Innenpolitik

Der grüne Schwanz wedelt mit dem türkisen Hund

Die Regierungsklausur zeigte, wer in dieser Koalition das Sagen hat: Es sind die Grünen, die der dreimal größeren ÖVP ihre Wünsche aufzwingen.

Wenn sich Regierungsparteien in diesem Land zu einer Klausur zurückziehen, heißt das nichts Gutes. Meistens geht es bei diesen Treffen um eine innerkoalitionäre Paartherapie, in der die zerrüttete Beziehung durch das Vortäuschen von Arbeit kaschiert werden soll. So gut wie nie wird großen Reformprojekten der letzte Feinschliff verpasst, so gut wie immer werden der Bevölkerung Reförmchen als große Würfe verkauft und wirklich wichtige Themen an Arbeitskreise delegiert, um die Sache möglichst geräuschlos zu verschleppen.

ÖVP und Grüne haben weder die Kraft noch den Willen, in ihrer ausklingenden Regierungszeit große Veränderungen auf den Weg zu bringen.

Genau in diese Kategorie fällt die Mitte dieser Woche zu Ende gegangene Regierungsklausur. Dabei ist es nicht so, dass sie nichts gebracht hätte. Sie hat der Bevölkerung zwei wichtige Informationen geliefert. Erkenntnis Nummer eins: Die beiden Koalitionsparteien sind mit ihrem Gestaltungswillen am Ende angelangt. ÖVP und Grüne haben weder die Kraft noch den Willen, in ihrer ausklingenden Regierungszeit große Veränderungen auf den Weg zu bringen. Es reicht gerade noch dazu, sich auf ein paar kleinere Projekterl zu verständigen, die zwar allesamt nicht falsch, aber keineswegs ausreichend sind. Erkenntnis Nummer Zwei: Den Grünen gelingt es immer besser, das Ergebnis der letzten Nationalratswahlen auf den Kopf zu stellen. Während der kleine Koalitionspartner ein ums andere Mal seine Kernanliegen durchbringt, schaut die mandatsmäßig knapp dreimal so starke ÖVP durch die Finger. Das wohl auch deshalb, weil sich der schwarze Arbeitnehmerflügel in sozialstaatlichen Fragen den Grünen deutlich näher fühlt als den wirtschaftsaffinen Parteikollegen.

Wüsste man es nicht besser, könnte man den Eindruck gewinnen, dass nicht die ÖVP seit 1987 auf der Regierungsbank sitzt, sondern ihr Juniorpartner. Die Grünen geben das Tempo vor und beschäftigen den großen Sieger der letzten Wahlen geschickt mit Defensivaufgaben. Die ÖVP wehrt eine Reihe überzogener Forderungen ab, um letzten Endes klein beizugeben und das eine oder andere grüne Projekte durchzuwinken, ohne viel dafür zu bekommen. Dieses Mal waren es schnellere Genehmigungsverfahren für alternative Energieträger. Nun spricht alles dafür, Verfahren zu beschleunigen. Wir sind viel zu abhängig von Lieferanten zweifelhafter Verlässlichkeit, deshalb sollten wir die Energieversorgung im eigenen Land nach Kräften stärken. Allerdings wird sich der Stromverbrauch in Österreich bis 2040 nahezu verdoppeln – und das werden wir mit Windrädern und PV-Anlagen nicht hinkriegen. Wenn Österreich nicht noch mehr Kohle- und Atomstrom aus dem Ausland importieren will, wird es ohne zusätzliche Wasserkraftwerke nicht gehen. Aber das wollen die Grünen nicht, deshalb gibt es dafür auch keine beschleunigten Verfahren.

Pensionisten, die weiterarbeiten, müssen auch künftig Pensionsbeiträge abführen, womit sich das Weiterarbeiten nicht lohnt.

Was es stattdessen gibt, ist mehr „staatliches“ Geld. Die Förderung von PV-Anlagen wird um die Hälfte aufgestockt, die Steuerzahler werden dafür künftig 600 Millionen Euro pro Jahr locker machen müssen. Irgendwie scheint die Regierung einer heimtückischen Form der Fördersucht erlegen zu sein. Anders ist nicht zu erklären, dass es bei derart hohen Energiepreisen noch mehr Steuergeld braucht, damit sich Privatpersonen eine PV-Anlage zulegen. Mehr Geld gibt es auch für Biogasanlagen. „Misthaufen sollen Kraftwerke werden“ wie auf der Regierungsklausur zu hören war, womit die ÖVP zumindest bei ihren Bauern punkten konnte. Sonst hat sich die Kanzlerpartei so gut wie alle ihrer vor der Klausur propagierten Anliegen von den Grünen abschießen lassen: Pensionisten, die weiterarbeiten, müssen auch künftig Pensionsbeiträge abführen, womit sich das Weiterarbeiten nicht lohnt. Die Zahl der steuerfreien Überstunden wird nicht erhöht, womit Arbeitnehmern trotz eines noch nie dagewesenen Arbeitskräftemangels kein Anreiz gegeben wird, mehr zu arbeiten als bisher. Der Ankauf der ersten Immobilie wird nicht von der Grunderwerbssteuer befreit, und die Spekulationsfrist für den steuerfreien Verkauf von Aktien wird nicht wieder eingeführt, um nur ja nicht mehr Bürger dieses Landes zu Miteigentümern von Unternehmen zu machen.

Begnügen musste sich die ÖVP mit der Abschaffung der geblockten Altersteilzeit. Derzeit können ältere Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit um 40 bis 60 Prozent reduzieren, aber dennoch voll weiterarbeiten und dafür früher in Pension gehen, indem sie die reduzierte Arbeitszeit geblockt „konsumieren“. Sehr zur Freude der Gewerkschaft und auch vieler Unternehmer, die so auf Kosten der Allgemeinheit ältere und teure Mitarbeiter früher loswerden. Abgeschafft wird diese Form der Frühpensionierung aber nicht auf einmal, sondern schrittweise bis 2030. Damit für die nächste Regierung genug Zeit bleibt, diese ordnungspolitisch richtige Korrektur neuerlich zu korrigieren. Eine Koppelung des Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung war ebenso kein Thema wie eine überfällige Begrenzung staatlicher Ausgaben, um das hemmungslose Geldausgeben irgendwie in den Griff zu kriegen. Regierungsklausuren bringen eben selten etwas Gutes.

Kolumne von Franz Schellhorn für die “Profil” (15.01.2023).

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