Staatsausgaben

Warum Österreich die Notbremse ziehen muss

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Fiskalpolitik als Versicherung

Das Jahr 2020 hat gezeigt, wie schnell uns eine Wirtschaftskrise treffen kann. Umso wichtiger ist es, finanzielle Spielräume zu haben, um Wirtschaft, Arbeitnehmer, Arbeitslose und Familien stützen zu können.

Weil Politiker zwar viel über Reformen und Erneuerungen reden, sie aber selten tatsächlich umsetzen und stattdessen mittels steigender Ausgaben aufschieben, sollen Fiskalregeln den öffentlichen Haushalt und damit auch die Bürger schützen. Das Jahr 2020 hat gezeigt, wie schnell uns eine Wirtschaftskrise treffen kann. Umso wichtiger ist es, finanzielle Spielräume zu haben, um Wirtschaft, Arbeitnehmer, Arbeitslose und Familien stützen zu können. Deshalb wirkt eine mit Regeln abgesicherte Fiskalpolitik wie eine Art Versicherung gegen schlampige staatliche Haushaltsführung. In Dänemark und Schweden hat das sehr gut funktioniert. In diesen Ländern war 2020 die Staatsverschuldung pro Kopf in etwa nur halb so hoch wie in Österreich.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt in einer Studie, dass Staaten mit Fiskalregeln in Krisen größeren Spielraum haben. Im Gegensatz zu Ländern ohne Fiskalregeln werden in solchen Staaten nach Naturkatastrophen das Bruttoinlandsprodukt (BIP), der private Konsum, die privaten Investitionen und die Importe stärker angekurbelt. Das liegt einerseits am vorher geschaffenen Spielraum. Und andererseits daran, dass die Regeln in einer Krise durch sogenannte Escape-Klauseln ausgesetzt werden können. Diese Escape-Klauseln erlauben im Notfall ein Abweichen von den Regeln.[1]

Staaten mit Fiskalregeln haben in Krisen größeren Spielraum.

Um als Wirtschaftsraum langfristig stabil agieren zu können, haben sich die EU-Mitglieder selbsternannte Haushaltsziele auferlegt. Im Wesentlichen besagen diese Fiskalregeln, dass die Schuldenquote (Schuldenstand gemessen am BIP) 60 Prozent nicht übersteigen darf. Zudem darf das gesamtstaatliche Defizit nicht mehr als drei Prozent in Relation zum BIP betragen und über den Konjunkturzyklus[2] selbst bei einer niedrigen Schuldenquote nicht ein Prozent in Relation zum BIP übersteigen. Die EU-Regeln zeigen aber auch, dass solche Maßnahmen nur sinnvoll sind, wenn sie auch glaubhaft umgesetzt werden. Am effektivsten erweisen sich hier automatische Anpassungen und Sanktionsmechanismen, um Verstößen entgegenzuwirken. Das bedeutet, dass bei einer Ausgabenüberschreitung das Budget für die kommenden Jahre entsprechend gekürzt werden muss. Bei wiederholten Verletzungen könnte auf EU-Ebene beispielsweise die Auszahlung von Fördergeldern eingestellt werden.

Neben den auf der EU-Ebene geltenden Fiskalregeln besitzt Österreich erst seit 2017 eine Regel für den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo.[3] Um allerdings rasch weiteren Spielraum für mögliche Krisen zu schaffen und die Schulden zu senken, bräuchte es für die Zukunft auch eine nationale  Ausgabenbeschränkung.[4] Eine solche ist in der aktuellen Regel nicht enthalten.

Abbildung 2: Von wem Österreich lernen kann

Die Länder mit einer Ausgabenbremse haben es in der Vergangenheit deutlich besser geschafft, ihre Schulden im Anschluss an Notsituationen wieder abzubauen.

Als Vorbild kann Schweden dienen: Mit einer Schuldenquote von nur rund 35 Prozent im Jahr 2019 konnte das Land ohne Probleme die notwendigen Krisenausgaben tätigen.[5] Geschafft wurde das unter anderem mit einer Ausgabenbeschränkung und einem Überschussziel. Vor 26 Jahren lag Schwedens Schuldenquote gleichauf mit der Österreichs bei 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Seit Einführung dieser Regelung hat sie sich halbiert.

Auch andere Länder mit einer Ausgabenbremse haben es in der Vergangenheit deutlich besser geschafft, ihre Schulden im Anschluss an Notsituationen wieder abzubauen. In Deutschland dürfen die Ausgaben durchschnittlich nicht stärker wachsen als die Einnahmen. Dies gilt sowohl für den Bund als auch für die Länder. In der Schweiz existiert eine ähnliche Fiskalregel. Hier dürfen die Ausgaben des Bundes im Durchschnitt nicht über seinen Einnahmen liegen.

Strukturelle Haushaltssalden

Die 1992 vereinbarten Maastricht-Kriterien geben ein maximales Defizit von drei Prozent in Relation zum BIP vor. Diese Grenze gilt sowohl in einem Boom als auch in einer Rezession. Die Grundidee dieser Kriterien war es allerdings, dass der Staat in der Krise mehr Geld ausgeben und danach im Aufschwung wieder Überschüsse erwirtschaften sollte. In der Realität haben das die Staaten allerdings nie gemacht, d. h., sie haben im Aufschwung keineswegs gespart. Deshalb wurden die EU-Fiskalregeln um „strukturelle Haushaltsregeln“ ergänzt. Für die Berechnung des strukturellen Haushaltssaldos wird die sogenannte konjunkturelle Komponente (das sind alle Ausgaben, die je nach konjunktureller Situation anfallen, etwa erhöhte Arbeitslosengelder infolge einer Krise) aus dem tatsächlichen Haushaltssaldo herausgerechnet.[6] Auf Basis dieses Indikators kann dann beurteilt werden, wie gut und nachhaltig ein Staat wirtschaftet.[7]


Fußnoten

  1. Vgl. Kriwoluzky et al. (2020).
  2. Die Phase zwischen zwei Spitzen in der Wirtschaft wird als Konjunkturzyklus bezeichnet. Typischerweise verläuft die wirtschaftliche Entwicklung in Zyklen. Mal wächst die Wirtschaft schneller, mal langsamer – in Krisen kann sie sogar schrumpfen.
  3. Der Haushaltssaldo entspricht den Einnahmen abzüglich der Ausgaben.
  4. Vgl. Cordes et al. (2015).
  5. Vgl. Andersson & Jonung (2019).
  6. Neben der Bereinigung um die konjunkturelle Situation werden auch Einmaleffekte berücksichtigt, wie sie beispielsweise in der Vergangenheit aus der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen entstanden sind.
  7. Nähere Informationen zur Berechnung struktureller Haushaltssalden finden sich in Wollmershäuser et al. (2016, 64) und Mourre et al. (2014).
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