Und täglich grüßt die Ungleichheit

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Das neue Jahr ist noch ganz frisch, und wie jeden Jänner werden wir auch heuer Zeugen eines Empörungsspektakels: Die Nichtregierungsorganisation Oxfam veröffentlicht ihren Jahresreport, wie immer am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Und wie immer ist dieser Bericht ein niederschmetternder: Während einige wenige Menschen Reichtümer jenseits unseres Vorstellungsvermögens anhäufen, lebt die Hälfte der Welt in Not und Elend. Das ist auch nicht ganz falsch.

Vorzuwerfen ist Oxfam aber die Unterstellung, dass das eine ursächlich das andere bedinge: Die Armen sind arm, weil die Reichen reich sind. Und umgekehrt: Die Reichen sind reich, weil die Armen arm sind. Doch genau diese – falsche – Erzählung ist in breiten Teilen der Bevölkerung angekommen und gilt dort als wissenschaftlich gesichert.

Aber nicht erst seit letztem Jahr passen die Fakten so gar nicht mehr zur Geschichte, die Oxfam erzählt.

Auch heuer wird Oxfam sein Publikum mit schockierenden Botschaften versorgen. Bereits 2016 brauchte es nur acht „Superreiche“ um das Vermögen von Milliarden von Menschen der ärmeren Hälfte aufzuwiegen, dieses Jahr werden es weit über 100 Top-Vermögende sein. Sorgen um die Milliardäre muss sich freilich keiner machen. Sie sind nicht ärmer geworden, vielmehr sind die Armen schneller „reicher“ geworden. Eine erfreuliche Entwicklung, deren Erwähnung bei Oxfam möglicherweise vergeblich zu suchen ist.

Aber wie konnte es dazu kommen? Der Anteil der Menschen mit einem Vermögen zwischen 10.000 und 100.000 US-Dollar verzeichnete im letzten Jahr den höchsten Anstieg seit der Jahrtausendwende. Dies ist insbesondere auf die positive Entwicklung in den Wachstumsmärkten, speziell in China, zurückzuführen.

Aber nicht erst seit letztem Jahr passen die Fakten so gar nicht mehr zur Geschichte, die Oxfam erzählt: Entfielen im Jahr 2000 noch 88,5 Prozent des Gesamtvermögens auf die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung, waren es 2019 knapp 81,7 Prozent. Auch beim Anteil des obersten Prozents gab es einen leichten Rückgang. Die Verteilung der Vermögen ist immer noch ungleich, aber die Ungleichheit ist entgegen der Oxfam-Behauptung weltweit gesunken. Und so schreibt die Credit Suisse, Datengeber der Oxfam-Berechnung, in ihrem aktuellen Bericht: „According to the latest and most reliable source data – global wealth gaps have generally narrowed over the last two decades“.[1]

Eine gute Geschichte bleibt nur Fiktion, wenn die Realität ignoriert wird

In der Bevölkerung werden diese erfreulichen Entwicklungen aber nicht wahrgenommen. Das liegt vermutlich auch daran, weil sie auf allen Kanälen mit schlechten Nachrichten versorgt wird. Einer Bertelsmann-Studie zufolge sind zwei Drittel der in der EU lebenden Bevölkerung der Meinung, dass die Welt früher besser gewesen sei.[2] Obwohl es zu keiner Zeit der Geschichte einen derart hohen und breiten Massenwohlstand gegeben hat. Abgesehen davon: Wenn die Menschen von heute eine Zeitmaschine hätten, in welches Zeitalter würden sie gerne reisen? In den düsteren Feudalismus, in dem der, der arm geboren wurde, auch arm gestorben ist? Ins 18. Jahrhundert, mit seinen unzähligen Kriegen und Hungersnöten in Europa? Oder ins 19. Jahrhundert, wo die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa bei 35 Jahren lag? Zu den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts oder den nuklearen Bedrohungen des Kalten Krieges? Wann genau das Leben besser gewesen sein soll, weiß dann doch keiner so genau zu beantworten.

Das Leben auf dem Planeten Erde ist nachweislich besser geworden, nicht schlechter.

Auch andere Umfragen verdeutlichen, dass die öffentliche Wahrnehmung heute verzerrt ist. Geschichte wird anders erinnert, als sie tatsächlich war. Der schwedische Wissenschaftler Hans Rosling zeigt in seinem Buch „Factfulness“, dass wir unsere Gegenwart überdramatisieren, die Armut über- und den Fortschritt völlig unterschätzen. Auch sein Landsmann Johan Norberg führt in seinem Buch „Progress“ vor Augen, wie viel Fortschritt wir Menschen in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich erleben durften.

Es ist deshalb höchste Zeit, sich auf die Fakten zu konzentrieren: Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich mehr Menschen aus der Armut befreit, als die USA und Europa über Einwohner verfügen. Schätzungsweise konnten 1,2 Milliarden Menschen ihren Lebensstandard verbessern. Ihr Bildungsgrad ist höher, ebenso ist ihr Gesundheitszustand besser. Das Leben auf dem Planeten Erde ist nachweislich besser geworden, nicht schlechter.[3]

Diese Information kommt aber anscheinend nur bei wenigen Menschen an. Nur einer von zehn Deutschen denkt, dass die Armut weltweit sinkt.[4] In den USA glauben sogar zwei Drittel, dass sie steigt.[5] Oxfam weiß, dass sich die Umstände, unter denen die Menschen heute leben, deutlich verbessert haben – denn die NGO ist weltweit hervorragend vernetzt und hat in fast jedem Land zuverlässige Partner. Auf den ersten Blick mag es daher seltsam erscheinen, dass ausgerechnet Oxfam der Öffentlichkeit die erzielten Erfolge im Kampf gegen die Armut vorenthält. Aber schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute, und bei Oxfam International machen Spenden einen wesentlichen Teil des verfügbaren Budgets von rund einer Milliarde Euro aus:[6] Knapp 40 Prozent aller Einnahmen kamen 2018/2019 so zusammen.


Fußnoten

  1. Credit Suisse (2019a).
  2. De Vries & Hoffmann (2018).
  3. Roser & Ortiz-Ospina (2017).
  4. Ipsos (2017).
  5. Barna (2014).
  6. Oxfam International (2019).
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