Keine Einsparungen fixiert

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Während das Regierungsprogramm im Hinblick auf Entlastungen sehr detailliert ist und immerhin umreißt, wo mehr ausgegeben werden soll, sind Einsparungen bei Ausgaben nirgends zu finden.

Viele Strukturreformen, etwa im Bereich der Pflege, einer ökologischen Steuerreform oder des Föderalismus, werden an Arbeitsgruppen verwiesen. Zudem wird die Gefahr stark steigender demografiebedingter Kosten in den nächsten fünf bis 15 Jahren kaum angesprochen. Die größten Personengruppen sind heute zwischen 48 und 57 Jahren alt, sie werden also in den nächsten Legislaturperioden ins pensionsfähige Alter kommen.

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Schätzung des Finanzministeriums, dass die Kosten für Pensionen (Pensionsversicherung plus Beamtenpensionen), Gesundheit und Pflege in den kommenden drei Legislaturperioden kräftig steigen werden – von aktuell 22,2 auf 25,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Drei Prozentpunkte des BIP entsprechen in heutigem Geldwert immerhin 12 bis 13 Milliarden Euro.

Unverändert groß sind aus Sicht der Agenda Austria die Effizienzpotenziale in der Republik. Eine Analyse der öffentlichen Ausgaben hat gezeigt, dass Österreich seine Effizienz dramatisch verbessern könnte. Ähnlich wie Finnland und Frankreich könnte der österreichische Staat seine Ausgaben deutlich senken, ohne dass die Leistungen des öffentlichen Sektors negativ beeinträchtigt wären.[1]

Abb. 3.: Während im Regierungsprogramm viele Maßnahmen für Entlastungen beschrieben sind, sind Einsparungen bei Ausgaben nirgends zu finden. So werden die Kosten für Pensionen (Pensionsversicherung plus Beamtenpensionen), Gesundheit und Pflege in den kommenden 15 Jahren kräftig steigen – von aktuell 22,2 auf 25,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Drei Prozentpunkte des BIP entsprechen in heutigen Euros immerhin 12 bis 13 Milliarden Euro.

Der Hauptgrund dieser Ineffizienz liegt im fortwährenden Wachstum der Staatsausgaben: So steigen die Löhne im öffentlichen Sektor deutlich schneller als in der freien Wirtschaft – dessen Produktivität allerdings nicht. Das wiederum macht staatliche Leistungen immer teurer, weil sich deren Stückkosten erhöhen.

Wenn die Preise im staatlichen Sektor ebenso stark gestiegen wären wie im Privatsektor, dann wäre der staatliche Konsum des Jahres 2016 gemessen am BIP um 4,18 Prozentpunkte niedriger ausgefallen. Anders gesagt: Hätten sich Löhne und Produktivität im öffentlichen Sektor genauso entwickelt wie im privaten, hätten sich die Steuerzahler allein im Jahr 2016 Ausgaben in der Höhe von 14,6 Milliarden Euro erspart.[2]

Bei Reformmüdigkeit muss der Steuerzahler ran

Trotz der Einführung des Familienbonus stagnierte die Steuer- und Abgabenquote im Vorjahr bei 42,8 Prozent des BIP.

Ohne diese Reformen wird der neue Finanzminister so wie viele vor ihm vor allem darauf angewiesen sein, dass die Steuereinnahmen weiter sprudeln. Auch wenn sich die Konjunktur merklich eingetrübt hat, so hat der Budgetvollzug bei den Steuereinnahmen für das abgelaufene Jahr 2019 bis zuletzt eine hohe Dynamik gezeigt. Trotz der Einführung des Familienbonus stagnierte die Steuer- und Abgabenquote im Vorjahr bei 42,8 Prozent des BIP.

Dafür hat etwa die kalte Progression gesorgt. Diese ist unserer aktuellsten Schätzung zufolge auf der Einnahmenseite neben der dynamischen Entwicklung bei Körperschaft- und veranlagter Einkommensteuer der wesentliche Grund dafür, dass in den Vorjahren ein ausgeglichener Staats- oder Bundeshaushalt erreicht werden konnte. Bis zum Jahr 2022 werden sich die Mehreinnahmen durch die kalte Progression bereits auf 8,5 Milliarden Euro summiert haben. Das relativiert auch die Steuersenkungen, die sich bei der Tarifreform abzeichnen, erheblich (siehe Abbildung 5). Eine Gegenüberstellung der Mehreinnahmen seit 2016 und der Maßnahmen Familienbonus 2019, Sozialversicherungsbonus 2020 sowie Lohnsteuersenkung 2021 zeigt, dass die Steuerzahler unterm Strich kaum entlastet wurden.

Abb. 4.: Eine Gegenüberstellung der Mehreinnahmen seit 2016 und der Maßnahmen Familienbonus 2019, Sozialversicherungsbonus 2020 sowie Lohnsteuersenkung 2021 zeigt, dass die Steuerzahler unterm Strich kaum entlastet wurden.

Die kalte Progression trifft jeden Steuerzahler. Die Belastung durch diese schleichende Steuererhöhung steigt mit dem Einkommen und der Zeit. Je länger das Steuersystem nicht an die Inflation angepasst wird, umso größer ist die jährliche Belastung, wie Abbildung 5 zeigt. So wird eine Person mit einem monatlichen Bruttolohn von 2.500 Euro im Zeitraum 2016 bis 2020 durch die kalte Progression mit 802 Euro belastet. 2022 liefert der gleiche Steuerzahler unfreiwillig 1.735 Euro an den Staat ab, also mehr als doppelt so viel.

Abb. 5.: Die kalte Progression trifft jeden Steuerzahler. Die Belastung durch diese schleichende Steuererhöhung steigt mit dem Einkommen und der Zeit. Je länger das Steuersystem nicht an die Inflation angepasst wird, umso größer ist die jährliche Belastung. So wird eine Person mit einem monatlichen Bruttolohn von 2.500 Euro im Zeitraum 2016 bis 2020 durch die kalte Progression mit 802 Euro belastet. 2022 liefert der gleiche Steuerzahler unfreiwillig 1.735 Euro an den Staat ab, also mehr als doppelt so viel.

Auch an anderen Stellen ist das Steueraufkommen sehr dynamisch. Als Beispiel soll hier die Immobilienertragsteuer herausgegriffen werden. Nach der Abschaffung der Spekulationsfrist auf Immobilienverkäufe 2011 konnte der Staat aus der Immobilienertragsteuer als Teil der Einkommensteuer seit 2012 außerordentlich starke Zugewinne verzeichnen. Machte ihr Aufkommen im Jahr 2012 noch knapp 220 Millionen Euro aus, waren es im Jahr 2015 bereits 416 Millionen Euro.

Als der Steuersatz mit der Steuerreform 2016 auf 30 Prozent angehoben wurde und sich der Immobilienboom in Österreich fortsetzte, stieg das Aufkommen noch einmal deutlich an. In den ersten elf Monaten des Jahres 2019 berichtete das Finanzministerium von einem Aufkommen von 710 Millionen Euro. Hochgerechnet dürfte sich das Steueraufkommen seit 2012 mehr als verdreifacht haben.

Entlastungen im Umfang von 12 bis 13 Milliarden Euro wären nötig, um die Steuer- und Abgabenquote tatsächlich auf 40 Prozent zu senken.

Angesichts der dynamischen Steuerentwicklung verdient ein Versprechen im Regierungsprogramm daher besondere Aufmerksamkeit: Türkis-grün kündigt an, die Steuer- und Abgabenlast gegen Ende der Legislaturperiode in Richtung 40 Prozent zu reduzieren. Doch was würde das unterm Strich bedeuten? Auf Basis der aktuellen Wachstumsprognosen bis 2024 des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO wäre es demnach nötig, insgesamt Entlastungen im Umfang von 12 bis 13 Milliarden Euro zu präsentieren, um die Steuer- und Abgabenquote tatsächlich auf 40 Prozent zu senken. Die im Regierungsprogramm angekündigten rund 6,3 Milliarden Euro entsprechen ungefähr der Hälfte dieser Summe und werden die Quote im Jahr 2024 auf rund 41,4 Prozent drücken. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Einnahmen bei gleichbleibender Abgabenquote von zuletzt 42,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bei 40 Prozent zum Ende der Legislaturperiode.

Es ist damit ziemlich offensichtlich, dass eine offensive Steuersenkung, die die Abgabenquote mittelfristig reduziert, deutlich größer ausfallen müsste, als im vorliegenden Regierungsprogramm angenommen. Für den Faktor Arbeit alleine müssten unserer Schätzung nach jährlich neun Milliarden Euro veranschlagt werden.[3]

Abb. 6.: Türkis-grün kündigt an, die Steuer- und Abgabenlast gegen Ende der Legislaturperiode in Richtung 40 Prozent zu reduzieren. Doch was würde das unterm Strich bedeuten? Insgesamt wären Entlastungen im Umfang von 12 bis 13 Milliarden Euro zu präsentieren, um die Steuer- und Abgabenquote tatsächlich auf 40 Prozent zu senken.

Die im Regierungsprogramm angekündigten rund 6,5 Milliarden Euro entsprechen ungefähr der Hälfte dieser Summe und werden die Quote im Jahr 2024 auf rund 41,4 Prozent drücken. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Einnahmen bei gleichbleibender Abgabenquote von zuletzt 42,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bei 40 Prozent zum Ende der Legislaturperiode.


Fußnoten

  1. Vgl. Christl et al. (2020).
  2. Vgl. Köppl-Turyna et al. (2017).
  3. Vgl. Kucsera & Sustala (2019).
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