Betrachten wir die Verteilung der Einkommen auf globaler Ebene: Weil sich die westlichen Industrieländer in den vergangenen 200 Jahren wirtschaftlich besonders stark entwickelt haben, kommt es hier in der Tat zu einer deutlichen Spreizung. Viele Regionen in Afrika, Asien und Südamerika konnten mit der Entwicklung in Nordamerika, Europa und Japan lange nicht mithalten.
Die Einkommensspreizung ergibt sich also in erster Linie daraus, dass sich der Westen sehr schnell weiterentwickelt hat und es uns, auch hier in Österreich, heute deutlich besser geht als noch vor 200 Jahren, während in anderen Ländern diese Veränderungen zum Besseren nicht im selben Tempo vollzogen wurden und werden.
Der Gini-Koeffizient[1] der globalen Einkommensverteilung stieg im 19. und 20. Jahrhundert deshalb kontinuierlich an. Diese Entwicklung ist aber schon lange zu Ende. Etwa zum Ende des Kalten Krieges kam die Trendwende. Seither geht die Ungleichheit der globalen Einkommensverteilung wieder stetig zurück (siehe Abb. 5).
Die Globalisierung ermöglicht seither auch Regionen, an denen der Fortschritt zuvor vorbeigegangen war, eine Einbindung in die Wertschöpfungskette – allen voran den asiatischen Ländern, darunter die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt China und Indien. Wenn es nach dem langjährigen Chefökonomen der Weltbank Branko Milanović geht, sehen wir vielleicht zum ersten Mal seit der Industriellen Revolution einen Rückgang der globalen Ungleichheit.[2]
Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Unterschiede in der Einkommensverteilung sind deutlich stärker zwischen den Ländern als zwischen Arm und Reich in jedem Land isoliert betrachtet. Die Schere zwischen den industrialisierten Ländern und den Entwicklungsländern wird kleiner, während hingegen die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb eines Landes vielerorts aufgegangen ist. In China beispielsweise haben viele Menschen den Sprung aus der Armut geschafft. Die Tatsache, dass dabei auch viele äußerste Reiche hervorgingen, ließ die Ungleichheit insbesondere dort steigen. Trotz Ungleichheit geht es den Menschen in China heute deutlich besser. Gleichzeitig ist der Abstand zu den wohlhabenderen Teilen der Welt geringer geworden. Die Unterschiede in der Entwicklung zwischen den Regionen der Welt sind aber nach wie vor der Hauptgrund für die hohe Ungleichheit der Einkommen. Das durchschnittliche Einkommen in Schweden ist 71-mal höher als das durchschnittliche Einkommen im Kongo.[3]
Mit diesem Zustand sollte man sich freilich nicht zufriedengeben: Noch immer sind die Einkommen der ärmsten zehn Prozent der Österreicher höher als jene der reichsten zehn Prozent in den ärmsten Ländern. Es gibt also viel zu tun.
Das wirksamste Mittel gegen Armut, gerade in den ärmsten Regionen, ist die Globalisierung. Nur sie ermöglicht den Menschen in den ärmeren Ländern der Welt eine Teilhabe am globalen Wohlstand, weil sie ihnen die Chance bietet, sich an der weltweiten Wertschöpfung zu beteiligen.
Natürlich: Nicht alle Menschen profitieren gleichermaßen von der Globalisierung. In China, wo sehr viele Menschen aus bitterster Armut geholt wurden, sind einige Menschen auch sehr reich geworden. Die Einkommensverteilung innerhalb des Landes ist ungleicher, als sie es vor der Öffnung der Wirtschaft für den Welthandel gewesen ist. Insgesamt aber ist das durchschnittliche Einkommen in der Volksrepublik China deutlich höher als zuvor.
Die Zahl der Menschen, die in Armut leben, sinkt, die Entwicklung der globalen Einkommensverteilung ist seit den 1990er-Jahren positiv. Oxfam stellt daher auf die ungleich kompliziertere globale Verteilung des Nettovermögens[4] ab, also des Vermögens abzüglich der Schulden, und kommt zu dem Schluss, dass die Welt nicht nur ziemlich ungerecht ist, sondern auch noch immer ungerechter wird. Wer aber auf das Vorhandensein eines Vermögens abstellt, dem geht es weniger um Konsummöglichkeiten und Armut im eigentlichen Sinne. Denn das Vorhandensein eines Vermögens ergibt kein klares Bild über die tatsächlichen Lebensumstände. Zudem ist die Aussagekraft über die Verteilung von Vermögen sehr eingeschränkt, da – im Gegensatz zu den Daten über die Einkommensverteilung – die Datenlage zu Vermögen (auch in den entwickelten Ländern) sehr schlecht ist. Es sind deshalb nur grobe Schätzungen möglich.
Werden die Vermögen – unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Einschränkungen bei den Daten – dennoch im Detail betrachtet, so stößt man auf einige Überraschungen.
Bei der Einkommensverteilung ist die Sache ziemlich eindeutig: Die ärmsten Europäer sind immer noch wohlhabender als die reichsten Menschen in anderen Regionen. Ganz anders sieht das aber bei der Verteilung des Vermögens aus. Hier finden sich unter den Vermögensärmsten viele Menschen aus Nordamerika oder Europa neben Menschen aus Afrika, Asien und Südamerika wieder. Chinesen hingegen fehlen 2015 völlig und sind erst in der globalen Mitte zu finden (siehe Abb. 6). Zu den weltweit vermögensärmsten 10 Prozent gehörten 2015 den Zahlen von Credit Suisse zufolge genauso viele Menschen aus Österreich wie aus Kamerun (0,28 Prozent). Auch Burkina Faso (0,33 Prozent), eines der ärmsten Länder der Welt, stellt nur geringfügig mehr Menschen in dieser Gruppe. Die Struktur bei der Verteilung von Vermögen ist also eine völlig andere, als wir es von den typischen Wohlstandsanalysen kennen.
Kein Vermögen zu haben, bedeutet zudem keinesfalls, arm zu sein. In Österreich gibt es Menschen, die kein Vermögen haben, aber zu den Bestverdienenden des Landes zählen. Gleiches gilt auch für andere Länder. Medial kursierte hierzu etwa das Beispiel eines verschuldeten Harvard-Absolventen, der zwar eine gut bezahlte Tätigkeit ausübt, seinen Bildungskredit aber noch nicht zurückgezahlt hat. Laut der Nettovermögens-Definition zählt dieser verschuldete Harvard-Absolvent zu den Ärmsten der Armen.
Die Gründe dafür, warum Menschen kein Vermögen aufbauen, sind ganz unterschiedlich. Den einen bleibt am Ende des Monats einfach nichts übrig, um es zu sparen. Diese Menschen sind nicht nur vermögens-, sondern auch einkommensarm. Einige verzichten bewusst aufs private Sparen weil der Wohlfahrtsstaat viele ihrer Risiken ohnehin absichert, wie etwa das Auskommen im Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Andere sehen in Anbetracht der niedrigen Zinsen keinen Sinn im Sparen, sie konsumieren lieber, kaufen sich etwa ein Auto, einen neuen Fernseher oder ein Smartphone und bereisen die Welt. In manchen Regionen der Welt haben die Menschen kein Vermögen, weil im Land Krieg herrscht oder Eigentumsrechte missachtet werden. Selbst wenn sie Land und Haus besitzen, ist dieses im internationalen Maßstab oft nichts oder nur wenig wert.
Überhaupt ist der Vergleich nomineller Werte über Länder hinweg problematisch, wenn dabei nicht auch die Kaufkraft zwischen den Regionen berücksichtigt wird:[5] Mit 100 Euro kann man sich im Jemen mehr leisten als in Österreich.[6] Entsprechend sind dort auch die Vermögenspreise für Grund und Boden niedriger. Auch innerhalb Österreichs ist eine 2-Zimmer-Wohnung in Wien erheblich teurer als in Eisenstadt, obwohl diese zum Wohnen den gleichen Nutzen erfüllen. Hinzu kommt, dass sich bei internationalen Vermögensvergleichen Schwankungen in den Wechselkursen niederschlagen. Gewinnt eine Währung im Vergleich zum US-Dollar an Wert, so steigt das Vermögen an, verliert die Währung hingegen an Wert, sinkt der Wert des Vermögens. Und: Das Vermögen wächst typischerweise über das Erwerbsleben hinweg an. Dabei ist auch das Alter – global betrachtet – sehr ungleich verteilt. In Österreich ist das durchschnittliche Nettovermögen in einem Haushalt, deren Referenzperson[7] zwischen 40 und 49 Jahre alt ist, knapp dreimal so groß wie jenes, deren Referenzperson zwischen 16 und 29 Jahre alt ist.[8] In alternden Gesellschaften ist das aufgebaute Vermögen daher tendenziell größer. Das Medianalter[9] lag 2014 im Niger bei 15 Jahren, in Österreich bei 44 Jahren. Das Medianalter der heute vermögendsten 62 Menschen weltweit lag 2014 bei 70 Jahren.[10]
Kurzum: Die Vermögensanalyse ist weitaus komplexer und schwieriger als eine Analyse der Einkommensverteilung. Darüber hinaus wissen wir sehr viel weniger über die Vermögen als über die Einkommen. Die schlechte Datenlage lässt daher keine verlässlichen Aussagen zu. Eine auf eine Zahl reduzierte Analyse greift fast zwangsläufig zu kurz und birgt die Gefahr, dass auch die darauf basierenden Empfehlungen, wenngleich gut gemeint, die tatsächliche Situation verfälschen.
Fußnoten
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