ingenieure, die innovative Lösungen finden. Es ist nicht lange her, dass die Politik die Emissionsziele festgesetzt hat, während Techniker überlegt haben, wie diese am besten zu erreichen wären. Ökonomen waren derweil damit befasst, klimaschädliches Verhalten so zu bepreisen, dass der Umstieg auf die neuen Technologien möglichst zügig erfolgt, und schmutzige Importe so zu bezollen, dass die Exporteure ebenfalls einen Anreiz für Klimapolitik haben. Zu dieser Aufgabenteilung sollten wir zurückkehren und uns nicht von Politikern vorschreiben lassen, welcher Antrieb der richtige ist und wie wir in Zukunft am besten heizen.
Gastkommentar von Franz Schellhorn in der “Kleinen Zeitung” (05.01.2024).
Die Vergangenheit wird in Zukunft sehr teuer
Österreich verwendet fast die gesamten Lohnsteuereinnahmen dazu, das Defizit im staatlichen Pensionssystem abzudecken.
Österreich steckt in der längsten konjunkturellen Flaute seit den 1950er Jahren, die wirtschaftliche Schwächephase schlägt sich nun auch mit voller Wucht auf dem heimischen Arbeitsmarkt nieder:
Die Nationalratswahlen 2024 sind geschlagen, einen Grund zur Freude haben aber weder die ÖVP noch die SPÖ. Die einstigen „Großparteien“ verloren so viele Stimmen, dass sie im Nationalrat nur noch eine hauchdünne Mehrheit hinter sich vereinen. An fehlender Unterstützung durch die Kammern lag das schlechte Abschneiden jedenfalls nicht. Arbei
Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel im Gespräch mit Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn über die Wahl, Kickls FPÖ und den Problemstau in Österreich.
Fieberhaft wird diskutiert, welche Koalitionsvariante am wahrscheinlichsten ist. Dabei geht die viel wichtigere Frage unter, was die nächste Regierung alles tun sollte.
Österreich hat gewählt, entschieden haben die Nationalratswahl vor allem die Älteren: Über die Hälfte der Wahlberechtigten war 50 Jahre oder älter. Obwohl das Wahlalter vor geraumer Zeit von 18 auf 16 Jahre gesenkt wurde, nimmt der Anteil an jungen Wählern immer weiter ab, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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