Ein Sieg für die Kammer, eine Niederlage für den Standort
Von der angekündigten Reform der Gewerbeordnung ist nicht viel geblieben, die Wirtschaftskammer hat sich mit ihrer Blockadehaltung durchgesetzt. Die SPÖ übt Kritik – und das völlig zu Recht.
Noch Anfang Sommer gab es Grund zur Hoffnung: Das neue Regierungsteam unter Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner versprach eine großangelegte Reform der starren Gewerbeordnung. Vom angekündigten großen Wurf ist nicht viel übrig geblieben, wie der gestrige Regierungsbeschluss zeigt. Keines (!) der bisher 80 streng reglementierten Gewerbe wird liberalisiert, mit dem Hufschmied wurde sogar ein zusätzliches Handwerk in die Regulierung aufgenommen. „Dieser Akt ist nicht ganz ohne Ironie. Schließlich ist Österreich mit der Regulierung des Hufschmieds 140 Jahre nach der Patentierung des Ottomotors keine Sekunde zu früh dran“, meint Regulierungsexperte Hanno Lorenz von der Agenda Austria.
Die groß angekündigte Gewerbereform endet also damit, dass in Österreich künftig 81 statt wie bisher 80 Gewerbe nur mit der Ablegung der Meisterprüfung ausgeübt werden dürfen. Zum Vergleich: In Deutschland wird der Meisterbrief noch für sechs Gewerbe gefordert, die von der rotgrünen Regierung durchgeführte Liberalisierung im Jahr 2004 brachte dem Land eine deutlich erhöhte unternehmerische Dynamik.
Ist die Gewerbeordnung verfassungskonform?
Der SPÖ geht die gestern im Ministerrat beschlossene Änderung der Gewerbeordnung nicht weit genug. Sie will die Liste der reglementierten Gewerbe – eine der längsten in ganz Europa – noch einmal durchgehen. Ein völlig berechtigtes Ansinnen. Wer das Erkenntnis vom Verfassungsgerichtshof zu den Berufsfotografen aus dem Jahr 2013 liest, den kann die Vorgangsweise der Regierung nur überraschen. Das Erkenntnis lässt den Schluss zu, dass weite Teile der Gewerbeordnung nicht verfassungskonform sind. Der VfGH hielt damals fest, dass der Eingriff in die Erwerbsfreiheit über die Hürde der Meisterprüfung insbesondere dann zu rechtfertigen ist, wenn Leib und Leben in Gefahr sind. Das ist bei einem ganz großen Teil der streng regulierten Gewerbe zweifelsfrei nicht der Fall, weshalb die Regierung riskiert, dass ein Gewerbe nach dem anderen vor dem Höchstgericht wegen unzulässiger Einschränkung der Erwerbsfreiheit angefochten wird. Besser wäre gewesen, die Gewerbeordnung einer Reform zu unterziehen.
Positive Mini-Reformen
Erfreulich ist der von der Regierung geäußerte Plan, das Betriebsanlagenrecht zu entbürokratisieren. Gedacht ist an den seit vielen Jahren immer wieder zitierten „One-Stop-Shop“. Bau-, wasser-, naturschutz- und gewerberechtliche Genehmigungen sollen künftig aus einer Hand kommen. Eine Mini-Reform gibt es auch bei den sogenannten Teilgewerben. Also jenen, die bisher nicht streng reguliert, aber auch nicht freigegeben, sondern erleichtert zugänglich waren. So darf künftig ohne Qualitätsnachweis Wäsche gebügelt werden, das Gewerbe der Friedhofsgärtner wird ebenso freigegeben wie die Änderungsschneiderei und das Modellieren von Fingernägeln.
Auch aus dem einheitlichen Gewerbeschein für die 440 freien Gewerbe wird nichts. Der Widerstand der Wirtschaftskammer, die um ihre Einnahmen fürchtet, war zu groß. Denn die Grundumlage wird pro Gewerbeschein eingehoben. Derzeit besitzen etwa 605.000 Gewerbeberechtigte über 795.000 Gewerbescheine.
Wirtschaftskammer hat sich durchgesetzt
Überhaupt hat sich die Wirtschaftskammer mit ihren Wünschen durchgesetzt. Alles, was die WKO ändern wollte, wird geändert. Alles, wogegen sich die Wirtschaftskammer sträubte, wird nicht angetastet. Die angestammten Unternehmer bleiben vor unliebsamer Konkurrenz geschützt. So bleibt alles wie es ist. In keinem anderen Industrieland wird den gründungswilligen Bürgern der Gang in die Selbständigkeit derart schwer gemacht wie in Österreich. Schade, denn mehr Unternehmer würden dem mit steigender Arbeitslosigkeit kämpfenden Land durchaus guttun.
- Autor: Agenda Austria
- Themen: Gewerbeordnung
- Datum: 03. November 2016