Jahrelang glänzte Österreich mit hervorragenden Arbeitsmarktdaten. Selbst die hartnäckige Wirtschaftskrise konnte dem heimischen Arbeitsmarkt nicht viel anhaben, was sich auch im Ranking des IMD sehr gut ablesen lässt. Während allerorts die Arbeitslosenzahlen in die Höhe gingen, blieben sie in Österreich niedrig. Was die Regierung auch zur Botschaft verleitete: Wir haben das Land gut durch die Krise geführt.
Mittlerweile hat sich das Bild geändert. Während in vielen Ländern Europas die Arbeitslosigkeit rückläufig war, stieg sie in Österreich kontinuierlich an. Zu Beginn des Jahres waren beinahe 500.000 Menschen in Österreich ohne Arbeit. Zum Vergleich: Im etwas mehr als neunmal größeren Deutschland waren zu Beginn des Jahres 2005 mehr als fünf Millionen Menschen ohne Arbeit.
Seit wenigen Monaten sinkt die Zahl der Arbeitslosen zwar wieder, die Zahl steigender Langzeitarbeitsloser sowie die Probleme im Segment der Niedrigqualifizierten geben aber Anlass zur Sorge. In den vergangenen sieben Jahren hat Österreich im IMD-Ranking 15 Plätze eingebüßt und liegt im Ländervergleich nur noch im Mittelfeld. 2003 war Österreich noch in den Top Ten zu finden – und genau dorthin zu kommen ist das Ziel.
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Die hervorragenden Arbeitsmarktdaten hat sich Österreich einerseits hart erarbeitet, andererseits aber durch die frühe Pensionierung von Arbeitnehmern teuer erkauft. Durch die Reformen im Pensionsbereich sind derartige Eingriffe allerdings kaum noch möglich, weshalb es in den letzten Jahren auch zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf für Österreich ungewohnte Höhen kam. Während sie 2008 noch bei 4,1 Prozent lag, stieg sie bis 2016 auf 6,0 Prozent, wie Abbildung 17 zeigt.[1] Den Prognosen zufolge wird sich die Lage am Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren nur leicht entspannen.
Besonders betroffen von steigender Arbeitslosigkeit sind Niedrigqualifizierte. Hier war 2016 jeder Achte arbeitslos, während es bei Höhergebildeten etwa jeder Dreißigste war. Seit 2013 ist die Anzahl der Arbeitslosen mit geringem Bildungsstand von 190.000 auf 250.000 gestiegen.
Der Anstieg der Arbeitslosenquote ging außerdem – und das ist besonders alarmierend – mit einem Zuwachs der Offene-Stellen-Quote einher.[2] Dies ist ein deutlicher Hinweis auf strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt. Gemeint ist, dass diese Menschen auch bei Hochkonjunktur arbeitslos bleiben werden.
Die Ursache hierfür ist ein sogenannter Mismatch, was wiederum bedeutet, dass das vorhandene Arbeitskräfteangebot nicht den von Unternehmen nachgefragten Jobs entspricht. Auch der regionale Mismatch kommt hier zu tragen. Viele der offenen Jobs sind genau dort, wo die Arbeitslosigkeit ohnehin gering ist.
Einen weiteren Hinweis auf grundlegende strukturelle Probleme liefert zudem der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit (zwölf Monate und länger). Auch hier kommt es zu einem Mismatch, weil Personen, die nicht die geforderten Qualifikationen für den Arbeitsmarkt bringen, nur schwer schnell vermittelt werden können. Seit 2013 ist die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von knapp 57.000 auf 87.000 (siehe Abbildung 19) angestiegen. Verhältnismäßig sind hier viele ausländische Staatsbürger betroffen.
Im Vergleich dazu hat sich die Anzahl der Kurzzeitarbeitslosen (unter drei Monaten) seit 2013 kaum verändert und bleibt bei etwa 80.000.
Wird eine Person in Österreich arbeitslos, hat sie anfangs 20 Wochen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sofern diese Person bereits mehr als drei Jahre gearbeitet hat, erhöht sich dieser Anspruch auf 30 Wochen.[3] Wird an einer Schulung teilgenommen, kann sich die Bezugsdauer um bis zu vier Jahre verlängern.
Die Höhe des Arbeitslosengeldes entspricht dabei 55 Prozent des zuletzt bezogenen Nettoeinkommens. Zusätzlich besteht aber auch Anspruch auf Familienzuschläge für Kinder, zu deren Unterhalt eine (arbeitslose) Person wesentlich beiträgt (sofern ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht).
Besteht kein Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld, wird die sogenannte Notstandshilfe schlagend. Diese ist auch bedarfsorientiert, wobei das eigene Einkommen sowie das Einkommen des Partners bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzung einberechnet werden. Liegt das Arbeitslosengeld (ohne Familienzuschläge) über 882,78 Euro, beträgt die Notstandshilfe grundsätzlich 92 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes, ansonsten liegt sie bei 95 Prozent des Arbeitslosengeldes. Die Notstandshilfe kann unbegrenzt lange bezogen werden.[4]
Als dritte Absicherung wurde die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) eingeführt, sie besteht aus zwei Teilen: monatlich jeweils 628,32 Euro Grundbetrag und 209,44 Euro Wohnkostenanteil für eine alleinstehende Person, also in Summe 837,76 Euro. Personen in Lebensgemeinschaften erhalten den 1,5-fachen Betrag: 1.256,64 Euro (für zwei Personen). Für Kinder besteht ein Anspruch auf jeweils 150,80 Euro. Diese Werte unterscheiden sich teilweise in den Bundesländern und es gibt in manchen Bundesländern mittlerweile eine Deckelung dieser Leistungen. Bezugsberechtigt sind Personen, die weniger als 4.188,80 Euro (Bezugsjahr: 2016) Vermögen haben. Ausnahmen sind die als Hauptwohnsitz genutzte Eigentumswohnung sowie die Wohnungseinrichtung. Wer ein Auto besitzt, muss dieses verkaufen, es sei denn, das Gefährt ist berufs- bzw. behinderungsbedingt notwendig.
Was auffällt, ist, dass die finanzielle Absicherung für Arbeitslose in Österreich inklusive Sozialtransfers in Relation zum letzten Arbeitseinkommen vergleichsweise hoch ist und auch über fünf Jahre hinweg konstant gehalten wird, während sie in vergleichbaren Ländern sinkt. Zum Vergleich herangezogen wurden dabei wirtschaftlich vergleichbare Staaten, die bessere Werte aufweisen als Österreich – sei es Dänemark (schnelle Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen), Deutschland (niedrigere Rate als Österreich) oder Schweden (hohe Beschäftigungsquote Älterer).
Während die Nettoersatzrate – also alle Sozialleistungen in Prozent des letzten Nettoeinkommens – in Österreich über die Zeit nahezu konstant bleibt, so liegt sie in manchen Ländern zu Beginn deutlich über dem österreichischen Niveau. Diese nimmt dann aber sowohl in Deutschland als auch in Dänemark und Schweden deutlich ab.
Daher sind in Österreich auch vor allem die finanziellen Anreize zur Aufnahme von Arbeit für eine Person in einem Haushalt mit Kindern nur sehr schwach ausgeprägt. Selbst im Sozialstaat Schweden ist die Nettoentschädigung für Arbeitslose deutlich niedriger als in Österreich.
Die Debatte über Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern wird mittlerweile auch in Österreich immer leidenschaftlicher geführt. Der sogenannte „Gender Pay Gap“ ist kein Mythos, allerdings beziehen sich viele populäre Argumente auf falsche Zahlen: Gemeinhin wird behauptet, dass Frauen für dieselbe Arbeit um knapp 20 Prozent weniger verdienen als Männer – und das einfach deshalb, weil sie Frauen sind.
Dieser Vorwurf der pauschalen geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierung wiegt schwer und ist auch nur bedingt haltbar. Tatsächlich lässt sich ein erheblicher Teil der vorhandenen Einkommensunterschiede anhand verschiedener Charakteristika erklären und nachvollziehbar begründen. Es ist nicht zielführend, eine Friseurin mit einem Bauingenieur zu vergleichen. Aussagekräftiger ist, um wie viel das Einkommen einer Friseurin unter jenem eines Friseurs gleichen Alters und gleicher Qualifikation liegt. Oder wie hoch der Lohnunterschied zwischen einem Bauingenieur und einer Bauingenieurin ist. Laut unseren Berechnungen[5] bleibt dann immer noch ein unerklärbarer Teil zwischen vier und elf Prozent übrig.[6] Der größte Teil des Gaps zwischen Männern und Frauen ist also erklärbar, was ihn nicht besser macht – aber lösbar. Das bietet nämlich eine Fülle von Ansätzen, wie die wesentlichen Unterschiede in der Bezahlung zwischen Frau und Mann zu beseitigen wären.
DEZENTRALISIERUNG DES KOLLEKTIVVERTRAGSSYSTEMS
Die Dezentralisierung des Kollektivvertragssystems auf der untersten Ebene war mit ein Grund dafür, weshalb deutsche Unternehmen gegenüber der osteuropäischen Konkurrenz wettbewerbsfähig blieben. Dadurch entstanden viele neue Jobs. Das wirkte sich sofort positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Firmen konnten in Abstimmung mit den Arbeitnehmern leichter auf Auftragsschwankungen reagieren. Die Möglichkeit einer flexiblen Anpassung der Arbeitsverträge (dabei immer in Abstimmung mit dem Betriebsrat) erwies sich vor allem über die Krise hinweg als erfolgreich. Der Arbeitsmarkt gilt seither als äußerst robust und flexibel.
HÖHERES ARBEITSLOSENGELD, DAFÜR ZEITLICH GESTAFFELT
Auch wenn die Höhe des Arbeitslosengeldes in Österreich im internationalen Vergleich nicht besonders hoch ist, so sind die Ersatzraten (also die gesamten Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit im Vergleich zum vorher bezogenen Lohn) im Vergleich eher hoch. Das Problem liegt aber vor allem an der Möglichkeit einer langen Bezugsdauer der Sozialleistungen, ohne dass die Leistungen sinken. Das System aus einem über einen sehr langen Zeitraum beziehbaren Arbeitslosengeld (wenn in Schulung), Notstandshilfe und bedarfsorientierter Mindestsicherung ist nicht nur komplex und unübersichtlich, sondern bietet vor allem für Familien nur geringe Anreize, sich möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Je länger eine Person dem Arbeitsmarkt fernbleibt, desto geringer werden die Chancen, eine Anstellung zu finden. Die Ersatzrate könnte in Österreich zu Beginn der Bezugsdauer angehoben werden, müsste dann aber zeitlich gestaffelt absinken. Jeder sollte eine angemessene Zeit für die Jobsuche zur Verfügung haben. Allerdings würde durch das Absinken der Ersatzrate auch signalisiert werden, dass man nicht zu lange vom Arbeitsmarkt fernbleiben soll.
VON DEN DÄNEN LERNEN
Ähnlich wie in Dänemark sollte eine höhere Arbeitslosenentschädigung mit einem niedrigeren Kündigungsschutz verbunden werden. Dies würde den Arbeitsmarkt flexibilisieren und mehr Dynamik entfalten. Unternehmen können kurzfristig mehr Arbeiter einstellen und die Arbeiter wären im Falle einer Entlassung entsprechend abgesichert. In Österreich trauen sich viele Unternehmen nicht, ältere Arbeitslose einzustellen, weil sie die Angst haben, sie nicht wieder kündigen zu können, falls die Auftragslage einbricht oder das Arbeitsverhältnis unter den Erwartungen bleibt.
ARBEITSANREIZE ERHÖHEN
Die Senkung der Sozialversicherung um einen Prozentpunkt und die Abschaffung des Wohnbauförderungsbeitrags würde den Arbeitsanreiz erhöhen. Für einen Niedrigverdiener (1.500 Euro monatlich) würde das jährlich knapp 300 Euro netto mehr auf dem Konto bedeuten. Zusammen wäre das ein Anstieg des jährlichen Nettolohns von Niedrigverdienern um fast zwei Prozent. Somit erhöht sich auch der Unterschied zwischen Sozialleistungen und Arbeitseinkommen (netto) spürbar.
WACHSTUMSIMPULSE SETZEN
Natürlich würde eine länger anhaltende Wachstumsphase auch mehr schlechter qualifizierte Arbeitssuchende in Beschäftigung bringen – für diese Gruppe Arbeitssuchender ist mehr Wachstum die einzige Chance, wenn davon auch nicht alle profitierten.
Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist die Ausbildung ein entscheidender Faktor am Arbeitsmarkt. In Österreich werden jedoch oftmals Qualifikationen nachgefragt, welche die Arbeitslosen nicht (mehr) anbieten können. Hinzu kommt, dass Österreich lange Jahre seine Arbeitslosen versteckte, indem die Menschen sehr früh in Pension geschickt wurden. Der Anteil der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren, die aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen, war 2016 mit 51,7 Prozent deutlich niedriger als der EU-Schnitt und liegt weit unterhalb jenes in Schweden (79,7 Prozent). Die zarten Pensionsreformen brachten in dieser Hinsicht zwar Besserung, weil der Weg in die Frühpension erschwert wurde. Allerdings ist es oftmals nicht gelungen, diese Menschen auch in Beschäftigung zu bringen beziehungsweise dort zu halten, womit das Problem nur von der Pensions- in die Arbeitslosenversicherung verschoben wurde. Wie das Problem zu mildern und auch zu lösen wäre:
LANGZEITARBEITSLOSIGKEIT: FÖRDERN UND MEHR FORDERN
Die „Hartz IV“-Reform der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder beruht auf dem Prinzip „Fördern und Fordern“. Sie betont vor allem die Arbeitspflicht der (erwerbsfähigen) Leistungsbezieher. Langzeitarbeitslose bekommen in Deutschland sogenannte Ein-Euro-Jobs angeboten, vorwiegend im gemeinwirtschaftlichen Bereich, um Lohndumping zu verhindern. Wer diese Jobs annimmt, bekommt zusätzlich zu „Hartz IV“ (eine Art Mindestsicherung) noch einen Euro ausbezahlt, deshalb werden diese Tätigkeiten auch „Ein-Euro-Jobs“ genannt. Wer diese Jobs nicht annimmt, verliert auch schrittweise die „Hartz IV“-Entschädigung.
Zahlreiche empirische Studien belegen, dass die im Zuge der Reformen eingeführte Beobachtung der Arbeitssuche in Kombination mit Sanktionen durch die Agentur für Arbeit die Dauer der Arbeitslosigkeit deutlich reduzierte und die Wiederbeschäftigungschancen von Arbeitslosen erhöhte. Womit auch die Langzeitarbeitslosigkeit zurückging. Während in Österreich der Kompetenz-Wirrwarr – Bundesländer und Arbeitsmarktservice (AMS) – beides erschwert, wie zuletzt auch der Rechnungshof[7] feststellte.
SOZIALLEISTUNGEN FUSIONIEREN
Die unterschiedlichen Mindestsicherungssyste- me auf Länderebene führen derzeit nicht nur zu einem uneinheitlichen System der sozialen Absicherung, sondern auch zu entsprechender Intransparenz. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung, die Notstandshilfe und das Arbeitslosengeld sind nach deutschem Vorbild bei einer zentralen Stelle (beispielsweise beim AMS) zusammenzulegen. Auf diese Weise könnte für eine klare Kompetenzstruktur und Zuständigkeit gesorgt und der bürokratische Aufwand gesenkt werden. Zudem können die Ansprüche auf Sozialleistungen und die verpflichtende Bereitschaft zur Teilnahme am Arbeitsmarkt auch besser überprüft werden.
FRÜHKINDLICHE BILDUNG SENKT DIE ARBEITSLOSIGKEIT
Frühkindliche Bildung, schulische Ausbildung sowie gute Sprachkenntnisse sind die Schlüssel zu niedriger Arbeitslosigkeit. Nur so kann der Sprung von der Schule in die Berufsausbildung besser gelingen. Fehlende berufliche Ausbildung ist ein zentraler Risikofaktor für Langzeitarbeitslosigkeit. Für Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen ist die Kindergartenpflicht ab dem vierten Lebensjahr ein richtiger Schritt.
ÖFFENTLICHE BESCHÄFTIGUNGSPROGRAMME STOPPEN
Öffentliche Beschäftigungsprogramme (wie die Aktion 20.000) erweisen sich empirisch als wirkungslos und sind daher nicht sinnvoll.[8] Hingegen erweisen sich zeitlich befristete Zuschüsse an Langzeitarbeitslose für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Beschäftigung (Einstiegsgeld, ein zeitlich begrenzter Kombilohn) als deutlich wirksamer.
LOHNKURVE NEU GESTALTEN
Von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Ältere betroffen. Diese sind am österreichischen Arbeitsmarkt zwar seltener im Allgemeinen von Arbeitslosigkeit betroffen. Sollten sie aber ihren Job verlieren, so finden sie nur sehr schwer einen neuen Job. Das Risiko, in die Langzeitarbeitslosigkeit zu fallen, ist in dieser Altersgruppe größer.
Das ist nicht zuletzt durch den hohen Anstieg der Löhne mit dem Alter (Senioritätsprinzip) bedingt. Schweden profitiert bei der Aktivierung älterer Arbeitnehmer insbesondere davon, dass das Senioritätsprinzip vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Während es in Österreich nicht untypisch ist, kurz vor der Pensionierung am höchsten entlohnt zu werden, hängen die Löhne in Schweden stärker von der Arbeitsproduktivität ab. Nach schwedischem Vorbild sollten sich die österreichischen Kollektivverträge nicht wie bisher üblich nach dem Alter (bzw. der Erfahrung) richten, sondern mehr an der Produktivität der Arbeiter orientieren.
HÖHERE BEITRÄGE FÜR BRANCHEN MIT HOHER INVALIDITÄT
Das „Experience Rating“ in den Niederlanden zielt darauf ab, das Invaliditätsrisiko nach dem Verursacherprinzip zu verteilen, um auch vonseiten der Arbeitgeber Anreize zur Prävention zu setzen. Die Arbeitgeberbeiträge zur Invaliditätspension wurden in einen Fixbeitrag sowie einen sektorspezifischen (oder firmenspezifischen) Beitrag geteilt. Sektoren, in denen die Arbeitnehmer häufiger in Invaliditätspension gehen, müssen mit höheren Beiträgen rechnen. Unternehmen haben zwar keinen direkten Einfluss darauf, ob Arbeiter für die Invaliditätspension zugelassen werden,[9] trotzdem können sie durch präventive Maßnahmen maßgeblich dazu beitragen, die Arbeitsunfähigkeit zu minimieren. Die Erfolge in den Niederlanden zeigen, dass dieses System auch für Österreich attraktiv ist.
EINKOMMENSZUSCHÜSSE BEI VORAUSGEHENDER LANGZEITARBEITSLOSIGKEIT
Zu den größten Stärken des schwedischen Arbeitsmarktes gehört die niedrigere Langzeitarbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer. 2007 wurde eine Initiative („Nystartsjobb“) ins Leben gerufen, die dazu dienen soll, dass (Langzeit-)Arbeitslose über reduzierte Sozialbeiträge und Lohnsteuern schneller und leichter eine Anstellung finden können. Für jemanden, der über ein Jahr lang arbeitslos ist, stellt der Staat eine Förderung in der Höhe vom bis zu Zweifachen der für ihn aufgewendeten Sozialbeiträge in Aussicht. Die maximale Bezugsdauer steigt dabei mit dem Alter auf bis zu zehn Jahre an.
Die Niederländer wiederum haben einen Bonus für Personen eingeführt, die nach längerer Berufsunfähigkeit in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Der sogenannte WGA („Werkhervatting Gedeeltelijk Arbeidsgeschikten“, Wiedereintritt ins Berufsleben bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit) soll dabei den Einkommensverlust, der zwischen bezahlter Arbeit und Transfergeldern entsteht, auffangen. Diese Maßnahmen würden auch in Österreich den Wiedereintritt von Langzeitarbeitslosen in den Berufsalltag fördern.
Frauen arbeiten häufiger in weniger gut bezahlten Bereichen wie etwa dem Sozialbereich. Männer sind dafür eher in technischen Branchen zu finden, die aufgrund der hohen Nachfrage und des niedrigen Arbeitsangebots meist besser entlohnt werden. Ziel muss also sein, Frauen für technische und stärker wertschöpfende Berufe zu interessieren. Dafür müssten einige Voraussetzungen geschaffen werden:
KINDERBETREUUNG AUSBAUEN
Einer der wichtigsten Faktoren bei der Lohnfindung ist die Berufserfahrung. Wenn Frauen wegen langer Kindererziehungszeiten aber über Jahre hinweg auf dem Arbeitsmarkt fehlen, so wirkt sich das auch deutlich nachweisbar auf ihr späteres Gehalt aus. Vor allem am Land braucht es deshalb mehr und bessere Kinderbetreuungsplätze – Österreich hat hier im Vergleich zu anderen Ländern einigen Nachholbedarf. Das ist aber nicht allein ein Auftrag an die Politik, sondern auch ein Hinweis an jene Arbeitgeber, die auf zuverlässige, qualifizierte Fachkräfte angewiesen sind. Sie selbst sollten die Lösung des Problems angehen, wenn die Politik dazu nicht in der Lage ist.
SENIORITÄTSPRINZIP ABSCHAFFEN
Bleiben Frauen aufgrund von Kinderbetreuung dem Arbeitsmarkt länger fern, müssen sie aufgrund der Entlohnung nach dem Senioritätsprinzip auf Lohnsprünge verzichten, auch wenn sie gleich viel leisten wie die männlichen Kollegen. Diese Ungleichbehandlung könnte durch ein leistungsorientiertes Lohnsystem aus der Welt geschafft werden.
KARENZZEIT VERKÜRZEN
Empfohlen wird auch, die finanziellen Anreize für die in Österreich sehr langen Karenzzeiten deutlich zu verringern, da diese zu einer langen Abwesenheit der Frauen vom Arbeitsmarkt führen, was sich wiederum negativ auf die Lohn- und Karriereentwicklung auswirkt. Die Agenda Austria plädiert für eine radikale Lösung: sechs Monate für Frauen, sechs Monate für Männer. Danach gibt es Betreuungsschecks für private und öffentliche Kindergärten.
Nachholbedarf hat Österreich nämlich auch bei der gesellschaftlichen Vorstellung davon, wie die Familienarbeit zwischen den Eltern aufgeteilt werden sollte: In skandinavischen Ländern wie etwa Schweden ist es überhaupt kein Thema, dass Väter über einen längeren Zeitraum in Karenz gehen. In Österreich gehen lediglich rund 20 Prozent der Väter überhaupt in Karenz, die meisten auch nur sehr kurz. Die Zahl steigt, aber nur sehr langsam. Dieses Umdenken wird sich langfristig auf eine höhere Entlohnung von Frauen auswirken und sollte deshalb auch stärker eingefordert werden.
Fußnoten
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