E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
- 27.11.2023
- Lesezeit ca. 3 min
Die öffentliche Hand geht online
Bleiben wir erst einmal bei der halbwegs guten Nachricht: Für sehr viele öffentliche Dienstleistungen gibt es inzwischen digitale Angebote. Den meisten dürfte wohl FinanzOnline bekannt sein. Auch MeineSV werden viele schon benutzt haben. Die Gesundheitsdatenbank ELGA kennen wir spätestens seit Corona; auch die elektronische Verschreibung von Medikamenten über die E-Card ist mittlerweile geläufig. Und es gibt viele weitere digitale Anwendungen, mit denen man – je nach Lebensphase – Bekanntschaft machen kann, wie JustizOnline, e-zoll oder dem digitalen Babypoint.
Auch internationale Rankings weisen die öffentliche Verwaltung in Österreich meist als zumindest durchschnittlich aus. Der Abstand zum absoluten Spitzenfeld ist jedoch groß. Im wichtigen Digital Economy and Society Index (DESI) landete Österreich 2022 auf Platz 10. Im aktuellen eGovernment-Benchmark der Europäischen Kommission erreichen wir in Bezug auf digitale Dienste für die Bürger den 14. Platz in der EU; bei den Dienstleistungen für Unternehmen ist es Platz 15. Den längsten Zeitraum umfasst der E-Government Development Index (EGDI) der Vereinten Nationen. In diesem weltweiten Ranking kommt Österreich seit bald zwei Jahrzehnten um den 20. Platz herum, zu liegen (siehe Abb. 1).
Vor allem im globalen Maßstab ist das solide. Es hätte schließlich auch so laufen können wie in Deutschland, das bei der digitalen Verwaltung inzwischen völlig den Faden verloren hat. Doch mit den vorderen Plätzen der Rankings haben auch wir nichts zu tun. Dort liegen in der Regel Länder wie Dänemark oder Finnland. Diesen Rückstand aufzuholen, wird schwer. Aber es geht: Viele Staaten verzeichneten zuletzt gigantische Fortschritte. Estland und Finnland haben seit 2003 jeweils acht Plätze gut gemacht. Österreich muss sich mit Rang 20 also nicht abfinden, wenn man die richtigen Schritte setzt. Aber was sind nun die richtigen Schritte?
Your ID, please!
Die Erfahrung in den Ländern an der Spitze lehrt: Dreh- und Angelpunkt von E-Government ist eine digitale Identität. In Österreich wäre das im Idealfall die ID-Austria. Haben Sie nicht? Dann gehören Sie zur übergroßen Mehrheit im Land (siehe Abb. 2). In den nordischen Ländern oder in Estland verfügen dagegen praktisch alle Bürger über eine e-ID und nutzen sie auch ausgiebig. Wie haben die das geschafft?
Der Schlüssel zum Erfolg war in jedem Land ein anderer. In Finnland verwenden 90 Prozent der Menschen einfach ihre Bankidentifikation, um digitale Verwaltungsleistungen zu nutzen. Ursprünglich hatte die finnische Regierung – ähnlich wie die österreichische – damit begonnen, eine Art Bürgerkarte auszuteilen. Die eigentlichen Vordenker waren jedoch die finnischen Banken. Sie schufen eine gemeinsame Schnittstelle, mit der sich ihre individuellen Identifikationslösungen kombinieren ließen: das Tupas-Zertifikat. Die Regierung erkannte die wachsende Beliebtheit von Tupas und übernahm es einfach für ihre eigenen Dienste. Während mit der ID-Austria versucht wurde, das Rad neu zu erfinden, zeigt das finnische Beispiel, dass Digitalisierung nicht von der Regierung orchestriert werden muss. Ähnliche Systeme gibt es in Norwegen und Schweden.
Auch in Dänemark hat die Regierung mit den Banken eine gemeinsame Identifikationslösung gefunden. Die Vorteile lagen für die Politik auf der Hand: Man bekam nicht nur einen allgemein akzeptierten Zugang zu Verwaltungsleistungen, auch die Kosten konnten mit den Banken geteilt werden. Dänemark ging allerdings noch einen Schritt weiter und machte den digitalen Briefkasten für alle Unternehmen und Bürger, die älter als 15 Jahre sind, verpflichtend. Jeder in Dänemark muss in der Lage sein, elektronische Post von den Behörden zu empfangen. Das ist wichtig, da inzwischen über 100 verschiedene Dienstleistungen ausschließlich online verfügbar sind. Was in unseren Ohren übergriffig klingen mag, war für die Dänen kein großes Thema. Schon bevor die Verpflichtung eingeführt wurde, nutzten über 96 Prozent der Menschen die elektronische Kommunikation mit den Behörden. Die starke Verbreitung und Nutzung von E-Government kam in Dänemark also nicht durch staatlichen Zwang zustande. Sie war schon vorher da, weil die Menschen den Nutzen des Angebots erkannten und damit zufrieden waren.
Estland ging einen anderen Weg. Die Regierung wählte eine Top-down-Lösung und schaffte es, die Bürger davon zu überzeugen. Fast alle e-IDs sind aktiv, werden also genutzt. Obwohl es in Estland keine verpflichtende digitale Kommunikation für die Bürger gibt, machen diese trotzdem fast alles online. Satte 99 Prozent der Steuererklärungen und der Krankheitsdaten werden elektronisch übermittelt. Sogar Dienstleistungen, deren Digitalisierung bei uns utopisch scheint, sind in Estland möglich. Fast die Hälfte der Menschen macht zum Beispiel per Mausklick von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Man kann online heiraten und sich ab dem nächsten Jahr sogar online wieder scheiden lassen. Damit werden dann 100 Prozent aller Regierungsdienstleistungen digital möglich sein.
Hobn’S an Ausweis?
Und in Österreich? Die digitale Identität ist bei uns eine Dauerbaustelle. Nur wenige dürften sich noch an die Bürgerkarte erinnern, die 2005 eingeführt wurde und nie über ein paar Tausend Nutzer hinauskam. Seit 2009 gibt es die Handysignatur, die nun in die ID-Austria überführt werden soll. Doch wirklich angekommen sind auch diese Angebote in der Bevölkerung nicht. Nur knapp drei Millionen Menschen verfügen über die Handysignatur; dabei hatte Corona schon deutlich nachgeholfen. Mit der ID-Austria wollten sich bisher erst rund 700.000 Bürger vertraut machen. Und zu spät kommt dieses Angebot auch noch: Der Rechnungshof übte zuletzt scharfe Kritik am Einführungsprozess der ID-Austria, der offensichtlich umfangreich verstolpert wurde. Das Projekt liegt um dreieinhalb Jahre hinter dem Zeitplan. Eine fehlende Gesamtplanung und die mangelhafte Projektabstimmung zwischen den Ressorts machten vor allem externen Dienstleistern das Leben schwer und kosteten am Ende Geld und Zeit.
Geld spielt in Österreich bekanntlich nur eine untergeordnete Rolle, aber Zeit verplempern sollten wir nicht, wenn wir nicht weiter zurückfallen wollen. Derzeit bringt es die ID-Austria auf ein paar Tausend App-Freischaltungen pro Tag. Wenn es in dieser Geschwindigkeit weitergeht, wird es noch Jahre dauern, bis jeder Österreicher wenigstens theoretisch in der Lage ist, mit den Behörden digital zu kommunizieren. Die Lösung der nordischen Staaten ist für Österreich auch keine Option; hierzulande nutzen nur 73 Prozent der Menschen überhaupt Online-Banking.
Fußnoten
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