Berufliche Weiterbildung: freiwillig oder verpflichtend?
- 07.02.2017
- Lesezeit ca. 2 min
Warum Fortbildung mindestens so wichtig ist wie die Erstausbildung
Die Lehrerfortbildung nimmt in den Ländern Europas unterschiedliche rechtliche Positionen ein. Im überwiegenden Teil – in 29 von 38 Bildungssystemen[1] – ist Lehrerfortbildung als Teil der Berufspflicht verankert. In vielen Ländern ist sie auch für eine Beförderung erforderlich, wobei dies mit einer Verankerung in der Berufspflicht meist Hand in Hand geht. Die verpflichtende Lehrerfortbildung nimmt allerdings unterschiedliche Intensität an. Während Luxemburg zum Beispiel nur acht Stunden Fortbildung pro Jahr vorschreibt, liegt derselbe Wert in Serbien bei 68 Stunden.[2] In einigen Ländern, beispielsweise in Schottland, gilt die Fortbildung zwar als Berufspflicht, es wird aber keine Minimalanzahl von Stunden festgelegt, die jeder Lehrer zu absolvieren hat.
In einigen wenigen Ländern ist Lehrerfortbildung optional. In diesen Ländern wird den Lehrern eine Teilnahme an Kursen und Fortbildungen dennoch nahegelegt.
Beteiligung an Weiterbildung
Die Frage der Beteiligung an Weiterbildung wird im Eurydice-Bericht anhand von zwei verschiedenen Indikatoren untersucht: der Diversität der Maßnahmen, also der verschiedenen Arten von Weiterbildungsaktivitäten (von strukturierten Kursen oder Workshops bis zur Teilnahme an Weiterbildungsnetzwerken oder Hospitationen), und der Intensität der Maßnahmen, also der Zeit, die für berufliche Weiterbildung aufgewendet wurde.[3]
Die bei Weitem häufigste Form der Weiterbildung ist die Teilnahme an zeitlich eher kurzen, formalen Kursen oder Workshops. Im Durchschnitt haben 65 Prozent der Lehrkräfte in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung an solchen Maßnahmen teilgenommen.
Eine Veränderung im Vergleich zu früheren Untersuchungen[4] zeigt sich daran, dass Formen der beruflichen Weiterbildung, die stärker auf gemeinsamem Arbeiten beruhen („Peer“-Ansatz) und eher aus Basis-Initia- tiven stammen (Bottom-up-Ansatz), an Bedeutung gewinnen. So stellt die Beteiligung an speziell der beruflichen Weiterbildung gewidmeten Lehrernetzwerken bereits die vierthäufigste der genannten Weiterbildungsaktivitäten dar.
Zeitliche Intensität der Weiterbildung
Die grafische Darstellung zeigt die großen Unterschiede in der zeitlichen Dauer der besuchten Weiterbildungsmaßnahmen in den europäischen Ländern. Ein bestimmtes Muster, etwa eine Korrelation zu bestimmten Typen von Bildungssystemen, lässt sich nicht feststellen. Dennoch lässt sich eine generelle Aussage treffen, wenn die zeitliche Intensität der Weiterbildung mit der Frage nach dem Status der beruflichen Verpflichtung gemeinsam betrachtet wird:[5] In Staaten, in denen die Weiterbildung nicht als Berufspflicht oder Voraussetzung für eine Beförderung gilt, liegt der Trend (gemessen in Tagen) unter dem EU-Durchschnitt. Dagegen liegen in Ländern, in denen die berufliche Weiterbildung als Berufspflicht gilt, die Werte in der Regel über dem EU-Durchschnitt. Länder, in denen die berufliche Weiterbildung zusätzlich als Voraussetzung für eine Beförderung gilt, weisen die zeitintensivsten Fortbildungen auf. Vier dieser sechs Länder, nämlich Spanien, Lettland, Portugal und Rumänien, liegen deutlich über dem EU-Durchschnitt.[6]
Niederlande: Anspruch auf berufliche Weiterbildung für 83 Stunden im Jahr
Im niederländischen Bildungssystem liegt die Verantwortung für die Organisation von Weiterbildungsmaßnahmen direkt bei den Schulen. Das Budget für Weiterbildung ist Teil des gesamten Personalbudgets und kann, wie alle anderen Budgetmittel, von den Schulen autonom verwaltet werden. Diese können ihr Weiterbildungsbudget dann für Kurse aller Art, also auch für Kurse von privaten Anbietern, verwenden. Es gibt keine zentralen gesetzlichen Bestimmungen bzw. keine stundenmäßige Verpflichtung zur Fortbildung für Lehrer, jedoch die Empfehlung dafür. Allerdings sind seit dem 1. August 2013 in den Tarifverträgen pro Lehrkraft der Anspruch auf ein jährliches Budget von 600 Euro und der Anspruch auf 83 Stunden berufliche Weiterbildung vorgesehen.[7]
Seit 2008 können sich Lehrer zusätzlich für ein Lehrerfortbildungsstipendium (teacher development grant) bewerben, das vor allem dazu dient, zusätzliche akademische Abschlüsse zu erlangen. Es ermöglicht Lehrern, sich über eine maximale Dauer von vier Jahren jeweils zwei Tage pro Woche auf das Studium zu konzentrieren, ohne dabei Gehaltseinbußen in Kauf nehmen zu müssen.[8] 60 Prozent der Lehrer, die ein solches Stipendium ausgezahlt bekamen, nahmen an einem Kurs teil, der länger als zwei Jahre dauerte.[9]
Fußnoten
- In diesem Vergleich werden die EU-28-Länder sowie die Türkei, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Norwegen, Liechtenstein und Island behandelt, wobei Belgien in drei Bildungssysteme unterteilt wird und Schottland getrennt vom Rest des Vereinigten Königreichs angeführt wird. ↩
- Vgl. Europäische Kommission/EACEA/Eurydice (2015a), S.71. ↩
- Vgl. Europäische Kommission/EACEA/Eurydice (2015a), S. 66 ff. ↩
- Etwa die TALIS-Studie von 2008. ↩
- Vgl. Europäische Kommission/EACEA/Eurydice (2015a), S. 71. ↩
- Die zwei anderen Länder sind Kroatien und die Slowakei. ↩
- Vgl. OECD (2016), S. 103. ↩
- Vgl. Ministry of Education, Culture and Science (2016), S. 12. ↩
- Vgl. Scheerens (2010), S. 149. ↩
Mehr interessante Themen
Sozialer Wohnbau: Das Vermögen der (gar nicht so) kleinen Leute
Auch wenn es niemand glauben mag: Wohnen in Österreich ist vergleichsweise günstig. Die Wohnkostenbelastung der Haushalte beträgt im Schnitt rund 19 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit liegen wir im EU-Vergleich im Mittelfeld. Mieterhaushalte zahlen natürlich mehr als Eigentümer, aber mehr als drei Viertel von ihnen profitieren hierzula
Bildungskarenz: Ich bin dann mal weg!
Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele – und wird immer teurer. An einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei.
Die Schuldenbombe tickt: Wird Österreich das neue Italien?
Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sich Staaten kostenlos verschulden, die Zinsen lagen praktisch bei null. Damit sollten den Staaten Zeit erkauft werden, sich nach der Finanzkrise zu modernisieren. Statt diese Zeit aber für Reformen zu nutzen, wurde das vermeintliche Gratisgeld mit beiden Händen ausgegeben. Österreich muss seinen Ausgabenrausc
Was die Preise in Österreich so aufbläht
Die Inflation in Österreich hält sich hartnäckig. Fast acht Prozent waren es im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 werden vier Prozent vorhergesagt. Während viele andere Länder schon aufatmen können, ist die Inflationskrise für uns also noch nicht vorbei. Warum tut sich gerade Österreich so schwer? Wir prüfen drei Thesen.
Balken, Torten, Kurven Zweitausenddreiundzwanzig
Die Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren war vorbei, die Wirtschaft zeigte sich nach den verheerenden Corona-Jahren in bester Laune, nur die hohe Teuerung hat uns die gute Stimmung verdorben (vom Finanzminister einmal abgesehen – der freute sich).
E-Government: „Hobn’S kan Ausweis?“
Die öffentliche Verwaltung soll digitalisiert werden. Das verspricht die Politik seit Jahren. Diverse Angebote gibt es bereits, doch der große Durchbruch wollte bisher nicht gelingen. Das liegt nicht nur an der Regierung. Auch die Bürger müssten, im eigenen Interesse, etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung aufbringen.