Den Wirtschaftsstandort ein bisschen kaputtmachen. Aber richtig. 

Die österreichische Wirtschaft stagniert. Damit sich wieder etwas bewegt, muss ein Mentalitätswechsel her. Werden wir dazu bereit sein? 

„Österreich schleppt sich aus der Rezession.“ So treffend übertitelte das Wifo im Herbst seine damalige Wirtschaftsprognose. Immerhin dürfte dieses Jahr tatsächlich mal wieder ein Plus vor der Null stehen, doch die Europäische Kommission sieht in ihrer Prognose bis 2027 fast alle EU-Länder vor uns. Selbst wenn es nicht schlechter läuft als nun prognostiziert, werden wir bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf erst 2027 wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen. Ist das schon Wachstum? 

Überspringen wir doch einfach die Stelle, wo man einer satten Wohlstandsgesellschaft erklären müsste, warum Wirtschaftswachstum überhaupt notwendig ist – und sei es nur zu dem Zweck, dass ihr der Schuldenberg nicht über die Ohren wächst. Doch nicht nur das wozu, auch das Bewusstsein für das wie scheint uns entfallen zu sein. Wer nämlich glaubt, Wachstum sei ein Spaziergang im Park, an dessen Ende anstrengungsloser Wohlstand steht, der täuscht sich. Damit eine Volkswirtschaft wachsen kann, muss sie sich technologisch ständig weiterentwickeln. Sie muss mit dem Neuen flirten, dass es nur so knistert; das Alte muss sie ziehen lassen, damit für das Neue Platz wird. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter nannte diesen Prozess einst „schöpferische Zerstörung“. 

Doch ausgerechnet Österreich hat sich mit dem Alten allzu häuslich eingerichtet. Spätestens seit Corona scheint der gesellschaftliche Konsens zu sein, dass Unternehmen nicht pleitegehen und Menschen nicht arbeitslos werden dürfen. Die politischen Vehikel reichten von den üppigen COFAG-Hilfen und der Kurzarbeit über Energiekostenzuschüsse bis hin zu den vielen großen und kleinen Geldgeschenken während der Inflationskrise. Die Regierungen wechselten, der Geldfluss versiegte nie. Nur die Namen änderten sich: Die „Corona-Prämie“ wurde 2022 in „Teuerungsprämie“ und 2024 in „Mitarbeiterprämie“ umbenannt. Prämiert wird inzwischen das bloße Mitarbeitersein. 

Die Folgen dieser Politik waren messbar. Insolvenzen blieben aus; Tausende halbtote Unternehmen hingen an den Tröpfen des Finanzministeriums. Über Jahre hinweg war die Schließungsrate kaum irgendwo in der EU so niedrig wie in Österreich; spiegelbildlich waren wir bei der Neugründungsrate sogar absolutes Schlusslicht. Das Land verkrustete. Von den alten, halbtoten Betrieben war kein Wachstum mehr zu erwarten; die neuen, schnell wachsenden wurden nicht gegründet. 

Um diese Verkrustung aufzulösen, muss vor allem der Staat seine Hausaufgaben machen. Er ist es ja, der die Verkrustung aktiv betreibt und sich dafür in einem Ausmaß verschuldet, das er inzwischen gar nicht mehr so recht beziffern kann. Nur ein Staat, der sein Budget im Griff hat und nicht alle paar Wochen neue Steuerideen ventiliert, ist für Investoren interessant. Und investiert werden muss kräftig! In Zeiten von Arbeitskräftemangel und Energiewende muss nämlich kapitalintensiver und energieeffizienter produziert werden als je zuvor. Vor diesem Hintergrund ist es fatal, dass österreichische (nichtfinanzielle) Kapitalgesellschaften, die für den Großteil der heimischen Investitionen verantwortlich sind, im Jahr 2024 so historisch wenig investierten, dass gerade einmal die Abschreibungen gedeckt waren. Sie halten mit Ach und Krach das Alte am Laufen. Das Neue entsteht derweil woanders. Vielleicht dort, wo Abgabenquoten und Industriestrompreise nicht zu den höchsten der Welt zählen, und wo die Genehmigung einer Lagerhalle nicht über ein halbes Jahr dauert. 

Ein schmerzhafter Mentalitätswechsel ist nötig. Wir werden wieder lernen müssen, dass Wachstum manchmal (oder manchen) wehtun muss. Der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog sagte 1997 in seiner vielstrapazierten Ruck-Rede, sein Land müsse sich von liebgewonnenen Besitzständen verabschieden. Kann Österreich das? 

(Erstmals erschienen in „Die Presse” am 27.12.2025)

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