Bestandsaufnahme
- 07.12.2019
- Lesezeit ca. 3 min
Seit einigen Jahren steigen die Mieten in Österreich rasant an, insbesondere in den Städten Wien, Salzburg und Innsbruck. So liegt etwa die durchschnittliche Nettomiete pro Quadratmeter in Wien bei mittlerweile 5,90 Euro. Im Vergleich zu anderen Hauptstädten ist dies zwar noch günstig, doch sind die Nettomieten gegenüber dem Jahr 2005 um 63,9 Prozent gestiegen.
Der Zuwachs lag damit mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Teuerung. Darin nicht berücksichtigt ist der Umstand, dass die Wohnungen im Schnitt qualitativ deutlich hochwertiger und moderner ausgestattet sind. Eine diese Umstände berücksichtigende Zeitreihe der Österreichischen Nationalbank (OeNB) zeigt aber in Wien zwischen 2005 und 2017 ebenfalls einen Anstieg von etwa 50 Prozent.[1]
Um die Mieten in den Griff zu bekommen, wird vonseiten der Politik traditionell sehr stark in den Markt eingegriffen. Und obwohl der Wohnungsmarkt hierzulande bereits zu den am stärksten regulierten Märkten zählt, werden immer neue gesetzliche Mietpreisregulierungen verlangt. Hoch im Kurs steht eine verschärfte „Mietpreisbremse“ oder eine „Mietpreisobergrenze“. Die SPÖ erhofft sich davon eine Senkung der Nettomieten um bis zu ein Drittel. Die eigentlichen Ursachen für die steigenden Preise werden damit aber nicht behoben, weshalb diese Interventionen gerne als Symptombekämpfung kritisiert werden. Warum die Mieten so stark steigen und welche Möglichkeiten die Politik hat, darauf zu reagieren, beschreiben wir auf den folgenden Seiten.
Wie Abbildung 1 zeigt, steigen die Mieten flächendeckend in allen Segmenten, ob private Wohnungen, Gemeinde oder Genossenschaftswohnungen. Gründe für den Anstieg der Mieten in Österreich gibt es viele: Eine insgesamt wachsende Bevölkerung, der ungebrochen starke Zuzug in die Ballungszentren, die Knappheit an verfügbaren Flächen, höhere regulatorische Anforderungen, deutlich steigende Ansprüche an die Größe und die Qualität des Wohnraums sowie nach oben schießende Baukosten sorgen dafür, dass Wohnraum teurer wird. Die aktuelle Niedrigzinsphase treibt zudem die Preise für Wohnungen, Häuser und Baugründe zusätzlich nach oben: Wer sein Geld sicher anlegen will, setzt schon seit einiger Zeit bevorzugt auf Betongold. Das Wohnungsangebot, also die Neuerrichtung von Wohnfläche, zieht indes nicht mit der steigenden Nachfrage mit: So fehlen speziell kleine, günstige Wohnungen sowie Wohnraum für Familien.
Eine Sonderstellung nimmt Wien ein, denn kein anderer Immobilienmarkt wird so streng reguliert. Gleichzeitig steigen die Nettomietpreise nirgendwo in Österreich so stark an wie in der Hauptstadt. Alleine zwischen 2005 und 2018 waren es 63,9 Prozent. Die Preise für Eigenheime haben sogar noch deutlicher zugelegt, laut OeNB sind in Wien neue Eigentumswohnungen im angegebenen Zeitraum um 98 Prozent, „gebrauchte“ um 133 Prozent teurer geworden.[2]
Ungeachtet dessen wird Wien im internationalen Vergleich immer wieder als günstig gelobt und das „Wiener Modell“ als Vorbild genannt. Tatsächlich sind die durchschnittlichen Mieten aller bestehenden Mietverhältnisse in Wien laut Statistik Austria deutlich niedriger als in Tirol, Vorarlberg oder Salzburg (vgl. Abb. 2). Wie passt das zusammen? Das liegt vor allem am hohen Bestand „alter“ Mietverträge (vgl. Abb. 3). Hinzu kommen jene knapp 500.000 Wiener, die das Privileg haben, in günstigen Gemeindebauwohnungen zu wohnen. Und zugleich leben in Wien viele Neumieter, die deutlich mehr zu bezahlen haben als anderswo in Österreich. Wir haben es also mit einem zweigeteilten Markt zu tun. Privilegierte Langzeitmieter gegenüber benachteiligten Neumietern, die den Preisauftrieb voll zu spüren bekommen.
Altmietverträge und Altbauten
Friedenszinse sind sehr niedrige Mieten, die 1917 mit dem Ziel von leistbarem Wohnraum eingeführt wurden. Mit dem Mietengesetz 1922 wurde die Miethöhe begrenzt. 1982 wurde mit einer Mietrechtsnovelle eine Mietzinsbegrenzung für Neuvermietungen auf Grundlage eines Kategoriesystems etabliert, welches seit 1985 auch den Friedenszins ersetzt. Gemäß § 45 des Mietrechtsgesetzes darf der aktuelle Zins je nach Ausstattung zwischen 0,90 Euro (Kategorie D[3]) und 3,60 Euro (Kategorie A[4]) pro Quadratmeter liegen.[5] Die Mieten können dabei nur dann erhöht werden, wenn die Inflation seit der letzten Anpassung fünf Prozent überschritten hat.
Kategoriemieten sind allerdings nicht der einzige staatliche Eingriff in die Eigentumsrechte der Immobilienbesitzer. Das Mietrechtsgesetz in Österreich legt zusätzlich den Preis für Wohnungen in Gebäuden, die vor 1953 erbaut wurden, oder im geförderten Neubau anhand eines Richtwertzinses[6] fest. Für die Bundeshauptstadt beträgt der Richtwertzins (Stand Oktober 2019) 5,81 Euro pro Quadratmeter.[7] In Wien wohnen 38 Prozent aller Hauptmieter in Gebäuden, die vor dem Jahr 1945 errichtet wurden. Knapp 50 Prozent stammen aus der Zeit vor 1961. Um im Genuss eines Altmietvertrags mit Kategoriezins zu sein, muss man entweder alt genug sein (sodass man schon vor 1994 einen Mietvertrag unterzeichnen konnte) oder das Glück haben, mit einem Altmieter verwandt zu sein und dank großzügiger Eintrittsrechte[8] einen Altmietvertrag übernehmen zu können.
Markteingriffe und Konsequenzen
Politische Eingriffe in den Wohnungsmarkt sollen dafür sorgen, dass Wohnen für die Menschen leistbar bleibt. Diese löbliche Absicht hat aber einen hohen Preis. So führen Mietobergrenzen unterhalb des Marktpreises einerseits zu einer höheren Nachfrage – da das Mieten nun günstiger ist –, aber auf der anderen Seite zu einem geringeren Angebot – da eine Vermietung für einige Wohnungen mit einer Preisobergrenze nicht mehr profitabel ist. Der Markt sollte eigentlich dafür sorgen, dass die Ressourcen effizient eingesetzt werden. Ein Eingriff verzerrt jedoch die Preise und kann zu Immobilienblasen – wenn zu viel investiert wird – oder zu langfristig steigenden Preisen führen – wenn zu wenig investiert wird.
Fehlentwicklungen werden wiederum als Argument von der Politik aufgegriffen, um von Marktversagen zu sprechen und weitere Eingriffe zu rechtfertigen. Dabei spielen der soziale Wohnbau und regulierte Mieten hierzulande eine dominierende Rolle. Unterlag im Jahr 2005 noch fast jede dritte Wohnung freien Mieten , so hat die starke Regulierung den Anteil der freien Mieten[9] in den vergangenen Jahren deutlich sinken lassen. Lediglich jede vierte Wohnung in Österreich und jede fünfte in Wien unterliegen keiner Preisbeschränkung (vgl. Abb. 5).[10]
Das oftmals kritisierte Marktversagen am österreichischen Wohnungsmarkt ist in Wirklichkeit ein Staatsversagen.
Fußnoten
- Vgl. OeNB (2019a). ↩
- Vgl. OeNB (2019a). ↩
- Die Wohnung verfügt über keine brauchbare Wasserentnahmestelle. ↩
- Die Wohnung verfügt über mindestens 30 Quadratmeter Nutzfläche mit Zimmer, Küche oder Kochnische, Vorraum, Klosett und Dusche oder Bad, über eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage, Etagenheizung oder gleichwertige stationäre Heizung und eine Wasseraufbereitungsanlage. ↩
- Vgl. Wohnservice Wien (2018). ↩
- Der Richtwert wird für jedes Bundesland vom Bundesministerium für Justiz verkündet und legt einen maximalen Preis je Quadratmeter fest. Der Richtwertzins ergibt sich dann aus Zuschlägen, beispielsweise für Grünanlagen, oder Abschlägen, beispielsweise für schlechte Beleuchtung oder erhöhten Lärm, sowie aus der Wohnungskategorie. ↩
- Vgl. Mietervereinigung (2019). ↩
- Gemäß dem österreichischen Mietrechtsgesetz können unter bestimmten Voraussetzungen, wie beispielsweise Verwandtschaft, die bereits bestehenden günstigen Verträge übertragen werden. ↩
- Freie Mieten umfassen jene Mietverhältnisse, die keiner direkten preislichen Regulierung unterliegen. ↩
- Vgl. Schwarzbauer et al. (2019). ↩
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