(Partei-)Politische Scheinlösungen für leistbares Wohnen
- 30.11.2018
- Lesezeit ca. 3 min
Zum Vorschlag der SPÖ, die Mehrwertsteuer für Mieten abzuschaffen. – Kommentar von Lukas Sustala
Wohnen betrifft alle. Wer in einem Ballungsraum wie Wien wohnt, kann selbst vom knapperen Wohnraum und dem regelrechten Kampf um gute Wohnungen berichten. Signalisiert wird das gerade durch höhere Miet- und Eigentumspreise, die zusätzlich von Faktoren wie Niedrigzinsen getrieben werden.
Doch für das komplexe Problem des leistbaren Wohnraums werden mittlerweile vor allem die einfachsten Lösungen angeboten. Jüngst etwa hat die neue SPÖ-Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, die Bundesregierung „eingeladen“, die Mehrwertsteuer auf Mieten abzuschaffen. Doch dieser Vorschlag bringt eine Reihe von Problemen mit sich („Die Presse“ vom 29. 11.), ändert am Problem von zu wenig Neubauten aber nichts und am Thema der gestiegenen Kosten nur wenig.
Die Politik sollte sich nicht darauf konzentrieren, die Preise als Symptome in bester populistischer Manier zu bekämpfen. Es stimmt sicher, dass die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Mieten Wohnen billiger machen könnte. Aber diese Maßnahme kommt erst recht jenen besonders zugute, die die „Insider“ auf dem Wohnungsmarkt sind, die also unbefristete, alte Mietverträge am besten noch bei öffentlichen Vermietern haben.
Tropfen auf den heißen Stein
Für „Outsider“ auf dem Wohnungsmarkt, etwa junge Familien und neu Zugezogene, ist die Maßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In Zeiten überschießender Nachfrage ist es gerade für dieses Segment, das von den höheren Mieten besonders betroffen ist, ungewiss, ob eine Steuersenkung auch treffsicher ankommen wird. Solange das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt hält, können sich die Vermieter ihre Mieter weitgehend aussuchen.
Scheinlösungen wie die Mietpreisbremse oder eine Mehrwertsteuersenkung sind gerade dann kontraproduktiv, wenn sie die Neubauaktivität eindämmen, Bau oder Sanierung im Fall des Verlustes des Vorsteuerabzugs verteuern oder für jene Verunsicherung sorgen, die Bauprojekte verzögert.
Vorgaben als Preistreiber
Eine ernst gemeinte Wohnungspolitik muss vor allem am Erfolgskriterium gemessen werden, ob sie die Schaffung von ausreichend neuem Wohnraum ermöglicht und nicht selbst zum Preistreiber wird, indem die Vorgaben für die Bauprojekte stetig steigen. Da gäbe es für die Politik viel zu tun. Baukosten werden stellenweise durch strenge Vorgaben getrieben – etwa wenn im geförderten Wohnbau die teureren Holz-Aluminium-Fenster vorgeschrieben werden. Zu wenig Wert wird darauf gelegt, die Bauordnungen so auszugestalten, dass flexibler, kleiner und auch günstiger gebaut werden kann.
Wenn schon die Steuerpolitik Wohnen leistbarer machen soll, sollte es eher darum gehen, die hohe Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen zu senken. Denn auch mehr Netto vom Brutto sorgt dafür, dass die Wohnkostenbelastung sinkt. Wer explizit die Bezieher niedriger Einkommen unterstützen möchte, kann etwa an Schrauben wie der Treffsicherheit des sozialen Wohnungsbaus drehen. Bei Einkommensgrenzen für den Anspruch auf eine Wiener Gemeindewohnung von 45.510 Euro netto im Jahr für eine Person oder 67.820 Euro netto für zwei Personen kann davon keine Rede sein.
Es gilt, mehr Flächen in Bauland umzuwidmen, dafür zu sorgen, dass günstiger und flexibler gebaut werden kann, und mehr Kapital für den Wohnungsbau zu mobilisieren. Das wären Maßnahmen, die helfen, dass die Horrorgeschichten von der Wohnungssuche in Ballungszentren langsam wieder zur Ausnahme werden.
Kommentar von Lukas Sustala in „Der Presse“, 29.11.2018
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