Wohnen

Wien hat ein Angebotsproblem

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Ob Kfz-Stellplätze, Lärmschutz oder E-Mobilität, die behördlichen Auflagen steigen ständig.Jede Regulierung ist über kurz oder lang wirkungslos, wenn zu wenig gebaut wird, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Aufgrund steigender Zuwanderung, schrumpfender Haushaltsgrößen und zu weniger Neubauten kam es in den vergangenen Jahren zu einem Überhang an Wohnungssuchenden.[1]

Im Jahr 2016 fehlten etwa 65.000 Wohneinheiten in Österreich, um die Nachfrage zu decken. Damit überstieg der Wohnungsmangel noch den bisherigen Rekord von 1993, als der Bedarf von 41.000 Wohneinheiten nicht gedeckt werden konnte. Diese Lücke hat sich bis 2018 auf rund 31.000 Einheiten verringert und wird gemäß Prognosen bis 2021 verschwinden. Anders sieht die Lage allerdings in Wien aus. Für die Hauptstadt wird auch nach 2020 mit einer Wohnungsknappheit gerechnet. Obwohl die Wiener Bevölkerung schneller wächst als die anderer Bundesländer, ist dort die Wohnbaurate nach offiziellen Zahlen am geringsten. In den Jahren 2011 bis 2016 stieg der Bestand an Wohnungen in Wien nur um 2,6 Prozent an, während die Bevölkerung Wiens um fast zehn Prozent größer ist als noch im Jahr 2011. In den anderen Bundesländern ist die Bevölkerung im selben Zeitraum um 3,5 Prozent gewachsen, die Wohnflächen aber um 5,5 Prozent. Ein Blick in die Bewilligungen für den Wohnungsbau zeigt, dass in Wien die Aktivität seit dem Jahr 2016 deutlich zugenommen hat – allerdings nach Jahren der Stagnation. Zwischen 2012 und 2015 kamen auf jede bewilligte Wohnung in Wien drei neue Bewohner. Im österreichischen Schnitt betrug das Verhältnis 1:1.[2]

Abb 5.: Österreichweit wohnt fast jeder zweite Haushalt im Eigentum. Anders sieht es in der Bundeshauptstadt aus. In Wien leben drei von vier Haushalten zur Miete. Das liegt auch daran, dass Mietverhältnisse stark gefördert werden. Mit fast einem Viertel aller Wohnverhältnisse ist die Stadt der größte Vermieter. Die Wiener Politik will steigenden Mieten durch weitere Preiskontrollen entgegentreten. Dabei unterliegen heute bereits nur mehr 15 Prozent der Mieten keiner Preiskontrolle.

Verschärft wird die Lage für Neumieter nicht nur durch das Unterangebot an Wohnungen, sondern durch zusätzliche Auflagen. Ob Kfz-Stellplätze, Lärmschutz oder E-Mobilität, die behördlichen Auflagen steigen ständig. So lässt sich der Anstieg der Mietkosten zu 20 bis 30 Prozent auf erhöhte Auflagen zurückführen.[13] Der Zuwachs der Baukosten lag in Österreich in den vergangenen zehn Jahren mit 20 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt (vgl. Abb. 6). Mit Ausnahme von Ungarn sind die Kosten in den direkten Nachbarländern – Deutschland, Italien, Schweiz, Slowakei, Slowenien und Tschechien – weniger stark gestiegen. Laut gemeinnützigen Bauvereinigungen sind einige Bauprojekte aufgrund der zu hohen Baukosten „in der Warteschleife“.[3]

Lehren der Regulierung

Ob Kfz-Stellplätze, Lärmschutz oder E-Mobilität, die behördlichen Auflagen steigen ständig.

Um die Mieten zu dämpfen und weitere Anstiege abzubremsen, wird in Österreich, spätestens seit deren Einführung in Deutschland, gerne eine sogenannte „Mietpreisbremse“ für Neuverträge diskutiert. Sie soll die Symptome der Wohnungsknappheit, insbesondere die steigenden Preise, lindern. Dabei macht eine Preisbremse das Vermieten unattraktiver – nicht nur für Großinvestoren, sondern auch für jene, die nur eine Vorsorgewohnung besitzen. Die Folge starker Eingriffe ist, dass sie eine weitere Verknappung des ohnehin schon spärlichen Mietangebots mit sich bringen. Bereits in den vergangenen Jahren wurde zu wenig auf die gestiegene Nachfrage reagiert. In Deutschland haben unlängst erste Genossenschaften Bauprojekte aufgrund neuer Mietobergrenzen aufgegeben. Ob in San Francisco, New York, Paris oder nun in Berlin, überall haben Preisobergrenzen dafür gesorgt, dass zwar eingesessene Mieter profitieren, aber Wohnungssuchende verlieren. Hinzu kommt, dass sich für Vermieter die Sanierung von Wohnungen kaum noch rechnet. Beschränkungen von Mieten verknappen das Angebot daher weiter, womit eine wachsende Zahl von Menschen überhaupt keine Wohnung findet, geschweige denn eine leistbare.

Eine Umfrage unter Ökonomen der American Economic ergab eine Zustimmung von 93 Prozent zu der Aussage, dass eine Obergrenze für Mieten die Qualität und Quantität des Wohnraums verringert.

So beliebt die Mietpreisbremse unter Politikern ist, so kritisch wird sie von Ökonomen gesehen. Es gibt unter Volkswirten kaum eine Frage, die ungeachtet der weltanschaulichen Positionierung so einhellig mit Nein beantwortet wird wie jene, ob Mietpreisobergrenzen geeignet sind, der angespannten Situation am Wohnungsmarkt zu begegnen. In einer Befragung des IGM Economic Experts Panel, ob Mietpreisbremsen für einige Mietobjekte wie in New York und San Francisco über die vergangenen 30 Jahre einen positiven Effekt auf die Qualität und die Verfügbarkeit von angemessenem Wohnungsraum in den Städten hatten, antworteten 95 Prozent der Befragten mit „Nein“, darunter die späteren Nobelpreisträger Angus Deaton, William Nordhaus und Richard Thaler.[4]

Letzterer entgegnete gar: „Nächste Frage: Dreht sich die Sonne um die Erde?“ Laut Paul Krugman gehören Mietpreiskontrollen „zu den am besten verstandenen Fragen in allen Wirtschaftsbereichen und – zumindest unter Ökonomen – zu den am wenigsten umstrittenen“. Im Jahr 1992 ergab eine Umfrage der American Economic Association unter ihren Mitgliedern eine Zustimmung von 93 Prozent zu der Aussage, dass eine Obergrenze für Mieten die Qualität und Quantität des Wohnraums verringert. „Nahezu jedes Schulbuch für Studienanfänger enthält eine Fallstudie zur Mietkontrolle unter Verwendung seiner bekannten nachteiligen Nebenwirkungen zur Veranschaulichung der Prinzipien von Angebot und Nachfrage.“[5]

Besonders verheerend ist die Umverteilungswirkung. Mietpreisbremsen helfen nämlich vor allem den Besserverdienern.

Diamond, McQuade und Chian dokumentieren für San Francisco erhebliche Umverteilungswirkungen durch Mietpreisobergrenzen zwischen Insidern und Outsidern, also von Menschen, die von den Mietbeschränkungen profitieren, im Vergleich zu Zuzüglern.[6] Die Preiseingriffe verschieben daher Probleme nur, anstatt sie zu lösen. So wurde im regulierten Segment das Mietangebot um 15 Prozent reduziert. Auch in Deutschland reagiert die Wissenschaft zurückhaltend. So zogen die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein ernüchterndes Fazit: „Die Mietpreisbremse konnte den Anstieg der Mietpreise nicht entschleunigen. Im Gegenteil: Sie hat kurzfristig sogar zu einem stärkeren Mietpreisanstieg in regulierten Märkten geführt.“[7]

Auf Basis neuerer Daten wurde dieses Resümee etwas differenziert: „Die Mietpreisbremse ist besser als ihr Ruf, aber nicht die Lösung des Wohnungsmarktproblems.“[7] In einem aktuellen Gutachten urteilt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wesentlich schärfer über die deutsche Mietpreisbremse. Diese solle ersatzlos gestrichen werden.[8] Auch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat diesen Eingriff in einer Analyse als weitestgehend wirkungslos beschrieben. Statt die Preise zu regulieren, sollten mehr Anreize für den Bau von Wohnungen, insbesondere durch die Erschließung neuer Bauflächen, gesetzt werden, so die Meinung der Experten.[9]

Umverteilung von unten nach oben 

Besonders verheerend ist die Umverteilungswirkung. Mietpreisbremsen helfen nämlich vor allem den Besserverdienern. Vermieter lassen sich nämlich so gut wie immer die Einkommensnachweise vorlegen und wählen letztlich jene Bewerber für eine Wohnung aus, die über das höchste Einkommen verfügen. Damit sinkt das Risiko des Vermieters, einen Mieter zu bekommen, der mit den Zahlungen in Rückstand gerät. Dies ist vor allem in Österreich ein großes Problem, weil Vermieter selbst gegen Mieter mit hohen Zahlungsrückständen kaum etwas ausrichten können. Deshalb helfen Mietobergrenzen vor allem jenen Mietern, die eigentlich deutlich höhere Mieten bezahlen könnten und auch würden. Jene, in deren Sinne die Preisgrenzen eingezogen wurden, gehen leer aus, weil sie die preisgebremsten Wohnungen gar nicht erst bekommen.


Fußnoten

  1. Vgl. Schneider (2019).
  2. Vgl. Statistik Austria (2019b).
  3. Vgl. Schwarzbauer et al. (2019).
  4. Vgl. trend (2018).
  5. Vgl. IGM Forum (2012).
  6. Krugman (2000).
  7. Vgl. Diamond et al. (2019).
  8. Kholodilin & Ulbricht (2014).
  9. Kholodilin et al. (2018)
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