Liebes Christkind, wie wäre es mit etwas Realitätssinn für Österreich?
- 27.12.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Österreich hat kein berauschendes Jahr hinter sich und ein nicht sonderlich vielversprechendes Jahr vor sich: Die Wirtschaft schrumpft, die Lohnstückkosten steigen durch die hohen Lohnabschlüsse schneller als in allen anderen westeuropäischen Industrieländern und zu allem Überfluss wird auch noch gewählt, was dem ohnehin schwer in Mitleidenschaft gezogenen Staatshaushalt nicht besonders gut tun wird. Das alles scheint aber niemanden wirklich zu beunruhigen. Alles geht seinen gewohnten Gang, Österreich hat sich längst seine eigene Realität gezimmert.
Wir leben in einem Land, dem die hohe Teuerung nicht viel anhaben kann. Einerseits gleichen die Arbeitgeber den Beschäftigten die steigenden Preise über höhere Löhne aus, andererseits steckt der Staat allen Bürgern noch zusätzlich Geld zu, damit sie mit der hohen Teuerung zurechtkommen. So werden nicht nur die Strompreise vom Staat „gebremst“, sondern auch die Mieten. Mit einem feinen Unterschied: Während die staatlichen Stromversorger die Differenz zu den Marktpreisen von den Steuerzahlern ersetzt bekommen, bleiben die privaten Vermieter, auch die gemeinnützigen, auf ihrem Verlust sitzen. Deren Einnahmen verlieren jährlich entschädigungslos an Wert. In ein paar Jahren wird sich die Politik fragen, warum immer weniger Wohnungen saniert und vermietet werden.
Der Staat kümmert sich aber nicht nur um die Mieter, sondern auch um Immobilienbesitzer. Genauer gesagt um jene, die sich ihren Traum vom Eigenheim mit variabel verzinsten Krediten erfüllten. Und das zu einer Zeit, als die Zinsen im Keller waren – also nicht weiter fallen konnten. Weshalb sich jeder zweite Kreditnehmer für einen Fixzinskredit entschied, zumal dieser zu historisch niedrigen 1,5 Prozent zu haben war. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich angesichts der mittlerweile deutlich gestiegenen Zinsen zeigen sollte. Die Grünen wollen nun aber jene Immobilienbesitzer nicht im Stich lassen, die auf anhaltend niedrige Zinsen spekulierten: Ihnen müsse der Staat das Recht einräumen, ihren variabel verzinsten Kredit rückwirkend in einen niedrig verzinsten Fixkredit umzuwandeln. Die ÖVP ist gesprächsbereit. Der nächste logische Schritt wäre, dass alle, die im Spielcasino blöderweise auf Schwarz gesetzt haben, die Chance bekommen sollten, sich rückwirkend für Rot entscheiden zu können.
Wir leben aber auch in einem Land, das sich gerne als knallharter Sparmeister inszeniert. Mit Erfolg: In Europa gilt Österreich als Hort der budgetären Stabilität, der als Teil der „frugalen“ Staaten anderen Ländern ein Vorbild in Sachen Haushaltsführung ist. So durften sich etwa die Griechen von Österreich erklären lassen, wo sie den Sparstift anzusetzen haben. Von einem Land, das besagten Sparstift nur aus Erzählungen kennt. Österreich hat in den vergangenen 50 Jahren einen einzigen Budgetüberschuss im Bundeshaushalt geschafft; ein Missgeschick, das sich so schnell nicht wiederholen wird: Bis 2027 sind verlässlich Defizite eingeplant. Nächstes Jahr wird das Minus bei 20 Prozent der Einnahmen liegen, was die Bundesregierung aber nicht davon abhält, die Gehälter im öffentlichen Dienst um rund zehn Prozent zu erhöhen. Budgetdefizit hin oder her, der Staat müsse schließlich als Arbeitgeber attraktiv bleiben, wie aus Regierungskreisen zu hören ist. Das dürfte gelungen sein.
Die hohen Lohnabschlüsse im Staatsdienst führten aber auch dazu, dass die im freien Wettbewerb stehenden Branchen nachziehen mussten. Womit sich die Lohn-Preis-Spirale mit hoher Geschwindigkeit weiterdreht. Durch die Lohnabschlüsse sind die Arbeitskosten in nur drei Jahren um 21 Prozent gestiegen. Die Exportwirtschaft preist sich gerade aus den Märkten, im Inland werden die steigenden Löhne nach Möglichkeit überwälzt. Und 2024 werden sich wieder alle wundern, warum die Preise in Österreich schneller steigen als anderswo. Die Arbeiterkammer wird wie gewohnt gegen „gierige Unternehmer“ kampagnisieren, während die Regierung mit noch höheren Staatsausgaben gegen die galoppierende Inflation vorgehen wird. Ein altbewährtes Hausmittel aus dem Medikamentenschrank der „Venezolanischen Schule der Nationalökonomie“. Aber wer weiß, vielleicht legt das Christkind ja noch etwas Realitätssinn unter den Weihnachtsbaum.
Kolumne von Franz Schellhorn in der „Presse“ (23.12.2023).
Mehr interessante Themen
Verteilungskämpfe schaden allen
Österreichs Wirtschaft wächst auch 2024 kaum noch. Anhänger der Degrowth-Idee müssten sich darüber freuen. Aber selbst Kapitalismuskritiker wie Attac wissen, dass Umverteilung schwierig wird, wenn es nichts zu verteilen gibt. Deshalb schießen sich diverse NGOs derzeit auf den Klassenfeind ein – die Reichen. Saftige Vermögenssteuern sollen
Sie haben ein Problem? Alles gut, der Staat schickt einen Gutschein!
Österreich leidet an einem übergriffigen Staat. Die Politik betrachtet so gut wie jeden Bürger als hilfloses Opfer, dem auf Rechnung der Steuerzahler zu helfen ist.
Verteilen, was nicht erwirtschaftet wurde
Während die SPÖ die 32-Stunden-Woche propagiert, glauben frühere Spitzenpolitiker der Sozialdemokratie, dass wir eher länger arbeiten müssen.
Wo Deutsch am Schulhof zur Fremdsprache wird
Für 70 Prozent der Wiener Schüler ist Deutsch nicht die Alltagssprache.
Neue Studie: Vermögenssteuer heilt Diabetes!
Bald ist Wahl. Die NGOs schießen sich auf die Vermögenden ein. Im Wochentakt werden neue Steuern gefordert. Das Perfide: Die Vorschläge kommen als Wissenschaft daher.
Der Westen sucht, was der Osten hat
der Arbeitskräftemangel erfasst eine Branche nach der anderen. Unternehmen in ganz Österreich suchen händeringend nach Personal. Ganz Österreich? Nein, eine Stadt im Osten Österreichs widersetzt sich dem unbeugsamen Trend, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt.