Zur Methodologie der Agenda Austria
- 03.03.2017
- Lesezeit ca. 2 min
Auch wenn sich die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich weitgehend erklären lassen, bleiben sie ein Problem.
Die OECD[1] hat in den Jahren 2011 und 2012 eine internationale Studie durchgeführt, um die Kompetenzen Erwachsener zu vergleichen: Das International Assessment of Adult Competencies (PIAAC). Die Agenda Austria verwendet für ihre Untersuchung zum Gender Pay Gap den Datensatz dieser Studie. Er umfasst 4.810 Einzelbeobachtungen, einschließlich detaillierter Angaben über Ausbildung, Fähigkeiten, Einkommen und Familienhintergrund. Nach dem Ausfiltern von Beobachtungen mit fehlenden Daten umfasst die für die vorliegende Studie untersuchte Probe etwa 2.200 Beobachtungen.
Die Agenda Austria analysiert, ob es Zusammenhänge zwischen der Höhe der Stundenlöhne der befragten Personen und ihren verschiedenen Eigenschaften gibt. Diese sind zum einen – ganz klassisch – persönliche Charakteristika wie etwa das Alter, die Arbeitserfahrung oder die Anzahl der Kinder. Zudem werden die üblichen Job-Angaben wie etwa Status, Unternehmensgröße, Sektor oder die wöchentliche Arbeitszeit auf ihre Auswirkung auf die Stundenlöhne hin überprüft.
Da Bonuszahlungen oftmals ergebnis- oder leistungsabhängig bezahlt werden und meist das Ergebnis individueller Verhandlungen sind, könnte in diesem Bereich möglicherweise diskriminiert werden. Um das herauszufinden, untersucht die Agenda Austria auch die Zusammenhänge zwischen diesen Eigenschaften und der Lohnhöhe deshalb sowohl für die Bezahlung der Befragten inklusive aller Bonuszahlungen als auch ohne die Berücksichtigung gesonderter Boni. Und natürlich wird auch zwischen den verschiedenen Einkommensklassen differenziert, um ein präziseres Bild davon zu zeichnen, wo Unterschiede gemacht werden und wo schon mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern erreicht ist.
Der größte Unterschied zwischen dieser Studie und allen anderen Untersuchungen zum Gender Pay Gap für Österreich liegt in der Überprüfung einer wichtigen Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Lohnhöhe und den verschiedenen Fähigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Denn Fähigkeiten wie etwa das Dazulernen in der Arbeit, die Bereitschaft zur Weiterbildung, numerische Fähigkeiten, Planung, Schreiben oder Lesen könnten sich auf die Stundenlöhne der Befragten auswirken – und dieser Aspekt kann in der Regel bei der Verwendung anderer Datensätze nicht berücksichtigt werden. Was damit gemeint ist, zeigt folgendes Beispiel: Eine Frau mit Universitätsabschluss arbeitet in einem Architekturbüro als Assistenz, ihr Einkommen wird im unbereinigten Gehaltsvergleich mit ihrem männlichen Kollegen verglichen, der gleichzeitig mit ihr im Büro als Architekt zu arbeiten begonnen hat. Verglichen werden müsste das Arbeitseinkommen der Akademikerin allerdings nicht mit dem Architekten, sondern mit ihrem männlichen Assistenzkollegen, der über dieselbe Arbeitserfahrung verfügt.
Dasselbe gilt auch für das so genannte Skills-Matching, mit dem analysiert wird, ob die Qualifikationen der Befragten den Anforderungen ihres Jobs entsprechen, ob sie also unter- oder überqualifiziert oder gerade richtig sind für den Job, den sie ausführen. Überqualifizierte werden also mit Überqualifizierten und Unterqualifizierte mit Unterqualifizierten verglichen. Um beim oben angeführten Beispiel zu bleiben: Die für den Job überqualifizierte Akademikerin wird mit einem ebenfalls überqualifizierten Akademiker verglichen, der über dieselben Fähigkeiten und dieselbe Arbeitspraxis verfügt und ebenfalls als Assistent sein Geld verdient.
Anders als in anderen Studien berücksichtigt die Agenda Austria zudem die so genannte Selbst-Selektion der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In der ökonomischen Theorie gibt es eine bestimmte individuelle Lohnhöhe, unter der eine Person keinen Job annimmt oder keine zusätzlichen Stunden arbeitet. Liegt der angebotene Lohn unter dieser persönlichen Grenze, wird auf die Jobaufnahme oder die Erhöhung der Arbeitszeit verzichtet. In der Regel trifft dies auf weniger qualifizierte Arbeitnehmer zu und jene, die Sozialleistungen erhalten, wie etwa Familienleistungen. In Österreich sind dies vor allem die Frauen. Daher besteht die Gefahr, dass manche weniger produktive Frauen im Niedrigverdiener-Bereich aus der Analyse herausfallen. Das bedeutet, dass in einer Statistik, in der Löhne und Gehälter von Frauen und Männern verglichen werden, zwei Gruppen miteinander verglichen werden, die gar nicht miteinander vergleichbar sind: Die Gruppe fast aller Männer mit einer Gruppe nur ausgewählter Frauen, nämlich jener, die produktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen.
Der Pay Gap fiele bei einer solchen Schätzung geringer aus, als er tatsächlich ist. In unserem Working Paper “Gender wage gap and the role of skills: evidence from PIAAC dataset.” wird detailliert beschrieben, wie die Agenda Austria vorgeht, um diesen Effekt zu vermeiden.
Fußnoten
- Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development). ↩
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