Innenpolitik

Endlich weniger arbeiten!

Der ÖGB findet, dass lange Wochenenden nicht die Ausnahme sein sollten, sondern die Regel. „Brilliant idea, but awfully bad timing!”, wie der Brite sagen würde.

Während es in der Welt an allen Ecken und Enden brennt, geht in Österreich alles seinen gewohnten Gang. „Diese Woche wird für viele Menschen eine kurze Woche – das könnte immer so sein! Deshalb setzen wir uns für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ein!“, wie der Österreichische Gewerkschaftsbund am Freitag nach Christi Himmelfahrt verkündete. Das Timing könnte freilich besser sein: In der Ukraine eskaliert der Krieg, die Weltwirtschaft taucht gerade in eine konzertierte Rezession ab, im Inland schießen die Preise durch die Decke, tausende Unternehmen finden keine Mitarbeiter mehr – und der ÖGB sieht die Zeit gekommen, endlich weniger arbeiten zu lassen.

In der Ukraine eskaliert der Krieg, die Weltwirtschaft taucht gerade in eine konzertierte Rezession ab, im Inland schießen die Preise durch die Decke, tausende Unternehmen finden keine Mitarbeiter mehr – und der ÖGB sieht die Zeit gekommen, endlich weniger arbeiten zu lassen.

Dabei ist noch nicht ganz klar, wie das konkret aussehen soll. Sollen die Beschäftigten in diesem Land künftig einen freien Tag pro Woche zusätzlich wählen dürfen? Also zum Beispiel den Freitag oder den Montag, um die Wochenenden zu verlängern? Oder wird jeder Donnerstag zum wöchentlichen Feiertag erklärt? Das wäre vermutlich die ideale Lösung, schließlich könnte der Freitag zum offiziellen Home-Office-Tag erklärt werden. Den könnte man dann mit ein wenig „E-Mails-checken“ schon irgendwie runterbiegen. Womit die reguläre Arbeitswoche für die meisten Beschäftigten in diesem Land auf dreieinhalb Tage reduziert wäre. Das wäre höchst an der Zeit, die Realität ist schließlich hart genug. 

Verkürzte Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich haben eine unerfreuliche Nebenwirkung: Sie verteuern den Faktor Arbeit. Das wäre nicht weiter tragisch, würde auch die Produktivität der teurer werdenden Mitarbeiter im selben Ausmaß steigen wie deren Arbeitskosten. Die Beschäftigten müssten also in vier Tagen das erwirtschaften können, was sie bisher in fünf Tagen geschafft haben. Eine Pflegekraft kann die Arbeit von fünf Tagen aber nicht in vier Tagen erledigen. Dasselbe trifft auf Polizisten, Lehrer, Köche und viele andere Berufe zu. Gelingt es aber nicht, die Produktivität deutlich nach oben zu schrauben, schrumpft der Wohlstand der Bevölkerung. Ganz einfach deshalb, weil viele Menschen in anderen Teilen der Welt derzeit eher mehr als weniger arbeiten und generell über eine günstigere Kostenstruktur verfügen. Steigen also hierzulande die Kosten, weil für vier Tage Arbeit dasselbe zu bezahlen ist wie für fünf, haben Anbieter aus anderen Ländern einen noch stärkeren Kostenvorteil. Sie werden den österreichischen Anbietern Kunden abjagen, womit nicht nur Umsätze und Gewinne verloren gehen, sondern letztlich auch Arbeitsplätze. 

Unerfreulicherweise ist es so, dass das Produktivitätswachstum in der jüngeren Vergangenheit deutlich nachgelassen hat. Es geht mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Null-Linie. Schaffen es die Unternehmen aber trotzdem, ihren Kunden höhere Lohnkosten weiterzureichen, steigen die Preise. Bei einer Teuerungsrate von acht Prozent mit einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich weitere Preisschübe auszulösen, erscheint mir jedenfalls eine ziemlich gewagte Strategie zu sein.

Nun könnte uns natürlich eine Produktivitätsexplosion aus der Misere retten. Aber die ist derzeit bestenfalls im Silicon Valley zu erwarten – und das liegt leider nicht in Österreich.

Hinzu kommt, dass die Bewohner dieses Landes ihre Arbeitszeit ohnehin schon deutlich verkürzt haben. Auch ganz ohne Vier-Tage-Woche wurden in Österreich im Jahr 2019 (also vor dem Ausbruch der Pandemie) um knapp zehn Prozent weniger Arbeitsstunden pro Kopf geleistet als zu Beginn des Jahrtausends. Mit anderen Worten: Wir haben zwar eine hohe Erwerbsbeteiligung, aber die Menschen leisten immer weniger Arbeitsstunden. Das hat sehr viel mit dem Teilzeit-Boom und dem immer stärker werdenden Fokus auf eine möglichst ausgewogene „Work-life-balance“ zu tun.

Als wäre das nicht alles schon genug, macht uns auch noch die demografische Entwicklung einen Strich durch die Rechnung. Allein bis 2070 wird die Lebenserwartung der Bevölkerung um sieben Jahre steigen. Bereits in dreißig Jahren wird die Zahl der Pensionisten um knapp eine Million angestiegen sein. Die Rentner werden dann vermutlich jeden Monat angstvoll ihren Kontostand checken, um zu sehen, ob ihre Pension schon auf dem Konto ist. Es ist nämlich noch nicht klar, ob die immer weniger werdenden Erwerbstätigen die Pensionen des stark wachsenden Rentnerheeres noch erwirtschaften können. Die Einführung einer Vier-Tage-Woche würde das Problem verschärfen.

Schon jetzt können geschätzte 250.000 Jobs nicht besetzt werden. Hinzu kommen die anstehenden Pensionierungen vieler geburtenstarker Jahrgänge. Nun könnte uns natürlich eine Produktivitätsexplosion aus der Misere retten. Aber die ist derzeit bestenfalls im Silicon Valley zu erwarten – und das liegt leider nicht in Österreich. Weshalb wir uns zumindest mit dem Gedanken anfreunden sollten, in Zukunft wieder mehr, statt weniger zu arbeiten. Der Staat sollte das mit steuerlichen Anreizen unterstützen. Damit die Menschen freiwillig später in Frühpension gehen und bereit sind, mehr Stunden in der Woche zu arbeiten. Das wird nötig sein, wenn wir alle unser aktuelles Wohlstandsniveau halten wollen. 

Kolumne von Franz Schellhorn für “profil” (04.06.2022).

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