Von dicken Katzen im polemischen Klassenkampf
- 14.01.2022
- Lesezeit ca. 3 min
Fat Cat Day. Die Arbeiterkammer setzt mitten in der Pandemie die Zwangsbeiträge aller Arbeitnehmer für ein „dirty campaigning“ ein. Mit Erfolg.
Wie viel darf Ihr Vorgesetzter im Vergleich zu Ihnen verdienen, damit es angemessen ist? Auch wenn sich der ein oder andere jetzt denkt, viel besser für die Führungsposition geeignet zu sein, so ist es für die meisten Arbeitnehmer doch nachvollziehbar, dass mit steigender Verantwortung auch ein höheres Gehalt einhergeht. Ein System, das es nicht nur in der Privatwirtschaft gibt, sondern auch in der Politik, bei öffentlich Beschäftigten oder den Sozialpartnern selbst. Der Kanzler verdient mehr als seine Minister. Diese wiederum mehr als die Mitarbeiter in den Kabinetten.
Was bleibt, ist die Frage, wie viel höher diese Entlohnung ausfallen soll oder darf. Wer selbst Mühe hat, sich hierzu ein Bild zu machen, dem hilft die Arbeiterkammer. Sie ist der Meinung, dass die Manager der heimischen börsennotierten Unternehmen viel zu viel verdienen. In einer kreativen Berechnung liefert die Arbeiterkammer auch gleich den Beweis: Ein durchschnittlicher ATX-Vorstandsvorsitzender hat bei einem Arbeitspensum von zwölf Stunden am Tag schon am 9. Jänner 2022 so viel verdient, wie ein mittlerer Angestellter im ganzen Jahr. Eine Botschaft, die sitzt. Und die von allen wichtigen Medien des Landes unhinterfragt übernommen wird.
Dabei fördert ein genauer Blick Erstaunliches zu Tage. Das beginnt schon einmal damit, dass der Vorstandsbezug nicht mit dem durchschnittlichen Gehalt eines Mitarbeiters im selben Unternehmen verglichen wird, sondern mit dem mittleren Einkommen aller Angestellten in Österreich. Strukturelle Unterschiede wie Ausbildung, Arbeitsaufwand, Tätigkeitsfeld oder Verantwortung spielen keine Rolle. Vorstandsvorsitzende werden also mit Arbeitnehmern verglichen, die vielfach über niedrige bis keine Qualifikationen verfügen, darunter auch Teilzeitbeschäftigte. Auf diese Art und Weise verdient der ATX-Vorstandsvorsitzende rund 60-Mal so viel wie ein durchschnittlicher Angestellter. Dieses bewusst irreführend gerechnete Verhältnis wird dazu genutzt, mit den Zwangsbeiträgen aller Arbeitnehmer den klassenkämpferischen „Fat Cat Day“ zu inszenieren.
Ein sauberer Vergleich würde zumindest einmal die Arbeitszeit berücksichtigen. In diesem Fall würde der CEO schon „nur“ mehr 40-Mal so viel verdienen wie der Durchschnittsangestellte. Nicht zu vergessen das heimische Abgabensystem: Denn der CEO verdient nicht nur mehr, er zahlt auch 220-mal so viel Lohnsteuer wie ein Durchschnittsverdiener. Nach Steuern und Abgaben liegt das Verhältnis „netto“ bei knapp 25:1. Verglichen mit dem Direktor der Arbeiterkammer beträgt es gar „nur“ mehr 7:1. Dafür muss der ATX-Manager das Unternehmen im knallharten globalen Wettbewerb behaupten, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern. Eine Sorge, die den AK-Direktor ohne Konkurrenz und Pflichtmitgliedschaft wenig beschäftigen dürfte. Unter den Tisch fallen lässt die Kammer freilich auch, dass Vorstandsbezüge über 500.000 Euro steuerlich nicht abzugsfähig sind, sie werden also aus versteuerten Unternehmensgewinnen und nicht aus steuerfreien Zwangsbeiträgen bezahlt.
Als Lösung schlägt die Interessensvertretung die Begrenzung der Managergehälter vor. Zudem fordert sie mehr Transparenz. Das würde auch der AK gutstehen. Während Vorstandsbezüge für die Aktionäre der Unternehmen seit 2021 transparent aufgeschlüsselt werden, müssen sich die Pflichtmitglieder der Arbeiterkammer durch parlamentarische Anfragen quälen, um auch nur eine Idee zu bekommen, was mit den rund 500 Millionen Euro an Beiträgen geschieht, die sie den Arbeitnehmern jedes Jahr abnimmt. Hier wäre mehr Transparenz definitiv angemessen.
Gastkommentar von Hanno Lorenz für die “Presse” (14.1.2021).
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