Beschäftigung

Rekordbeschäftigung und Rekordarbeitslosigkeit – ein Widerspruch?

Die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt spitzt sich seit vielen Jahren zu. Kam Mitte der 1970er Jahre auf einen Arbeitsuchender eine offene Stelle, raufen sich heute elf Arbeitssuchende um einen Job.

Die Situation am heimischen Arbeitsmarkt ist geradezu paradox: Mit 450.000 Menschen waren noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik so viele Menschen offiziell ohne Arbeit wie im abgelaufenen Jänner. Gleichzeitig waren im selben Monat mit 3,42 Millionen Menschen aber auch noch nie so viele Menschen beschäftigt. Auffallend ist, dass die Zahl der Arbeitslosen innerhalb des vergangenen Jahres in Österreich mit einem Plus von 9,5 Prozent überdurchschnittlich stark angestiegen ist. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Lage seit vielen Jahren kontinuierlich zuspitzt: Stand 1975 einem Arbeitssuchenden noch eine offene Stelle gegenüber, kommen heute auf eine offene Stelle elf Arbeitssuchende. Rechnet man auch jene Menschen dazu, die derzeit in Schulungen weitergebildet werden, liegt das Verhältnis bereits bei 1:14.

Nun verweisen Vertreter der Regierung nicht zu Unrecht darauf, dass Österreich im internationalen Vergleich noch immer hervorragend liegt. In keinem EU-Land ist die offizielle Arbeitslosenquote niedriger als in Österreich. Verschwiegen wird allerdings, dass in der offiziellen Arbeitslosenstatistik jene Menschen fehlen, die mangels Aussicht auf einen Job in Frühpension geschickt wurden, die Suche nach Arbeit eingestellt haben oder in einer der staatlichen Schulungen sitzen. Nicht erwähnt wird auch, dass in keinem EU-Land so viele ältere Menschen im erwerbsfähigen Alter (55 bis 64) im Vorruhestand sind wie in Österreich. Mit anderen Worten: Österreich erkauft sich seinen guten Platz in der Statistik mit kostspieligen Frühpensionierungswellen und (nicht ganz unumstrittenen) Weiterbildungsprogrammen. Legt man die „versteckte Arbeitslosigkeit“ offen, ist Österreich nicht mehr Musterschüler der EU, sondern respektable Nummer vier. (Stand erstes Quartal 2013, siehe auch unserer Publikation Österreich, das Land der versteckten Arbeitslosigkeit).

Wie aber ist es möglich, dass es Rekordarbeitslosigkeit UND Rekordbeschäftigung gleichzeitig gibt? Das „Beschäftigungswunder“ erklärt sich nahezu ausschließlich mit dem deutlich gestiegenen Angebot an Teilzeitarbeit. Menschen, die vorher nicht erwerbstätig waren (insbesondere Mütter), drängen verstärkt auf den Arbeitsmarkt und erhöhen so die Beschäftigung, senken aber nicht die Arbeitslosigkeit, weil sie vorher nicht als arbeitssuchend registriert waren. Hinzu kommen große Pleiten (Alpine und Dayli) und abwandernde Produktionsstätten, die für eine steigende Arbeitslosigkeit sorgen.

Nun übt die Regierung zarten Druck auf die Unternehmen aus, mehr Lehrlinge auszubilden und offene Stellen bevorzugt den Teilzeitkräften im eigenen Betrieb anzubieten. Hinzu kommen mit Staatsschulden finanzierte Konjunkturprogramme, die für mehr Beschäftigung sorgen sollen. Dabei fehlt es nicht an zu wenig Staat – sondern an wirtschaftlicher Dynamik, die sich auch sehr schön an den stagnierenden offenen Stellen (siehe Grafik) ablesen lässt. Arbeitsplätze werden nun mal nicht von Regierungen geschaffen, sondern von Individuen, die eine Geschäftsidee haben und das Risiko nehmen, diese auch umzusetzen.

Statt diesen Menschen bessere Anreize zu bieten, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, erhöht die Regierung die Steuern und verschärft die Regulierung. Warum versucht es die Staatsführung nicht mit weniger Bürokratie und mehr Service für Unternehmensgründer (One-Stop-Shop)? Oder mit einem weniger teuren Staat, der den Bürgern wieder mehr von ihren Arbeitseinkommen überlässt – statt deren Kaufkraft über höhere Steuern bis 2018 um fünf Milliarden Euro zu schwächen. Nicht zu unterschätzen ist auch die psychologische Wirkung von Reformen auf die Investitionsfreude vieler Unternehmen. Damit signalisierte die Bundesregierung nämlich zweierlei: Erstens, dass sie ohnehin unübersehbare Probleme erkennt und nicht länger ignoriert. Und zweitens, dass sie im Stande ist, diese auch zu lösen und damit jüngeren Generationen eine Perspektive auf anhaltend hohem Wohlstand zu bieten.

Das alles würde den verzweifelt nach Arbeit suchenden Menschen mehr helfen als der Verweis auf den besten Platz Österreichs in der europäischen Statistik. Davon haben Arbeitslose nämlich nicht sehr viel. Sie fragen sich vielmehr: Wenn die Politik die Arbeitslosigkeit tatsächlich verringern will – warum besteuert sie dann Arbeit so hoch?

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