Was passiert, wenn ein normaler Schulbetrieb nicht möglich sein sollte? Jetzt keinen Plan B zu haben, ist fahrlässig. Fehler kann jeder machen, aber man sollte daraus lernen. Auch im Bildungsministerium.
Der nahende Schulstart ruft Erinnerungen an das vergangene Schuljahr hervor. Die Sicherheitsmaßnahmen in allen Ehren ist der Sommer wieder nicht genutzt worden, um im Ernstfall zumindest auf einen funktionierenden Notfallbetrieb zu wechseln. Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte werden wieder allein gelassen. Dabei hätte man aus den Fehlern lernen können.
Erinnern wir uns: Der Bildungsminister sprach sich im August 2020 dafür aus, dass der Schulstart im Regelbetrieb ablaufen soll. Schichtbetrieb, geteilte Klassen oder gar Distanzunterricht sollten der Vergangenheit angehören. Die Pandemie zeigte Heinz Faßmann im Frühjahr 2020 viele Defizite seiner Vorgänger auf. Fehlende Geräte für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrende. Lernprogramme oder entsprechende Ausbildung des Lehrpersonals die neuen Technologien sinnvoll zu nutzen steckten bestenfalls in den Kinderschuhen. Niemand war auf einen plötzlichen Wechsel in die Distanzlehre vorbereitet.
Weniger Wertschöpfung
Die Schulschließungen hatten weitreichende Folgen: Eltern, die zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling wechseln mussten, konnten nicht konzentriert arbeiten. Neben langfristigen Effekten kam es zu einem akuten Verlust produktiver Arbeitsstunden. Sollte es noch einmal zu Schulschließungen kommen, könnten pro Woche bis zu 15 Millionen Arbeitsstunden oder 900 Millionen Euro an Wertschöpfung verloren gehen. Durchaus gewillt, verkündete der Minister kurz vor Ende des Sommers 2020 einen Acht-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht: Weiterbildungsvideos für Lehrkräfte, um die digitalen Hilfsmittel besser einsetzen zu können. Eine einheitliche Plattform für die Kommunikation zwischen Lehrenden, Lernenden und Eltern. Das alles drei Wochen vor Ende der Sommerferien. Als Bonus wurde auch noch die schrittweise Ausgabe von digitalen Endgeräten vorgestellt, beginnend ab dem Schuljahr 2021/22.
Heute wissen wir: Der Schulstart 2020 kam anders als erhofft. Ja, er verlief besser als im März 2020. Lehrerinnen, Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler waren besser eingespielt. Von einem normalen Unterricht war man aber weiterhin meilenweit entfernt. Für den Ernstfall hatte niemand vorgesorgt. Die Bemühungen die Digitalisierung behutsam in den Schulalltag zu integrieren waren leider viel zu zaghaft.
Kurioserweise erleben wir in diesem Sommer gerade so etwas wie eine Reise zurück in den Sommer 2020. Auch im August 2021 heißt es von Seiten des Ministers: „Der Präsenzunterricht in den Schulen soll in allen Schulstufen und Schultypen kontinuierlich stattfinden“. Erklärt wird auch, welche Sicherheitsmaßnahmen bis dahin getroffen werden sollen. Unklar ist allerdings, genauso wie im Vorjahr, was passiert, wenn das Virus nicht mitspielt.
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist derzeit unter den 15- bis 24-Jährigen so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe. Auch bei den Fünf- bis 14-Jährigen ist sie deutlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung. Die Impfrate ist durch die Zulassungsbeschränkung zwangsläufig deutlich geringer. Ein normaler Schulbetrieb ist gut und zu begrüßen. Sich darauf zu verlassen, ist aber fahrlässig. Es fehlt ein Plan B.
Klar ist: Lerndefizite wirken sich auf das spätere Einkommen der Kinder und die Wirtschaft aus. Gerade für benachteiligte Schülerinnen und Schüler kann dies zu schwerwiegenden Folgen führen. Chancen werden früh verbaut.
Zugegeben: Das Bildungsministerium zu leiten ist kein leichter Job. Man kämpft mit den Versäumnissen der Vorgänger. Veränderungen werden zwar vielerorts gefordert, bei der Umsetzung aber fast allerorts behindert. Man soll reformieren, dabei liegen die Kompetenzen oftmals woanders. Das Bildungswesen lebt den österreichischen Föderalismus: Zu kompliziert, zu ineffizient und reformresistent.
Verschlafener Sommer
Trotzdem steht der Bildungsminister in der Verantwortung. Er steht dort, genau um diese Entscheidungen zu treffen. Er muss sich mit seinem Team Gedanken dazu machen, wie die Schule im Herbst funktionieren soll und auch, was zu tun ist, wenn es nicht wie gewünscht läuft. Er muss nicht nur die Bundesschulen im Auge haben, sondern auch organisieren und koordinieren, dass es für alle Schülerinnen und Schüler sowie in den Kindergärten besser läuft als 2020.
Auch dieser Sommer wurde verschlafen. Es hätte ein Konzept für Homeschooling entwickelt werden müssen. Digitaler Unterricht will gelernt sein. Kein bloßes Aussenden von Aufgaben, die mit den Eltern gelöst werden müssen, sondern ein Unterricht im digitalen Klassenzimmer. Die technischen Möglichkeiten dazu gibt es längst. Es hätte eine intensive Schulung der Lehrkräfte geben müssen, wie eine digitale Unterrichtsstunde ausgestaltet werden kann. Welche Hilfsmittel verwendet werden können, wie die Aufmerksamkeit hochgehalten oder Gruppenarbeit organisiert werden kann. Wie Schülerinnen und Schülern mit Defiziten geholfen werden kann. All das hätte Ressourcen gekostet. Der Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft wird durch das Nichthandeln jedoch deutlich größer ausfallen.
Mehr als 500 Tage nach der ersten Schulschließung wurde viel über die digitale Bildung geredet und geschrieben. Wir sind schon weiter als vor der Pandemie, aber das geht alles viel zu langsam.
Gastkommentar von Hanno Lorenz im “Standard” (04.09.2021).
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