Was die Preise in Österreich so aufbläht

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These 2: Die Geldpolitik der EZB ist für Österreich immer noch expansiv

Es war immer klar, dass die Eurozone kein optimaler Währungsraum ist. Zwar wird unter Ökonomen trefflich darüber gestritten, wie ein solcher denn aussehen müsste und ob es in der Realität je einen Währungsraum gab, der auch nur annähernd „optimal“ war. Doch unstrittig ist wohl, dass die Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in den seltensten Fällen für Finnland genauso richtig sein können wie für Zypern. Ausschlaggebend ist nämlich nicht der nominale, sondern der reale Zinssatz. Derselbe Satz kann in Ländern mit moderater Inflation dämpfend, in solchen mit hoher Inflation aber weiterhin expansiv wirken.

Es war immer klar, dass die Eurozone kein optimaler Währungsraum ist.

Nun zählte Österreich bekanntermaßen in den letzten Monaten zu den Ländern mit den höchsten Inflationsraten im Euroraum. Um zu analysieren, ob der aktuelle EZB-Zinssatz dazu beiträgt, braucht es ein adäquates Maß dafür, was denn der theoretisch „richtige“ Zinssatz für Österreich wäre. Die EZB selbst trifft ihre Zinsentscheidungen nämlich durch Abstimmung der teilnehmenden Gouverneure; sie folgt keiner deterministischen Regel.

Eine solche könnte zum Beispiel die sogenannte Taylor-Regel sein.[1] Sie kann als eine Art Fieberthermometer einer Volkswirtschaft beschrieben werden. Ist der Taylor-Zins höher als der tatsächliche Leitzinssatz, dann zeigt er Überhitzungstendenzen an und würde eine Erhöhung der Zinsen nahelegen. Passiert das nicht, dann zeigt die Fachliteratur recht einhellig, dass sich das in höherem Inflationsdruck, höheren außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten oder Kreditblasen mit anschließenden Finanzkrisen niederschlägt.[2]

Die eine Formel für den Taylor-Zinssatz gibt es jedoch nicht. Man berechnet meist mehrere Varianten und arbeitet dann mit Bandbreiten. Der deutsche Sachverständigenrat sah den notwendigen Taylor-Zins für den Euroraum Ende 2023 zwischen vier und sagenhaften acht Prozent.[3] Es schwindelt einen, wenn man bedenkt, dass die österreichische Jahresinflation deutlich höher ist als jene im Euroraum und der Taylor-Zinssatz daher noch höher liegen müsste. Unsere Berechnungen würden ihn schon seit 2022 bei über zehn Prozent sehen (vgl. Abb. 5).

Für bare Münze nimmt diese Zahlen kein Ökonom. Auch wir nicht. Würde man Christine Lagarde sagen, der „korrekte“ Leitzins liege auch in der Eurozone nahe zehn Prozent, würde ihre Wertschätzung für unser Fach wohl noch weiter sinken. Doch in jedem Fall zeigen die Berechnungen, dass der EZB-Zinssatz für Österreich aktuell – und eigentlich schon seit vielen Jahren – in der Tat zu niedrig ist. Er wirkt hierzulande daher nicht preisdämpfend, sondern weiterhin expansiv. Die realen Kreditzinsen sind nach wie vor zu niedrig, die realen Sparzinsen auch. Es wird daher weiter zu viel investiert und zu viel konsumiert.


Fußnoten

  1. Taylor (1993) argumentierte, dass der Zinssatz vor allem von der Inflationslücke – also der Differenz zwischen aktueller Inflation und dem Inflationsziel – sowie der aktuellen konjunkturellen Situation abhängt. Die Konjunktur wird üblicherweise anhand der Output-Gap – also der Lücke zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem zu schätzenden, potenziellen BIP – gemessen. Über einen Gewichtungsparameter wird berücksichtigt, wie stark eine Zentralbank diese beiden Ziele priorisiert.
  2. Taylor (2007) machte die US-Notenbank mitverantwortlich dafür, dass sich in den USA eine massive Immobilienblase bilden konnte, die durch ihr Platzen die große Finanzkrise ab 2008 erst ausgelöst hatte. Auch andere Wirtschaftsforscher haben einen klaren Zusammenhang zwischen lockerer Geldpolitik und Vermögenspreisblasen mit anschließenden Finanzkrisen festgestellt (vgl. z. B. Brunnermeier & Schnabel, 2015).
  3. Sachverständigenrat (2023).
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