Eine Steuerreform für die Ewigkeit: Die kalte Progression muss weg
- 06.06.2022
- Lesezeit ca. 3 min
Wer besonders unter der kalten Progression leidet
Absolut betrachtet steigt die Belastung, je höher das Einkommen ist. Eine Person mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von derzeit 4.000 Euro wird – je nach Entwicklung der Inflation – bis zum Jahr 2025 jährlich 700 bis 1.000 Euro verlieren.[1] Wer 3.000 Euro monatlich verdient, verliert mindestens 550 Euro pro Jahr. Steigt die Inflation stärker, sind es sogar über 850 Euro pro Jahr – oder 3.400 Euro innerhalb von vier Jahren.
Betrachtet man die Belastung durch die kalte Progression in Relation zum Bruttoeinkommen, ändert sich das Bild. Stark betroffen sind dann nicht mehr nur Menschen mit hohen Einkommen. Die größte Belastung entsteht bei Gehältern nahe der Höchstbeitragsgrundlage (die aktuell bei 5.670 Euro brutto im Monat liegt). Darüber nimmt der Effekt sogar leicht ab. Aber auch Durchschnittsverdiener mit 3.000 Euro Bruttomonatseinkommen werden anteilig fast genauso stark belastet. Selbst Geringverdiener mit 1.500 Euro brutto pro Monat verlieren durch die kalte Progression allein im Jahr 2025 (bis zu diesem Zeitpunkt reichen derzeit die Inflationsprognosen) rund zwei Prozent ihres Bruttojahreseinkommens.
Warum gibt es die „Inflationssteuer“ immer noch?
Seit Jahren verspricht die Politik, diese versteckte Steuererhöhung endlich abzuschaffen. Passiert ist bis dato nichts. Der Grund liegt auf der Hand: Für den Finanzminister und die Bundesregierung liefert die kalte Progression Mehreinnahmen und damit politischen Spielraum, um Geld zu verteilen. Alle paar Jahre kann die Regierung so eine vermeintliche Steuerreform beschließen und diese Entlastung als soziale Wohltat vermarkten – obwohl die Steuerzahler die verkündeten „Erleichterungen“ vorab selber finanzieren mussten. Dieser Modus war für die Politik einfach zu verlockend.
Doch jetzt kommt offenbar Bewegung in die Sache: Finanzminister Magnus Brunner will angesichts der hohen Inflationsraten noch vor dem Sommer Konzepte für eine Abschaffung der kalten Progression präsentieren. Bis 2023, so sein Wunsch, soll diese Sondersteuer Geschichte sein.
Fußnoten
- Im Basisszenario (Szenario eines verschärften Ukraine-Krieges) vom März 2022 erwartet die OeNB Inflationsraten von 5,3 Prozent (9,0 Prozent) für das Jahr 2022, 2,9 Prozent (4,2 Prozent) für 2023 sowie 2,3 Prozent (2,4 Prozent) für 2024. Im Jahr 2021 lag die Inflationsrate in Österreich (harmonisierter Verbraucherpreisindex – HVPI) bei 2,8 Prozent. ↩
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