Wie Corona die Arbeitswelt verändert

- 18.09.2020
- Lesezeit ca. 3 min
Handlungsempfehlungen
Vertrauen als Voraussetzung: Eine produktive Zusammenarbeit über digitale Plattformen und aus der Distanz setzt eine Vertrauensbasis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber voraus. Auch ist nicht jede Tätigkeit im Homeoffice durchführbar und nicht jede Wohnung entsprechend ausgestattet. Daher kann ein „Recht auf Homeoffice“ nicht die Lösung sein.
Homeoffice-Gesetz: Durch die verstärkte Nutzung von Homeoffice und Werkverträgen werden Firmen, auch in Österreich, möglicherweise hohe Wertschöpfung produzieren, ohne dass eine einzige Person in einem Büro in Österreich sitzt. Die von der Politik beauftragten Sozialpartner beraten bereits über einen neuen Rahmen, wie sich dies ins bestehende Arbeits- und auch Steuerrecht integrieren lässt. Statt diesen Bereich aber über Regulierungen zu zerstören, sollten Vereinbarungen auf betrieblicher oder zumindest auf kollektivvertraglicher Ebene verpflichtend werden, um die Option des Homeoffice nutzen zu können. Dabei müssen gleich mehrere Aspekte neu geordnet werden, damit das Arbeitsrecht endlich ans 21. Jahrhundert angepasst wird und folglich an Trends, die uns unweigerlich begleiten werden. Aufgrund der Entwicklung und zur Sicherung des Wohlstandes in Österreich gilt es erstens, die Nutzung des Homeoffice rechtlich zu ermöglichen, und es zweitens so auszugestalten, dass sowohl Arbeitgeber, aber auch Mitarbeiter dieses Umfeld als attraktiv empfinden. Während man in Österreich noch bei der Diskussion um die „Rot-Weiß-Rot“-Karte[1] ist, verändert sich die Welt, und der rechtliche Rahmen hinkt hinterher. Die Zukunft sieht so aus, dass Arbeit im Homeoffice über nationale Grenzen hinweg und in einer Art ständig wechselnder Crowdworking-Teams organisiert wird. So können Mexikaner, Spanier und Australier gemeinsam an einem Projekt für ein österreichisches Unternehmen arbeiten. Für Firmen muss es möglich sein, legal und flexibel Arbeitskräfte auch im Ausland zu beschäftigen. Dabei sollte der Gesetzgeber aber auch auf firmenspezifische Unterschiede kontrollieren, weswegen Lösungen auf Betriebsebene zu bevorzugen wären.
- Flexibilität: Das Arbeiten von zu Hause aus wird oft als effizienter dargestellt als die Arbeit im Office. Ein Grund dafür ist, dass die Zeit besser eingeteilt werden kann. Gerade in Zeiten von Homeschooling ist es – wo das möglich ist – sinnvoll, die Arbeit in eine Zeit zu verlegen, wo die Kinder beschäftigt sind oder schlafen. Es bedarf eines flexibleren Rahmens für die Arbeitszeit. Derzeit gelten unter anderem die 11-stündige Ruhezeit zwischen zwei Tagesarbeitszeiten, absolute Arbeitszeithöchstgrenzen und die korrespondierende Verpflichtung zur Überwachung der Einhaltung dieser Grenzen, die den Arbeitgeber betrifft und mit Strafen sanktioniert ist. Dennoch gibt es den Spielraum für Anpassungen. Beispielsweise könnte das anachronistische Sonntagsarbeitsverbot für Homeoffice gekippt werden. Gleitzeit- und sonstige Arbeitszeitmodelle könnten deutlich entschlackt werden.[2] Sinnbildlich für das Verständnis von Arbeit in Österreich ist, dass vieles nicht am Ergebnis der Arbeit gemessen wird, sondern am Input – also daran, wie viele Stunden sich der Arbeitnehmer bemüht hat, für den Arbeitgeber etwas zu leisten. Die Umstellung auf klare Zielvorgaben würde den rechtlichen Rahmen des Homeoffice vereinfachen. Zudem zeigen Studien, dass Arbeitnehmer besser motiviert werden können, wenn sie anhand von Zielen gemessen werden, anstatt ihre Arbeitsmoral auf Stundenbasis zu überwachen.
- Privatsphäre: Mit dem Homeoffice verschmilzt das private mit dem beruflichen auch räumlich stärker. Die bisherige Rechtsprechung im Bereich Homeoffice und Privatsphäre entspricht dabei eher einem Herantasten durch Einzelurteile. Um der steigenden Bedeutung gerecht zu werden, sollte der bestehende rechtliche Rahmen an die Veränderungen der Arbeitswelt angepasst werden. Es muss klar sein, welche Pflichten und welche Freiräume Mitarbeiter im Homeoffice haben und inwieweit Arbeitsgeräte vom Arbeitgeber bereitgestellt oder zumindest stärker steuerlich berücksichtigt werden. Auch neue Technologien, die zur Überwachung der Remote-Arbeit genutzt werden, sind derzeit rechtlich nicht richtig verankert und benötigen neue Anpassungen, damit die Privatsphäre der Mitarbeiter geschützt wird. Dasselbe gilt für Regelungen bezüglich Ruhezeiten und Arbeitszeit. Arbeit von zu Hause aus benötigt zeitlicher Flexibilität.
Infrastruktur: Ein funktionierender und problemloser Wechsel ins Homeoffice beziehungsweise dessen verstärkte Nutzung braucht eine stabile und schnelle Internetverbindung in den österreichischen Haushalten, damit beispielsweise Videokonferenzen leichter und flüssiger durchgeführt werden können. Laut dem „Speedtest Global Index“ liegt Österreich bei der Geschwindigkeit von Breitbandinternet im europäischen Schlussfeld. Eine effektive Inanspruchnahme des Homeoffice erfordert auch die sonst weniger stark genutzte Bandbreite im Upload. Beim mobilen Internet ist Österreich zwar besser aufgestellt, diese Verbindung reicht aber für eine intensive und flächendeckende Nutzung des Homeoffice nicht aus. Aber gerade, weil die Mobilfunknetze hierzulande vergleichsweise gut ausgebaut sind, wurde das Festnetzinternet lange stiefmütterlich behandelt. Deswegen braucht es Anreize und erhöhte Investitionen in ein schnelles und ausfallsicheres Breitbandnetz. Beim Infrastrukturausbau sollte auch die geografische Kluft zwischen Stadt und ländlichen Gebieten berücksichtigt werden, um dadurch die regionalen Unterschiede nicht zu erhöhen.
Kinderbetreuung: Die Bereitstellung unterstützender Infrastrukturen, beispielsweise Kinderbetreuung, sollte neu bewertet werden. Die verstärkte Nutzung des Homeoffice sollte nicht dazu führen, dass die Kinderbetreuung reduziert wird. Möglicherweise muss die Kinderbetreuung jedoch näher am Wohnort angeboten werden. Das Angebot an Kindergärten, Tagesmüttern oder Horten gerade für Kleinkinder ist ein wichtiger Faktor bei der Beschäftigung von Frauen. Ohne ergänzende Maßnahmen zur Verbesserung der unterstützenden Infrastruktur könnte sich die Belastung insbesondere für Frauen weiter erhöhen. Mit einer flexibleren Ausgestaltung der Arbeitszeiten müssten daher auch die Öffnungszeiten für Kindergarten angepasst werden. Während in Wien fast alle Einrichtungen für Kinder an ihren Betriebstagen mindestens neun Stunden lang geöffnet sind, ist dies in Oberösterreich nur etwa ein Viertel. Zudem variiert der Anteil der ganztägigen Betreuung zwischen den Bundesländern stark: Im Jahr 2017 besuchten vier von fünf Kindern in Wien einen Kindergarten ganztägig inklusive Mittagessen, in Vorarlberg trifft dies nur auf eines von fünf Kindern zu. Österreichweit isst fast die Hälfte (49,6 Prozent) aller Kindergarten-Kinder in der Einrichtung zu Mittag und bleibt ganztags dort, 1972 war es nicht ganz ein Drittel (31,1 Prozent).
Lebenslanges Lernen: Die verstärkte Nutzung des Homeoffice macht auch eine entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter notwendig, um die digitalen Möglichkeiten entsprechend nutzen zu können. Hinzu kommt, dass auch die Entwicklungen hin zu Crowdworking und spontan zusammengestellten Teams stärker auf einzelne Fähigkeiten abzielen, die immer wieder und auch weiter geschult werden müssen. Um den Wandel besser zu begleiten, sollten daher finanzielle Anreize für Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber gesetzt werden, um entsprechende Schulungen wahrzunehmen.
Kurzarbeit: Die Kurzarbeit ist ein wichtiger Baustein, um die Krise im Zuge der Corona-Pandemie abzufedern. So liegt auch der private Konsum auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr, was auch als Erfolg der Kurzarbeit gewertet werden kann. Deutlich differenzierter wird es allerdings, wenn es um die Verlängerung der Kurzarbeit geht. In Deutschland ist diesbezüglich eine Diskussion zwischen Politik und Wirtschaftswissenschaftern entbrannt. Dem stabilisierenden Element der Kurzarbeit steht die Gefahr gegenüber, das Problem lediglich zeitlich nach hinten zu verschieben. Damit könnte es sich verstärken und zudem den Wandel, den Krisen oftmals mit sich bringen, verhindern und somit das Wachstum auf viele Jahre hinaus dämpfen. Eine Verlängerung sollte daher den Anreiz für Mitnahmeeffekte reduzieren – beispielsweise indem die Inanspruchnahme eine negative Auswirkung auf die zukünftige Steuerlast hat – und gleichzeitig das Schaffen neuer Arbeitsverhältnisse im gleichen Ausmaß fördern, etwa durch den temporäre Erlass von Sozialversicherungsabgaben für neue Mitarbeiter durch den Staat.
Fußnoten
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