Inflation. Warum die EZB jetzt handeln muss
- 16.03.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Es liegt nicht nur am Ukraine-Krieg
Ein Gros der Ökonomen führt die hohen Inflationsraten hauptsächlich auf den immensen Anstieg der Energiepreise im Zuge des Ukraine-Konflikts zurück. Doch bereits vor Kriegsbeginn war die Inflationsrate auf einem deutlich erhöhten Niveau. Die Wirtschaft hatte sich rascher als erwartet von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Das Wachstum trieb die Energiepreise an. Außerdem ließ die Pandemie viele Lieferketten reißen und schwächte damit das Angebot – das dann auf eine hohe Nachfrage traf. Das Ergebnis: Preissteigerungen bei knappen Gütern. Allein im Jahr 2021 hat das die Inflationsrate vermutlich um 0,25 bis 0,4 Prozentpunkte erhöht. Mit Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine Ende Februar 2022 schossen die Energiepreise durch die Decke. Haupttreiber war in diesem Zusammenhang der stark gestiegene Gaspreis.
Es gibt aber auch noch einen ganz anderen Grund für die hohe Inflation: Seit der Finanzkrise war die EZB durchgängig einen expansiven Kurs gefahren. Trotzdem hat sie bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs ihr Inflationsziel von zwei Prozent selten erreicht. Die zukünftigen Inflationsraten wurden in den damaligen Prognosen – im Gegensatz zu heute – regelmäßig überschätzt. Corona hat aber einiges geändert: Während die angebotsseitigen Probleme in diesem Ausmaß schwer vorauszusagen waren, wäre nachfrageseitig bereits seit längerem Vorsicht geboten gewesen. Unter anderem wegen des Anleihekaufprogramms Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Die EZB versuchte damit die im Zuge der Lockdowns zu Beginn des Jahres 2020 niedrige Inflationsrate zu erhöhen. Da der Leitzins bereits seit Jahren bei null Prozent lag, wählte sie dafür erneut das Mittel von Anleihekäufen und pumpte riesige Geldmengen in den Markt. Aufgelegt wurde das Programm mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Es wurde zweimal erweitert und war am Ende 1.850 Milliarden Euro schwer. Mit dem Geld durften auch Staatsanleihen aufgekauft werden, erstmals sogar griechische.[1]
Mittlerweile hält die EZB fast 30 Prozent der Staatsanleihen nahezu aller Länder der Eurozone (siehe Abbildung 4). Die zusätzliche Liquidität der EZB leistete in der Krise einen Beitrag, den Nachfrageeinbruch abzufedern. Doch das Geld verschwindet nicht plötzlich, nur weil es nicht mehr gebraucht wird. Damit bleibt der damals geschaffene Druck für höhere Inflationsraten bestehen. Darüber hinaus wurden zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise milliardenschwere Hilfsprogramme in einem bis dahin unbekannten Ausmaß beschlossen. Im Zuge der aktuellen Teuerungskrise folgen die nächsten Milliarden. Diese Zahlungen heizen die Inflation weiter an, indem sie die zahlungskräftige Nachfrage stützen. Gleichzeitig war das Angebot durch Lockdowns und gerissene Lieferketten verknappt.
Fiskalische Dominanz
Eigentlich ist es der EZB verboten, Staaten im Euroraum zu finanzieren. Dass sie es dennoch tut, kann niemand mehr bestreiten. Insbesondere, da sie seit dem Staatsanleihekaufprogramm PEPP die Anleihen immer flexibler ankaufen kann.[2] Auch griechische Anleihen kauft sie seither wieder. Innerhalb des EZB-Rats ist eine klare Tendenz erkennbar: Mitglieder aus hochverschuldeten Staaten plädieren für eine expansive Geldpolitik, sind also „Tauben“.[3] Im Gegensatz dazu fordern die „Falken“ eine restriktivere Geldpolitik, um die Inflation zu bremsen. Diese unterschiedliche Sichtweise stellt ein besonderes Problem dar. Aufgabe der Notenbanken ist die Sicherung des Geldwertes, nicht die Verringerung der Zinslast hochverschuldeter Länder. Hat die Zentralbank vor allem die Situation der öffentlichen Haushalte im Auge und nicht die Preisstabilität, spricht man von fiskalischer Dominanz. Die EZB macht also de facto Haushaltspolitik statt ausschließlich Geldpolitik. Für Letzteres hat sie ein Mandat, für Ersteres nicht.
Das Problem nennt sich „fiskalische Dominanz“. Wenn die EZB die Zinsen in der Eurozone niedrig hält, um die Finanzierbarkeit der Staatshaushalte zu sichern, verliert sie ihre Unabhängigkeit. Dabei ist das Mandat der Zentralbank die Bekämpfung der Inflation. Die EZB befindet sich also in einer Sackgasse: Ohne Unterstützung bekommen einige Staaten, allen voran Italien, Finanzierungsprobleme. Gleichzeitig ist die EZB aufgrund der aktuell hohen Inflationsraten zum Handeln gezwungen.
Als die Zinssätze der unterschiedlichen Staatsanleihen immer weiter auseinanderdrifteten, wurde ein Anleihekaufprogramm beschlossen, um die Lage in den Griff zu bekommen. Dabei werden Anleihen von Staaten mit niedriger Verzinsung verkauft und Anleihen von Staaten mit hoher Verzinsung gekauft. In der Folge sinken die Zinsen für hochverschuldete Länder, der Markt wird ausgehebelt. Auch hier zeigt sich sehr schön, dass die EZB eigentlich verbotene Budgetpolitik betreibt.
Fußnoten
Mehr interessante Themen
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.
Budget 2024: Das Land des immerwährenden Defizits
Eigentlich müsste Magnus Brunner (ÖVP) der glücklichste Finanzminister der Zweiten Republik sein. War die erste Budgetrede noch von der Corona-Krise und den damit einhergehenden Hilfspaketen geprägt, dominiert mittlerweile die Teuerung. Was für die privaten Haushalte für wenig Begeisterung sorgt, füllt die Staatskassen im Rekordtempo. Ohne Z