Die EZB hat auch ohne Klimawandel genug Probleme
- 20.12.2019
- Lesezeit ca. 3 min
Der Markt für „grüne“ Schulden ist klein. Ökonomisch relevanter sind Maßnahmen wie der Emissionshandel, die dafür sorgen, dass Umweltverschmutzung auch ihren Preis hat.
In der Klimapolitik gibt es aktuell einen akuten Handlungsdruck. Regierungen und Behörden weltweit sind damit beschäftigt, ihre lange Tatenlosigkeit abzustreifen und etwa so manches „Klimapaket“ zu schnüren. Selbst in Deutschland hat sich die so oft mit sich selbst beschäftigte große Koalition auf eine Bepreisung von CO 2 -Emissionen verständigt.
Aufgestachelt von den Aufrufen, endlich zu handeln, sind auch die sonst sehr zurückhaltenden Notenbanker. Die neue Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, will ausloten, wie eine „grüne“ Geldpolitik aussehen könnte. Anleihenkäufe, die bei der EZB schnell in die Milliarden gehen, könnten dann in möglichst nachhaltige Investitionen und Papiere fließen, so eine Idee. Umgekehrt könnten „dreckige“ Investitionen gelassen werden.
Die EZB ist schon seit Jahren damit konfrontiert, dass ihr als gesamteuropäischer Institution immer neue Ziele zugetraut werden: Zum Kernziel der Preisstabilität kam so die Rolle der Retterin finanziell angeschlagener Staaten, die europäische Bankenaufsicht, und Verantwortung für die Bankenabwicklung: Warum also nicht bald ein Ankaufprogramm für grüne Investments?
Vier Gründe sprechen gegen eine grüne Fokussierung der EZB: Zwar soll die EZB nicht die Augen vor Klimarisiken in ihrem Portfolio verschließen. Doch ihr Mandat ist die Preisstabilität und ihr eine große Klima-Agenda umzuhängen, lenkt vor allem von ihren anderen herausfordenden Tätigkeiten ab: angesichts eines fragilen Aufschwungs, Rekordverschuldung etwa in Italien, der laufenden Probleme in dem Bankensektor in einer noch nicht fertigen europäischen Bankenunion und der gewachsenen Risiken für die Finanzstabilität durch Negativzinsen.
Da ist aber auch das Problem der Relationen. Seit 2014 hat die EZB insgesamt mehr als 2670 Milliarden Euro an Anleihen gekauft, um die Wirtschaft in der Euro-Zone anzukurbeln. Doch der Markt für „grüne“ Schulden ist klein. Im ersten Halbjahr wurden knapp 100 Milliarden Euro an solchen Papieren an Investoren verkauft – und das weltweit. Zum Vergleich: Alleine Italien hat im selben Zeitraum 235 Milliarden Euro an Staatsschulden begeben. Natürlich könnte die EZB den Markt für „Green Bonds“ vollständig aufkaufen, das würde die Preise aber dramatisch verzerren.
Gleichzeitig wird der Klimawandel nicht damit bekämpft, dass die Zinsen für grüne Anleihen ein wenig tiefer sind als für schmutzige Emittenten. Ökonomisch relevanter sind Maßnahmen wie der Emissionshandel, die dafür sorgen, dass Umweltverschmutzung auch ihren Preis hat.
Eine hyperaktive grüne EZB hingegen erhöht sogar die Gefahr einer Verantwortungsdiffusion. Warum? Wenn der Notenbank auch klimapolitische Verantwortung umgehängt wird, besteht die Gefahr, dass sich Regierungschefs in allen Hauptstädten zurücklehnen. Dabei wäre es ein großer Fehler, so zu tun, als würde die EZB viel am Klimawandel ausrichten können.
Sie wird weniger daran ändern als Gemeinden, die in den öffentlichen Nahverkehr investieren, Bundesländer, die gemeinsam lang verschleppte Infrastrukturprojekte auf Schiene bringen, oder Regierungen, die ihren Kohleausstieg forcieren.
Gastkommentar von Lukas Sustala in der “Wiener Zeitung” (20.12.2019)
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