Der Großhandelspreisindex für Gas ist seit Juni des letzten Jahres auf das Fünffache gestiegen. Der Großteil der Teuerung ist noch gar nicht bei den Endverbrauchern angekommen, weil die Energieversorger steigende Einkaufspreise mit Zeitverzögerung an ihre Kunden weitergeben. Dennoch ist in Österreich bereits eine Art Wettbewerb über die Frage entbrannt, wie den Bürgern am besten zu helfen wäre. Eine Strompreisbremse soll es nun im Herbst richten. Aber ist das der richtige Weg? Soll die Politik überhaupt weiter eingreifen? Welche Folgen hätte ein Rechnungsdeckel? Die Agenda Austria liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Braucht es eine staatliche Bremse für die Strompreise?
Die österreichische Bundesregierung hat ab Herbst eine „Strompreisbremse“ angekündigt. Diese soll inhaltlich auf dem Rechnungsdeckel von WIFO-Chef Garbiel Felbermayr basieren und die Stromrechnungen der heimischen Haushalte deckeln, sofern der Verbrauch eine bestimmte Menge nicht übersteigt. Neben technischen Umsetzungsschwierigkeiten tun sich aber viele Fragen auf: Wie viel des Stromverbrauchs soll der Staat subventionieren? Wie soll er ausbezahlt werden?
Die wichtigste Frage ist aber, warum gleich alle Bürger in den Genuss einer staatlichen Unterstützung kommen sollen – auch jene, die es gar nicht nötig haben. Der Staat hat schließlich kein eigenes Geld, er verteilt nur das von den Bürgern kassierte um. Dieses System kann aber nicht funktionieren, wenn alle Empfänger sein wollen. Am Ende muss der Zuschuss finanziert werden. Und so werden sich die Bürger ihre Hilfszahlungen doch wieder selbst zahlen. Oder noch schlimmer: Sie lassen die Rechnung den nächsten Generationen zukommen. Wir von der Agenda Austria empfehlen, sich bei den Hilfszahlungen ausschließlich auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren, statt mit der Förder-Gießkanne durch das Land zu spazieren.
Insgesamt sollten folgende Kriterien immer Berücksichtigung finden:
- Treffsicherheit: Steigende Kosten belasten alle. Menschen mit höheren Einkommen zahlen nominell sogar mehr. Aber sie können sich die hohen Preise auch eher leisten. Der Sozialstaat ist nicht dafür gedacht, jeden Wohlstandsverlust zu kompensieren. Er soll lediglich Notlagen verhindern.
- Wenig Bürokratie: Für eine hohe Treffsicherheit sind oftmals Informationen über Verbrauch, Kosten und Einkommen notwendig, die dem Staat nicht direkt zur Verfügung stehen. Es muss daher ein Weg gefunden werden, wie die Entlastungspakete möglichst treffsicher gestaltet werden, ohne dafür eine aufwendige Bürokratie auf den Plan zu rufen. Das Beispiel des Energiebonus zeigt, dass nicht jede gut gemeinte Idee auch in der Praxis funktioniert. Einen ersten Orientierungspunkt für Hilfsangebote bieten bereits bestehende Sozialleistungen, wie zum Beispiel die Mindestsicherung, Wohnbeihilfe oder Mindestpension. Aber auch Geringverdiener sind stark gefordert. Auf sie darf nicht vergessen werden, sonst sinkt der finanzielle Anreiz, einer Arbeit nachzugehen. Die Ausweitung der Negativsteuer wäre ein guter Weg, um Erwerbstätige mit geringem Einkommen zu entlasten.
- Hohe Geschwindigkeit: Die Preise sind bereits gestiegen. Die Kosten für Güter des täglichen Bedarfs sind deutlich höher als vor einem Jahr, und einige Haushalte werden auch bereits Nachzahlungen für Strom und Gas entrichtet haben. Daher sollten die Hilfen schnell fließen.
- Das richtige Maß: Wenn Menschen die Stromrechnung nicht mehr zahlen können, weil sich die Preise verdoppelt haben, brauchen sie Hilfe. Das heißt aber nicht, dass ihnen das Vierfache der Stromrechnung zu erstatten ist. Je mehr Geld der Staat verteilt, desto größer wird die Gefahr, dass er damit die Inflation noch weiter anheizt, weil er die Nachfrage künstlich hochhält.
- Gute Übersicht: Mitte des Jahres sollten keine Programme auf einzelne Bereiche abzielen. Die Strom- und Gaspreise sind gestiegen, aber auch die Kosten für Lebensmittel und viele andere Produkte haben stark zugelegt und werden noch weiter steigen. Statt für jeden Teilbereich und jedes Bundesland eine eigene Lösung zu suchen, sollte die Gesamtsituation berücksichtigt werden, damit das System übersichtlich und leicht steuerbar bleibt.
- Politische Zurückhaltung: In den nächsten Monaten stehen mehrere Wahlen auf dem Programm. Doch Wahlkämpfe eignen sich nicht für Sozialpolitik. Wer als Politiker um Stimmen wirbt, erliegt zu leicht der Verlockung, die eigenen Wähler mit Geschenken zu ködern. Diese ist aber selten genau jene Gruppe, die die Hilfen am nötigsten braucht. Noble Zurückhaltung wäre also angebracht.
- Erhaltung von Sparanreizen: Da Russland kein vertrauenswürdiger Lieferant mehr ist, wird Österreich der Gasknappheit vor allem durch den Ausbau alternativer Energiequellen, aber auch durch Sparen entkommen. Daher sollten die Preissignale erhalten bleiben. Damit die Haushalte rechtzeitig mit dem Sparen anfangen können, sollten sie von den Energieversorgern so früh wie möglich über die zu erwartenden Kosten informiert werden.