Beschäftigung

Wer einigermaßen rechnen kann, arbeitet nicht mehr Vollzeit

Während die einen bei neun Prozent Inflation über die ideale „Work-Life-Balance“ philosophieren, schieben die anderen Überstunden, um irgendwie über die Runden zu kommen.

In der modernen Arbeitswelt gibt es einen neuen Trend: Immer mehr Beschäftigte setzen sich  das Ziel, mit möglichst wenig Elan in die neue Arbeitswoche zu starten. Wie dem aktuellen „Presse“-Podcast zu entnehmen ist, nennt sich das Phänomen „Bare Minimum Monday“. Montags soll höchstens an zwei Stunden gearbeitet werden, der Rest des Tages ist der Zerstreuung zu widmen. Das Leben ist schließlich hart genug. Den Montag haben die Trendsetter natürlich nicht zufällig gewählt: Die Aussicht auf den stressigen Wochenbeginn zerstört die Sonntage, und das drückt aufs Gemüt. Nicht nur Schüler wissen, wovon die Rede ist. Stark im Kommen ist auch das „Quiet Quitting“: Man ist zwar anwesend, leistet aber nur noch das absolute Minimum. Ein Trend, der seinen Ursprung in Österreich haben könnte. Hierzulande läuft diese Art der stillen Resistenz unter „Dienst nach Vorschrift“. Ein Phänomen, das sich weit über den öffentlichen Dienst hinaus ungebrochen hoher Popularität erfreut. 

Immer mehr Beschäftigte setzen sich  das Ziel, mit möglichst wenig Elan in die neue Arbeitswoche zu starten.

Nun dürfte es keine unlösbare Aufgabe sein, irgendwo eine Universität aufzutreiben, die in einer umfassenden Feldstudie beweist, dass sowohl der „Bare Minimum Monday“ als auch das „Quiet Quitting“ ein wahrer Segen für die gesamte Volkswirtschaft sind. Allen voran für die Unternehmen, weil die Produktivität der Belegschaft geradezu raketenhaft in die Höhe schießt. Menschen, die weniger arbeiten, seien schließlich glücklicher und glücklichere Arbeitnehmer  produktiver als unglückliche. Mehr Wohlstand durch weniger Arbeit heißt die neue Zauberformel. Ich wiederum habe ja den starken Verdacht, dass es genau umgekehrt ist: Nicht weniger Arbeit führt zu mehr Wohlstand, sondern mehr Wohlstand führt zu weniger Arbeit. Und das ist eigentlich eine sehr erfreuliche Nachricht. Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahrzehnten derart vermögend geworden, dass es sich immer mehr Menschen leisten können, weniger zu arbeiten und auf Einkommen zu verzichten. 

Das gilt aber nicht für alle. Denn die aktuelle Teuerungswelle macht eine tiefe Spaltung der Gesellschaft sichtbar: Auf der einen Seite jene, die bei neun Prozent Inflation über die Vorzüge des „Bare Minimum Monday“ und die optimale „Work-Life-Balance“ philosophieren können. Und auf der anderen Seite jene, die sich von dieser abgehobenen Elite verhöhnt fühlen müssen, weil sie selbst eine Überstunde nach der anderen schieben, um irgendwie über die Runden zu kommen. Bedauerlicherweise macht der Sozialstaat keinen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen. Aus seiner Sicht sind beide gleichermaßen bedürftig, beide haben dasselbe Anrecht auf finanzielle Unterstützung durch die Solidargemeinschaft. Von den jüngsten „Antiteuerungspaketen“ profitierten alle. Obwohl das so nie gedacht war.

Fraglich ist, wie lange die Politik dieser Entwicklung noch zuschauen wird.

Fraglich ist, wie lange die Politik dieser Entwicklung noch zuschauen wird. Dem umverteilenden Sozialstaat drohen nämlich schön langsam die Finanziers abhanden zu kommen: In Österreich leben heute um über eine Millionen Menschen mehr als vor 30 Jahren. Es sind auch so viele Menschen wie nie zuvor beschäftigt – und dennoch ist die Zahl der Vollzeitkräfte seit Mitte der 1990er Jahre mit knapp drei Millionen Menschen in etwa konstant geblieben. Der gesamte Beschäftigungszuwachs ging also einzig und allein auf das Konto der Teilzeit.

Ironischerweise beschleunigt der Sozialstaat diesen Trend. Seit vielen Jahren entlasten Regierungen die Bezieher niedriger Einkommen. Das klingt zwar sozial, macht aber insbesondere die Teilzeit im Vergleich zur Vollzeit immer attraktiver. Wer rechnen kann, arbeitet nicht mehr Vollzeit: Erhöhen Durchschnittsverdiener hierzulande ihre Arbeitszeit um 50 Prozent, bleiben ihnen netto gerade einmal 32 Prozent mehr übrig. In den Hochsteuerländern Schweden und Dänemark wären es 44 Prozent. Nur in Belgien und Spanien kassiert der Staat noch mehr Geld von jeder zusätzlichen Leistung ein als in Österreich.

Der Staat hat seinen Bürgern nicht vorzuschreiben, wie viel sie arbeiten sollen. Jeder Bürger hat das Recht auf seinen „Bare Minimum Monday“ – aber nicht auf Kosten einer hart arbeitenden Allgemeinheit, die den ganzen Laden noch irgendwie zusammenhält. Deshalb sollte der Staat schnellstens damit aufhören, die Teilzeitarbeit steuerlich zu subventionieren.

Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (01.04.2023).

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