
Arbeitszeitflexibilisierung
Eine Einordnung der Agenda Austria
Arbeitszeitflexibilisierung
Die Einführung des 12-Stunden-Tags lässt die Wogen hochgehen, auch wenn Österreich dadurch noch nicht zu den flexibelsten Ländern in Sachen Arbeitszeit gehört. Eine Einordnung.
Überblick
Die von den Regierungsparteien vorgeschlagene Flexibilisierung der Arbeitszeit lässt die wirtschaftspolitischen Wogen hochgehen (Haubner und Klinger 2018). Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stehen einander unversöhnlich gegenüber und werfen sich gegenseitig Lohnraub und Lüge vor.
Dabei ist klar, dass es grundsätzlichen Bedarf für Reformen im Arbeitsrecht gibt. Eine Umfrage im Rahmen der Österreich 2025-Studien des Wirtschaftsforschungsinstituts hat gezeigt, dass 92 Prozent der befragten Industrieunternehmen die Flexibilisierung des Arbeitsrechts als wichtigen oder sehr wichtigen Politikbereich ansehen (Hölzl et al. 2016). Mit keinen anderen staatlichen Leistungen oder Behörden sind die befragten Unternehmen unzufriedener als mit dem Bereich „Arbeitssicherheit und Arbeitsplatzregulierung“.
Im europäischen Vergleich gehört Österreich nicht zu den flexibelsten Ländern in Sachen Arbeitszeit. Eine Reihe von vergleichbaren Volkswirtschaften, darunter Dänemark oder Schweden, kennen keine gesetzlich geregelte tägliche Höchstarbeitszeit oder haben eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 13 Stunden. In diesen Ländern besteht zudem mehr Spielraum auf betrieblicher oder kollektivvertraglicher Ebene. Andere Staaten wiederum kennen keinen gesetzlichen Überstundenzuschlag, wie Deutschland.
Flexiblere Arbeitszeiten bieten die Chance, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken (Hofer und Davoine 2017). Attraktive Arbeitszeitmodelle können zudem im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte ein Vorteil sein.
Problem
Das österreichische Arbeitsrecht gilt selbst unter Fachjuristen als übermäßig komplex und bürokratisch. Zugleich ist die Produktion individueller geworden und Unternehmer sind stärker als früher von Auftragsspitzen abhängig. Just-in-time-Produktion und -Lieferung sind ebenso üblich geworden wie flexiblere Arbeitsformen im Dienstleistungsbereich oder besondere Erfordernisse von Start-ups. Flexibilität gibt es entweder durch weitreichende Betriebsvereinbarungen, Kollektivverträge oder durch das gemeinschaftliche Ignorieren der Regelungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie Arbeitsrechtjuristen immer wieder bestätigen.
Lösung
Die tägliche Höchstarbeitszeit soll auf zwölf Stunden erhöht werden und damit an vergleichbare Volkswirtschaften angeglichen werden. Es sollen rechtlich klare und flexible Lösungen gefunden werden, die es Unternehmen und ihren Mitarbeitern ermöglichen, auf betrieblicher Ebene passende Lösungen für die spezifischen Arbeitszeiterfordernisse zu finden, ohne die persönlichen Bedürfnisse der Beschäftigten außer Acht zu lassen.
- Autor: Wolfgang Nagl, Lukas Sustala
- Themen: Arbeitszeit, Flexibilität
- Datum: 29. Juni 2018