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Die Zusammenarbeit mit China ist für den Westen zuletzt schwieriger geworden. Präsident Xi Jinping tritt enorm machtbewusst auf, und China verweigert sich den westlichen Sanktionen gegen Russland. Was sollte der Westen tun, falls China wirklich eines Tages im demokratischen Taiwan einmarschiert? Und wie ist der radikale Schwenk in der Coronapolitik zu interpretieren?
Susanne Weigelin-Schwiedrzik war viele Jahre lang Sinologin an der Uni Wien und gilt als ausgewiesene Expertin für die chinesische Politik, Wirtschaft und Lebensart. Sie warnt im Podcast der Agenda Austria davor, die – letztlich erfolgreichen – Proteste chinesischer Bürger gegen die Covid-Politik falsch zu verstehen. Um mehr Freiheit in einem abstrakten Sinn oder gar um den Wunsch nach Demokratie sei es dabei nicht gegangen: „Die Leute haben gekämpft – aber vor allem darum, dass sie wieder arbeiten gehen und Geld verdienen können. Durch Null-Covid sind viele Menschen in eine Situation geraten, in der ihnen einfach das Geld ausging. Es gibt in China kein soziales Auffangnetz“, sagt Weigelin-Schwiedrzik.
Die rigorose Pandemiebekämpfung habe verheerende wirtschaftliche Folgen gehabt und sei wohl hauptsächlich deshalb an ihr Ende gekommen, meint die Expertin. Überraschend daran sei höchstens der Zeitpunkt: „Die kommunistische Partei Chinas vermeidet gerne den Eindruck, dass Proteste auf der Straße ihre Entscheidungen beeinflussen.“
China wollte sich bisher nicht den Sanktionen des Westens gegen Russland anschließen – und werde das wohl auch weiterhin nicht tun, glaubt Weigelin-Schwiedrzik. Zwischen den zwei Staaten sei eine recht stabile Interessensgemeinschaft entstanden. „Beide Regierungen sind der Meinung, dass das System der internationalen Beziehungen unter amerikanischer Hegemonie geändert werden muss. Da ist man sich absolut einig. Unter dem Druck der Ereignisse hat sich die Zusammenarbeit verstärkt“, sagt die Expertin.
Die Taiwan-Frage sei für China zuletzt wichtiger geworden, weil diese nun auch eine geopolitische Dimension bekommen habe. Wieder gehe es letztlich darum, ob die USA ihre Hegemonie in dieser Region behaupten können. Vom Plan, die aus Sicht Chinas abtrünnige Provinz wieder zu einer von Peking gesteuerten Provinz zu machen, werde China sicher nicht abrücken, meint Weigelin-Schwiedrzik. „China will im Augenblick eine militärische Operation gegen Taiwan vermeiden. Alle wissen, dass eine solche höchst riskant wäre. Würde man das versuchen und nicht erfolgreich sein, könnte die Legitimation des gesamten Regimes in Frage gestellt werden. Stattdessen übt man jetzt Druck auf Taiwan aus. Ziel ist eine Spaltung der Eliten in Taiwan.“
Sanktionen gegen China wie jetzt gegen Russland sind für die Expertin nur schwer vorstellbar. „Die Struktur der wirtschaftlichen Beziehungen ist wesentlich komplexer. Es gibt eine sehr enge Verflechtung. Unternehmer sagen mir, dass Sanktionen gegen China zu einem totalen Crash der gesamten Weltwirtschaft führen würden“, erklärt Weigelin-Schwiedrzik.
Im Kampf gegen den Klimawandel sei China sicher nicht der zuverlässige Partner, den man sich wünschen würde, meint sie. „An erster Stelle steht für chinesische Unternehmer die wirtschaftliche Entwicklung.“ Deshalb werde man nicht freiwillig auf Geschäfte verzichten, nur um die globale CO2-Bilanz zu verbessern. Bei aller berechtigten Kritik plädiert Weigelin-Schwiedrzik aber dafür, auch die andere Seite zu sehen: „China hat ein sehr ausgefeiltes gesetzliches Instrumentarium für den Umweltschutz. Diese Gesetze werden auch immer wieder angewendet. Deshalb kommt es vor, dass plötzlich mehrere hundert Unternehmen plötzlich ihre Tore schließen müssen, weil ihre Produktionsweise nicht mit den Gesetzen im Einklang steht.“ Wie bei allen wichtigen Fragen wolle China auch beim Klimaschutz die Nummer eins werden. Einzelne Handlungen mögen diesem Ziel im Wege stehen, aber der Ehrgeiz sei durchaus vorhanden.
Das mittelfristige geopolitische Ziel von Staatspräsident Xi Jinping sei ganz klar, meint die Sinologin: „China will im Zentrum der Weltpolitik stehen, als zweite Supermacht neben den USA. Dann könnte man sich, sozusagen unter Männern, auf eine Aufteilung der Welt einigen. Europa gehört übrigens zu den Regionen, in denen China gerne machen möchte, was es will.“
Sie selbst sei nun schon seit einigen Jahren nicht mehr in China gewesen, sagt Weigelin-Schwiedrzik. Sie wolle frei als Wissenschaftlerin arbeiten und ihre Meinung äußern. Wie die Dinge liegen, lasse sich das leider nicht mit persönlichen Kontakten in China vereinbaren. „Ich möchte erst dann wieder nach China reisen, wenn ich meine Freunde und Kollegen dort nicht in Gefahr bringe. Das wird noch dauern, fürchte ich.“
Zur Person: Susanne Weigelin-Schwiedrzik, 67: Die gebürtige Deutsche studierte Sinologie in Bonn und in Peking. Sie war Universitätsprofessorin in Heidelberg (1989 bis 2002) und in Wien (2002 bis 2022). Sie ist korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
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