Auf 326 Seiten hat das neue türkis-grüne Regierungsteam hunderte Maßnahmen gelistet, die in den kommenden fünf Jahren die Politik in diesem Land prägen sollen. Auch wenn dabei mehrfach auf Evaluierungen und Arbeitsgruppen verwiesen wird, gibt es nach Analyse der Agenda Austria mehr als 150 konkrete Maßnahmen, die tatsächlich einiges an Geld versprechen.
Insgesamt sind Steuer- und Abgabensenkungen enthalten, die zumindest rund 6,3 Milliarden Euro an jährlichen Entlastungen bringen würden. Auf der anderen Seite stehen Ausgabenerhöhungen, insbesondere im fusionierten Klima-, Umwelt- und Energieministerium, die sich auf rund 2,2 Milliarden Euro jährlich summieren.
Beide Zahlen sind Schätzungen, die auf den zahlreichen Versprechen im Programm basieren. Weil viele Ankündigungen vage formuliert sind, lassen sich für diese Maßnahmen konkrete Budgeteffekte nur schwer berechnen. Dazu kommt, dass die Regierung noch einen anderen Hebel in der Hand hat, um das Budget kurzfristig zu entlasten: Zeit. Finanzminister Gernot Blümel hat bereits angekündigt, dass die Lohn- und Einkommensteuerreform zeitlich gestreckt vollzogen wird. Ähnliches gilt für die Senkung der Körperschaftsteuer, die Reform der Kapitelertragsteuer und die Investitionen für den Nah- und Regionalverkehr – eine zeitliche Verzögerung würde den Budgetpfad deutlich beeinflussen.
Besonders konkret sind jene Maßnahmen, die sich an der bereits im Vorjahr beschlossenen „Entlastung Österreich“ (damals noch unter türkis-blauer Regierung) orientieren. Damals wurde eine maximale Steuersenkung pro Jahr von 8,3 Milliarden Euro beworben (ab 2022). Der Sozialversicherungsbonus wurde nun per 01.01.2020 eingeführt.[1] Große Teile des alten Pakets blieben aber mit dem Koalitionsende von ÖVP und FPÖ auf der Strecke und werden nun von ÖVP und Grünen umgesetzt: Die erste Tarifstufe soll von 25 auf 20 Prozent gesenkt werden, die zweite und dritte von 35 und 42 auf 30 und 40 Prozent. Zusätzlich wird der Familienbonus von 1.500 Euro auf 1.750 Euro pro Kind und der Kindermehrbetrag von 250 Euro auf 350 Euro erhöht, ansonsten bleibt das Steuersystem beim Alten.
Finanzminister Gernot Blümel hat in einigen Interviews durchblicken lassen, dass es wieder eine Steuerreform auf Etappen geben werde. Im ersten Schritt könnte demzufolge der Steuersatz der Eingangstarifstufe von derzeit 25 auf 20 Prozent gesenkt werden. Diese Entlastung bringt den Steuerzahlern nach Berechnungen der Agenda Austria rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Eine Senkung der nächsten zwei Tarifstufen auf 30 und 40 statt 35 und 42 Prozent würde inklusive Familienbonus und Kindermehrbetrag eine Entlastung von zusätzlich rund 2,4 Milliarden Euro bedeuten.
Geplant sind noch weitere Steuersenkungen: Die Reduktion der Körperschaftsteuer (KöSt) wird Unternehmen ungefähr 1,5 Milliarden Euro bringen, die Abschaffung der Mindest-KöSt wird insbesondere junge Unternehmen mit knapp 120 Millionen Euro entlasten. Die Abschaffung der Kapitalertragsteuer auf ethische und nachhaltige Investitionen schlägt für Investoren und Sparer mit rund 120 Millionen Euro zu Buche. Durch die Wiedereinführung der Behaltefrist, nach deren Ablauf Wertpapiere steuerfrei verkauft werden dürfen, würden sich Anleger rund 200 Millionen Euro ersparen. Dazu kommen noch die Abschaffung der Bagatellsteuer auf Schaumwein und weitere Maßnahmen, die zur allgemeinen Senkung der Steuerlast beitragen.
Die Effekte der Tarifreform werden allerdings merklich geschmälert. Denn Arbeitnehmer, Pensionisten und Selbständige werden Jahr für Jahr durch die kalte Progression über die normale Steuer hinaus belastet. Diese Inflationssteuer sorgt für steigende Steuersätze – ganz ohne Diskussionen darüber im Parlament oder in den Medien. Nehmen wir ein Beispiel: Eine Arbeitnehmerin, die 30.000 Euro brutto im Jahr 2016 verdient hat, zahlte zu diesem Zeitpunkt 2.528 Euro an Lohnsteuer. Wird ihr Verdienst laufend um die Inflation angehoben, bekommt sie heuer zwar um 6,8 Prozent mehr Lohn, zahlt aber um 20,3 Prozent höhere Steuern: 3.040 Euro, also rund 342 Euro „zu viel“.
Seit der letzten Steuerreform im Jahr 2016 summierte sich die kalte Progression bis dato bereits auf 3,7 Milliarden Euro. Wer die kumulierten Effekte dieser automatischen Steuererhöhung mit den Entlastungseffekten vergleicht, die eine gestaffelte Tarifreform bis 2023 entfalten könnte, wird ernüchtert. Was nach spürbarer Entlastung klingt, ist unter dem Strich zu einem Teil eben nichts anderes als die Rückgabe der Inflationssteuer.
So wie es aktuell aussieht, plant die Regierung nicht, den Spitzensteuersatz von 55 Prozent ab einer Million Euro Einkommen auslaufen zu lassen. Das ist finanzpolitisch nicht nachvollziehbar, entspricht doch das zusätzliche Aufkommen dieses Steuersatzes weniger als einem Promille der Lohnsteuereinnahmen. In internationalen Vergleichen scheint Österreich damit sogar noch klarer als Hochsteuerland auf, als es ohnedies ist. Einzig als symbolpolitische Maßnahme ist dieser Spitzensteuersatz nachvollziehbar.
Doch nicht nur Entlastungen werden Geld kosten. In den 326 Seiten stehen hunderte Maßnahmen, die an der einen oder anderen Stelle Geld vom Steuerzahler erfordern. Ganz offensichtlich ist dies beim Ausbau erneuerbarer Energien und weiteren Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass Österreich 2040 klimaneutral sein wird. Bis zu einer Milliarde Euro jährlich an Investitionszuschüssen oder Marktprämien ist etwa vorgesehen, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Dazu zählen etwa Fotovoltaik-Anlagen, die es künftig auf einer Million Dächern in Österreich geben soll.
Gleichzeitig gibt es Finanzierungszusagen für den Ausbau des Nah- und Regionalverkehrs um je eine Milliarde Euro, was zu erheblichen Mehrkosten von 400 Millionen Euro pro Jahr für das Budget führt.
Hingegen dürften viele „Ökologisierungen“ für das Budget unerheblich sein. So sollen 2020 bereits in einem ersten Schritt Flugticketabgabe, Normverbrauchsabgabe, LKW-Maut, Dienstwagenprivileg und Pendlerpauschale ökologisiert werden, wie es im Regierungsprogramm heißt. Auch wenn sich diese Abgaben oder Ausnahmen zusammen auf einen Betrag von immerhin drei Milliarden Euro summieren, so dürfte eine aufkommensneutrale Ökologisierung – die also für starke Verschmutzer mehr und für saubere Nutzer weniger kostet – das Budget weder be- noch entlasten.
Diese Regierung erbt aber auch Mehrausgaben, die im „freien Spiel der Kräfte“, also mit wechselnden Mehrheiten im Parlament vor der Nationalratswahl 2019 beschlossen wurden. Werden diese Maßnahmen nicht wieder abgeschafft, dann wird die Regierung mit rund 4,6 Milliarden Euro an Mehrkosten zwischen 2020 und 2023 konfrontiert sein.[2]
Es ist damit ziemlich offensichtlich, dass eine offensive Steuerreform, die die Abgabenquote mittelfristig senkt, deutlich größer ausfallen müsste, als im vorliegenden Regierungsprogramm angenommen. Um die Belastung des Faktors Arbeit auf EU-Niveau zu bringen, wären unserer Schätzung nach neun Milliarden Euro nötig.
Fußnoten
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