Innenpolitik

Inflation. Warum die EZB jetzt handeln muss

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Es liegt nicht nur am Ukraine-Krieg

Bereits vor Kriegsbeginn war die Inflationsrate auf einem deutlich erhöhten Niveau. Die Wirtschaft hatte sich rascher als erwartet von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Das Wachstum trieb die Energiepreise an. Außerdem ließ die Pandemie viele Lieferketten reißen und schwächte damit das Angebot – das dann auf eine hohe Nachfrage traf. Das Ergebnis: Preissteigerungen bei knappen Gütern.

Ein Gros der Ökonomen führt die hohen Inflationsraten hauptsächlich auf den immensen Anstieg der Energiepreise im Zuge des Ukraine-Konflikts zurück. Doch bereits vor Kriegsbeginn war die Inflationsrate auf einem deutlich erhöhten Niveau. Die Wirtschaft hatte sich rascher als erwartet von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Das Wachstum trieb die Energiepreise an. Außerdem ließ die Pandemie viele Lieferketten reißen und schwächte damit das Angebot – das dann auf eine hohe Nachfrage traf. Das Ergebnis: Preissteigerungen bei knappen Gütern. Allein im Jahr 2021 hat das die Inflationsrate vermutlich um 0,25 bis 0,4 Prozentpunkte erhöht. Mit Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine Ende Februar 2022 schossen die Energiepreise durch die Decke. Haupttreiber war in diesem Zusammenhang der stark gestiegene Gaspreis.

Es gibt aber auch noch einen ganz anderen Grund für die hohe Inflation: Seit der Finanzkrise war die EZB durchgängig einen expansiven Kurs gefahren. Trotzdem hat sie bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs ihr Inflationsziel von zwei Prozent selten erreicht. Die zukünftigen Inflationsraten wurden in den damaligen Prognosen – im Gegensatz zu heute – regelmäßig überschätzt. Corona hat aber einiges geändert: Während die angebotsseitigen Probleme in diesem Ausmaß schwer vorauszusagen waren, wäre nachfrageseitig bereits seit längerem Vorsicht geboten gewesen. Unter anderem wegen des Anleihekaufprogramms Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Die EZB versuchte damit die im Zuge der Lockdowns zu Beginn des Jahres 2020 niedrige Inflationsrate zu erhöhen. Da der Leitzins bereits seit Jahren bei null Prozent lag, wählte sie dafür erneut das Mittel von Anleihekäufen und pumpte riesige Geldmengen in den Markt. Aufgelegt wurde das Programm mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Es wurde zweimal erweitert und war am Ende 1.850 Milliarden Euro schwer. Mit dem Geld durften auch Staatsanleihen aufgekauft werden, erstmals sogar griechische.[1]

Mittlerweile hält die EZB fast 30 Prozent der Staatsanleihen nahezu aller Länder der Eurozone (siehe Abbildung 4). Die zusätzliche Liquidität der EZB leistete in der Krise einen Beitrag, den Nachfrageeinbruch abzufedern. Doch das Geld verschwindet nicht plötzlich, nur weil es nicht mehr gebraucht wird. Damit bleibt der damals geschaffene Druck für höhere Inflationsraten bestehen. Darüber hinaus wurden zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise milliardenschwere Hilfsprogramme in einem bis dahin unbekannten Ausmaß beschlossen. Im Zuge der aktuellen Teuerungskrise folgen die nächsten Milliarden. Diese Zahlungen heizen die Inflation weiter an, indem sie die zahlungskräftige Nachfrage stützen. Gleichzeitig war das Angebot durch Lockdowns und gerissene Lieferketten verknappt.

Abbildung 4: Anteil der von der EZB gehaltenen Staatsschulden

Fiskalische Dominanz

Ohne Unterstützung bekommen einige Staaten, allen voran Italien, Finanzierungsprobleme. Gleichzeitig ist die EZB aufgrund der aktuell hohen Inflationsraten zum Handeln gezwungen.

Eigentlich ist es der EZB verboten, Staaten im Euroraum zu finanzieren. Dass sie es dennoch tut, kann niemand mehr bestreiten. Insbesondere, da sie seit dem Staatsanleihekaufprogramm PEPP die Anleihen immer flexibler ankaufen kann.[2] Auch griechische Anleihen kauft sie seither wieder. Innerhalb des EZB-Rats ist eine klare Tendenz erkennbar: Mitglieder aus hochverschuldeten Staaten plädieren für eine expansive Geldpolitik, sind also „Tauben“.[3] Im Gegensatz dazu fordern die „Falken“ eine restriktivere Geldpolitik, um die Inflation zu bremsen. Diese unterschiedliche Sichtweise stellt ein besonderes Problem dar. Aufgabe der Notenbanken ist die Sicherung des Geldwertes, nicht die Verringerung der Zinslast hochverschuldeter Länder. Hat die Zentralbank vor allem die Situation der öffentlichen Haushalte im Auge und nicht die Preisstabilität, spricht man von fiskalischer Dominanz. Die EZB macht also de facto Haushaltspolitik statt ausschließlich Geldpolitik. Für Letzteres hat sie ein Mandat, für Ersteres nicht.

Das Problem nennt sich „fiskalische Dominanz“. Wenn die EZB die Zinsen in der Eurozone niedrig hält, um die Finanzierbarkeit der Staatshaushalte zu sichern, verliert sie ihre Unabhängigkeit. Dabei ist das Mandat der Zentralbank die Bekämpfung der Inflation. Die EZB befindet sich also in einer Sackgasse: Ohne Unterstützung bekommen einige Staaten, allen voran Italien, Finanzierungsprobleme. Gleichzeitig ist die EZB aufgrund der aktuell hohen Inflationsraten zum Handeln gezwungen.

Als die Zinssätze der unterschiedlichen Staatsanleihen immer weiter auseinanderdrifteten, wurde ein Anleihekaufprogramm beschlossen, um die Lage in den Griff zu bekommen. Dabei werden Anleihen von Staaten mit niedriger Verzinsung verkauft und Anleihen von Staaten mit hoher Verzinsung gekauft. In der Folge sinken die Zinsen für hochverschuldete Länder, der Markt wird ausgehebelt. Auch hier zeigt sich sehr schön, dass die EZB eigentlich verbotene Budgetpolitik betreibt.

 


Fußnoten

  1. Vgl. European Central Bank (2020).
  2. Die Anleihekäufe müssen u. a. nicht gleichmäßig über Zeit, Anleihekategorien und Jurisdiktionen verteilt sein (vgl. European Central Bank, 2020).
  3. Vgl. Heinemann & Kemper (2021).
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