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Die Freiheitlichen buhlen mit einem wirtschaftsliberalen Programm um enttäuschte ÖVP-Wähler. Das Werben ist alles andere als aussichtslos.
Nach dem ORF-Sommergespräch vom vergangenen Montag ist klar, dass die ÖVP ein neues strategisches Problem am Hals hat: Die FPÖ macht sich mit einem wirtschaftsliberalen Programm an die Wähler der Volkspartei heran. Mit weniger Staat, niedrigeren Steuern, weniger Regulierungen und sinkenden Sozialabgaben sprechen die Freiheitlichen gezielt enttäuschte ÖVP-Wähler an. Und die gibt es zuhauf. Wirtschaftlich gesehen fährt die vom ÖAAB dominierte Volkspartei nämlich seit geraumer Zeit einen pointierten Linkskurs. Das Geld wird in SPÖ-Manier im Volk verteilt, die staatlichen Beglückungsorgien scheinen auch lange nach der Coronapandemie kein Ende mehr zu nehmen. Nahezu im Wochenrhythmus werden neue Gutscheine und Boni aus dem Hut gezaubert, um die Bevölkerung vor den stürmischen Winden der Wirklichkeit zu schützen. Eigenverantwortung war gestern, staatliche Fürsorge ist heute. Nicht dass die FPÖ gegen all diese Segnungen heldenhaft protestiert hätte, aber das wird der „Partei des kleinen Mannes“ weniger übelgenommen als der VP, die jahrzehntelang gegen die rote Schuldenpolitik gewettert hat, um sie nun selbst zur Perfektion zu führen.
Ob man Herbert Kickl die wirtschaftspolitische Läuterung nun abnimmt oder nicht, ist vorerst zweitrangig. Klar ist, dass er die ÖVP sozusagen am „linken“ Fuß erwischt hat. Wirtschaftspolitisch betrachtet war die schwarz-grüne Regierungspremiere nämlich alles andere als ein durchschlagender Erfolg. Inflationsbereinigt werden die Bürger dieses Landes heuer um 1,7 Prozent weniger erwirtschaften als 2019. Das ist der schlechteste Wert aller EU-Länder. Keine Frage, Schwarz-Grün hatte das Glück nicht gepachtet, nahezu die gesamte Amtszeit wurde von schweren Krisen erschüttert. Zuerst kam Corona, dann der Überfall Russlands auf die Ukraine und schließlich die große Teuerungswelle. Damit war Österreich aber nicht allein, alle anderen EU-Länder sind nur deutlich besser damit zurechtgekommen. Während in Österreich der Wohlstand der Bevölkerung schrumpfte, ist er in Dänemark um neun Prozent gestiegen. Selbst Griechenland und Italien schnitten deutlich besser ab als Österreich, sogar Deutschland liegt noch vor uns.
Aber das ist aus Sicht vieler Menschen in diesem Land gar nicht so schlimm. Für sie ist ein hohes Wirtschaftswachstum nicht die Lösung, sondern die Ursache all unserer Probleme. Ohne Wachstum würden die Polkappen nicht abschmelzen, könnten die Eisbären fröhlich miteinander spielen, müssten die Bewohner der Küstenregionen nicht den Untergang ihrer Dörfer fürchten, und die Vermögen wären nicht so ungleich verteilt. Das ist nur leider ein verheerender Irrtum. Wirtschaftswachstum ist weder ein Selbstzweck noch ein neoliberales Paradigma, sondern die Voraussetzung für einen höheren Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten. Lebten die Nordkoreaner in den 1950er-Jahren noch auf demselben wirtschaftlichen Niveau wie ihre Nachbarn im Süden, sieht es heute ganz anders aus: Massenelend im Norden, Massenwohlstand im Süden. In Venezuela, dem „Neuen Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, ist nach der Verstaatlichung aller Produktionsmittel das „kapitalistische“ Wachstum verschwunden, neun von zehn Menschen leben heute in bitterer Armut.
In Europa wäre es nicht anders. Ohne das rasante Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrzehnte gäbe es jenen hohen Massenwohlstand nicht, den heute alle für selbstverständlich halten. Ein Land mit schrumpfender Bevölkerung, stagnierender Arbeitsproduktivität und rasant steigenden sozialen Versprechungen ist zu weiterem Wachstum geradezu verdammt. Gelingt Österreich nicht rasch die Rückkehr auf den Wachstumspfad, steht dem Wohlfahrtsstaat eine gröbere Abmagerungskur ins Haus. Die politischen Verwerfungen will man sich lieber nicht ausdenken. Viele aber werden fragen: Und was ist mit dem Umweltschutz und den Folgen des Klimawandels? Ganz einfach: Erstens geht es um qualitatives Wachstum, nicht um quantitatives. Nicht um rauchende Schlote, sondern um neue Technologien, mit deren Hilfe sich höhere Preise durchsetzen lassen. Der Weg führt über gute Bildung, Investitionen und Innovationen. Zweitens können wir ohne Wirtschaftswachstum weder die Umwelt schützen noch die Folgen des Klimawandels in den Griff kriegen. Weil uns die finanziellen Mittel für den Umbau unserer Energiesysteme fehlen. Die benötigten Milliarden lassen sich nun mal nicht drucken, auch wenn viele Politiker so tun, als wachse der Wohlstand in den Kellern der Notenbanken.
Bis vor Kurzem hat die unerfreuliche wirtschaftliche Lage des Landes im politischen Diskurs so gut wie nicht stattgefunden. Das könnte sich nun ändern. Seit vergangenem Montag lebt zumindest die Hoffnung, dass der Standort und die erodierende Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zu wichtigen Wahlkampfthemen werden. Sowohl die ÖVP als auch die NEOS werden auf den Kurswechsel der FPÖ reagieren müssen. Und das wäre ja schon was.
Kolumne von Franz Schellhorn im “Profil” (24.08.2024)
(Über) 100 Jahre Interventionsspirale im österreichischen Wohnungsmarkt
Die Mietpreisbremse für den freien Markt wird kommen. Und mit ihr eine ganze Reihe an unbeabsichtigten Nebenwirkungen. In Österreich haben wir über 100 Jahre Erfahrung mit Mietpreiseingriffen. Nur gelernt haben wir nichts daraus.
Nein – zumindest nicht bei den Bestandsmieten. In Österreich sind die meisten Mietverträge an den Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt. Diese Wertsicherungsklauseln sorgen dafür, dass sich die Mieten parallel zur Inflation entwickeln – aber sie können ihr nicht davonlaufen. Selbst im freien Mietmarkt passen sich Bestandsmieten in aller Reg
Die Mietkostenbelastung österreichischer Haushalte hat sich über die vergangenen Jahre kaum verändert, wie eine Grafik der Agenda Austria zeigt. Trotz hoher Inflation und steigender Preise in vielen Lebensbereichen bleibt der Anteil der Miete am verfügbaren Einkommen stabil bei rund 23 Prozent. Seit Beginn der Inflationskrise 2022 ist dieser We
Auf den ersten Blick klingt die neue Mietpreisbremse harmlos: Steigt die Inflation über drei Prozent, dürfen Mieten künftig nicht mehr voll an die Teuerung angepasst werden – sondern um maximal drei Prozent plus halbe Restinflation. Seit 1990 wäre das lediglich sieben Mal zum Tragen gekommen. Doch der entscheidende Punkt ist nicht nur, wie of
Die Zahl der Baubewilligungen für neue Wohnungen in Österreich ist seit der Zinswende 2023 massiv zurückgegangen. Wo zuvor regelmäßig mehr als 15.000 Wohnungen pro Quartal genehmigt wurden, sind es zuletzt oft unter 10.000. Der Rückgang ist damit der stärkste seit über einem Jahrzehnt.
Die Mietunterschiede zwischen gefördertem und freiem Wohnbau klaffen in Österreich inzwischen deutlich auseinander. Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen sind im Schnitt rund 30 Prozent günstiger als vergleichbare Objekte am freien Markt, Richtwert- und Kategoriemieten immerhin um etwa 13 Prozent.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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