Die Preislawine rollt
Viele Preise steigen in Österreich zeitverzögert. Die Inflation beginnt also erst, sich in Geldtaschen der Bürger bemerkbar zu machen.
Seit Monaten erklären uns führende Geldpolitiker, dass wir uns vor steigenden Preisen nicht zu fürchten hätten. Inflation sei ein Relikt aus der Vergangenheit, das ihren Schrecken verloren hat. Mittlerweile erleben wir den größten Teuerungsschub seit dreißig Jahren. Allein vergangenen Dezember haben sich die Güter des täglichen Bedarfs um 4,3 Prozent verteuert.
Nun meinen führende Geldpolitiker, die starken Preisschübe wären nur „vorübergehend“. Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden dauerhaft mit dem höheren Preisniveau zu leben haben. „Temporär“ wäre die Sache nur dann, wenn die Preise heuer so stark sinken würden, wie sie 2021 gestiegen sind. Aber davon kann keine Rede sein. Im besten Fall wird die Teuerung etwas an Schwung verlieren. Doch selbst dafür stehen die Chancen nicht allzu gut.
Die Inflation hat nämlich gerade erst begonnen, sich immer stärker in den Geldtaschen der Bürger bemerkbar zu machen. Viele Preise steigen zeitverzögert. Hierzulande sind nicht nur die Mieten an die Inflationsrate gebunden, sondern auch viele Gebühren, von den Löhnen gar nicht zu reden. Zudem werden viele Unternehmen die erhöhten Preise vermehrt an die Konsumenten weitergeben. Die Preise, die Hersteller für ihre Produkte verlangen, sind derzeit um knapp 30 Prozent höher als noch vor einem Jahr. Hier wird es also zu nachgelagerten Preisanstiegen kommen. Besonders dramatisch ist die Situation im Energiebereich. So hat etwa die Wien Energie ihren gängigen Stromtarif „Optima“ per Jahresbeginn um 47 Prozent angehoben.
Aber warum steigen die Preise so stark? Vor allem deshalb, weil die EZB vor Jahren die Zinsen abgeschafft hat, um reformverweigernde Staaten mit günstigem Geld zu versorgen. Viele Regierungen leihen sich nicht nur Geld, um die „Baustellen“ in ihren Budgets zuzudecken. Sondern auch, um die Corona-geplagten Bürger möglichst schadlos zu halten. Mit der Folge, dass die Nachfrage für eine Krise enorm hoch ist, das Angebot aber aufgrund vieler gerissener Lieferketten noch zurückbleibt. Die Folge: steigende Preise.
Das billige Geld steht aber nicht nur säumigen Regierungen zur Verfügung, sondern auch Investoren, die sich billigst Geld leihen, um es in Rohstoffe und Immobilien zu stecken und auf steigende Preise zu hoffen. Deshalb kommt es in diesen Bereichen seit Jahren zu enormen Preisschüben. Vor allem die Bezieher kleinerer Einkommen trifft das mit voller Wucht. Inflation macht die Armen ärmer und die Reichen reicher. Letztere spüren weder steigende Mieten noch höhere Lebensmittelpreise, und sie kennen auch andere Anlageformen als das biedere Sparbuch.
Deshalb bleibt es ein Rätsel, warum ausgerechnet jene die Gefahren steigender Inflation bagatellisieren, die bei jeder Gelegenheit gegen die ungerechte Verteilung von Vermögen zu Felde ziehen. Denn eine größere Umverteilung von unten nach oben als die Inflation gibt es nicht. Deshalb sollten wir sie nicht kleinreden.
Gastkommentar von Franz Schellhorn für die “Tiroler Tageszeitung” (7.1.2021).
- Autor: Franz Schellhorn
- Themen: EZB, Inflation, Preise
- Datum: 09. Januar 2022