Staatsausgaben
- 20.08.2021
- Lesezeit ca. 2 min
Warum Österreich die Notbremse ziehen muss
Warum Budgetkonsolidierung, wenn Schulden nichts kosten?
Aufgrund der seit längerem rückläufigen Zinsen und der ultralockeren Geldpolitik sind die Kosten, zu denen sich Österreich verschulden kann, derzeit sehr niedrig. Der Staat bekommt im Extremfall sogar Geld, wenn er sich verschuldet. Da wir alte (hoch verzinste) Schulden durch die Aufnahme neuer (niedrig verzinster) Schulden bedienen, sinkt damit trotz steigender Staatsschulden auch die gesamte Zinsbelastung der Republik seit Jahren. Das wird auch in der nahen Zukunft so bleiben.
Die Idee, aus den Schulden herauszuwachsen, basiert auf einer einfachen Formel: Liegen Neuverschuldung und die Kosten des bestehenden Schuldendienstes unterhalb des Wirtschaftswachstums, sinkt die Schuldenquote Österreichs ganz automatisch. Dank der geringen Zinsen muss das Wirtschaftswachstum derzeit also nicht einmal besonders hoch ausfallen. Brauchen wir also überhaupt eine Konsolidierung?
Insgesamt gab es in Österreich zwischen 1996 und 2020 in Summe 15 Jahre, in denen der Staat tatsächlich aus seinen Schulden gewachsen ist. Damit liegt Österreich über dem Eurozonenschnitt von elf Jahren.[1] Allerdings wurden die Möglichkeiten des Rauswachsens nicht ausreichend genutzt. Den geringfügigen Reduktionen der Schuldenstände in diesen Jahren stehen insbesondere in Krisenjahren signifikante Erhöhungen gegenüber. Aus den Schulden zu wachsen bedeutet auch nur, dass das Wirtschaftswachstum das Schuldenwachstum übersteigt. Die Schuldenquote, die oftmals als Indikator für die Tragfähigkeit der Schulden angesehen wird, sinkt also.[2] Für eine Reduktion des absoluten Schuldenstands sind hingegen staatliche Haushaltsüberschüsse notwendig.[3] Und die sind in Österreich Mangelware.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen noch einige Jahre niedrig halten wird, solange sie ihr Inflationsziel einhalten kann. Sollten allerdings permanent höhere Inflationsraten auftreten, muss die EZB gegensteuern und die Zinsen erhöhen. Die Verschuldungsstrategie basiert daher auf einer riesigen Zinswette des Staates. Denn schon kleine Zinssteigerungen bedeuten hohe Kosten für den öffentlichen Haushalt. Eine simple Berechnung zeigt, dass sich bereits bei einem leichten Zinsanstieg ab 2025 (Basisszenario) die Zinszahlungen innerhalb von zehn Jahren auf zehn Milliarden Euro im Jahr verdoppeln werden.
Auch sind Staatsschulden und Wirtschaftswachstum nicht völlig voneinander losgelöst zu betrachten. Hohe Staatsschulden bremsen das Wirtschaftswachstum.[4] Je höher die Schulden, desto schwieriger wird es, aus ihnen herauszuwachsen. Schließlich sind hohe Schuldenstände in der Regel auch mit hohen Zinszahlungen verbunden.
Trotz bestehender Fiskalregeln hat sich Österreich bereits in der Vergangenheit immer weiter verschuldet. So hat die Republik schon bisher nicht nur in Krisenjahren oder wirtschaftlichen Schwächephasen den Schuldenturbo gezündet, auch in Boomjahren stiegen die Staatsschulden immer wieder an. Konsolidierung war und ist die absolute Ausnahme. Seit 1974 konnte der Staat[5] überhaupt erst zweimal einen Überschuss erzielen (2018 und 2019). Diese Entwicklung basiert im Grunde auf dem breiten politischen Konsens, dass viele Herausforderungen nur mit mehr Geld zu lösen seien. Aber Ineffizienzen und strukturelle Verwerfungen lassen sich so nur zeitweise verdecken. Längerfristig führen sie zu noch größeren Problemen, die dann gern mit noch mehr Geld in die Zukunft verschoben werden.
Fußnoten
- Berechnungen nach Kogan et al. (2015). ↩
- Die Schuldenquote misst den absoluten Schuldenstand in Relation zur Wirtschaftsleistung. ↩
- Durch ein Stock-flow Adjustment (zum Beispiel den Nettoerwerb von finanziellen Vermögenswerten) kann der Schuldenstand ebenfalls verändert werden. ↩
- Vgl. Reinhart & Rogoff (2010), Köppl-Turyna & Lorenz (2016), Reis (2020). ↩
- Der Staatssektor besteht aus dem Bund, den Ländern, den Gemeinden und den Sozialversicherungen. ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.