Die Frohbotschaft von der Arbeiterkammer
- 11.12.2021
- Lesezeit ca. 2 min
Alles wird gut. Arbeiterkammer und ÖGB haben gute, vorweihnachtliche Nachrichten zu überbringen: Es gäbe absolut keinen Grund, sich um unser Pensionssystem zu sorgen. Schließlich werden laut Langfristgutachten der Pensionskommission die notwendigen Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Pensionsversicherung, die heuer bei 6,1 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, bis 2070 nur unwesentlich auf 6,5 Prozent steigen.
Kein Problem, oder? Solange alle Annahmen stimmen. Bis 2070 wird aber noch einiges passieren. So viel ist sicher. Was hingegen nicht sicher vorhersehbar ist: Wie sich die Wirtschaftslage bis dahin entwickeln wird. Der Bericht der Kommission rechnet mit einem durchschnittlichen realen Wirtschaftswachstum von 1,35 Prozent pro Jahr. Dieser Wert scheint aus der Perspektive der letzten Dekade durchaus vernünftig zu sein. Bei einer längeren Betrachtung sehen wir aber, dass das jährliche Wirtschaftswachstum tendenziell sinkt. Zwischen 1970 und 1980 wuchs die Wirtschaft durchschnittlich um 3,6 Prozent pro Jahr, zwischen 1990 und 2000 um 2,6 Prozent, zwischen 2010 und 2019 aber nur mit 1,5 Prozent. Daher scheint das angenommene Wirtschaftswachstum auf den zweiten Blick sogar optimistisch. Klar ist: Niemand weiß, wie hoch die Wirtschaftsleistung in 50 Jahren sein wird.
Gut prognostizierbar ist hingegen die demographische Entwicklung. Die Lebenserwartung der Österreicher wird bis 2070 um rund siebeneinhalb Jahre steigen. Bleibt das System unverändert, werden wir also im Schnitt um so viele Jahre länger die Pension beziehen. Zusätzlich werden wir eine Million mehr Pensionisten haben – bei bestenfalls gleicher Anzahl an Erwerbstätigen.
So werden die notwendigen Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Pensionsversicherung 7 Prozent des Wirtschaftsleistung im Jahr 2035 erreichen. Dies bedeutet um etwa vier Milliarden Euro mehr an Ausgaben im heutigen Geld. Das entspricht dem Volumen einer Steuerreform. Dabei schießen wir schon 24 Milliarden aus dem Budget in das Pensionssystem zu. Das ist jeder vierte Budgeteuro.
Auf diese demografische Veränderung kann man sich vorbereiten, wie das viele Länder auch gemacht haben. Das Pensionssystem sollte an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Das Pensionsantrittsalter sollte ab sofort jedes Jahr um zwei Monate angehoben werden. Andere Länder wie die Niederlande gehen noch schneller vor, aber die Steigerung um zwei Monate pro Jahr ist zumindest notwendig, um die erhöhte Belastung durch längere Lebenserwartung und die Babyboomer-Generation abzufangen.
Was würde das für Österreich bedeuten? Das Langfristgutachten zeigt, dass die notwendigen Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Pensionsversicherung um 1,5 Prozentpunkte sinken würden. Dieses Geld werden wir brauchen, denn auch das Pflegesystem will finanziert werden. Im Jahr 2070 werden in Österreich um eine halbe Million mehr Personen über 85 leben. Heute sind es „nur“ 200.000. Damit dann wirklich alles gut ist, müssen wir jetzt handeln – statt den Kopf in den Sand zu stecken, wie AK und ÖGB das tun.
Kolumne von Denes Kuscera für “Kurier” (10.12.2021).
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