Geldanlage

Wer braucht schon Geld?

Österreichs Bürger wollen von Aktien nicht viel wissen. Auch die meisten Unternehmen lassen ihre Expansionspläne lieber von Banken finanzieren, als sich das Geld von den Kapitalmärkten zu holen. Damit könnten wir unsere Zukunft verspielen.

Die Österreicher haben ein gutes Verhältnis zum Geld, aber ein denkbar schlechtes zum Kapital. Die Bürger dieses Landes sparen wie verrückt, aber es fehlt ihnen an der Fantasie, das hoch versteuerte Geld für sie arbeiten zu lassen. Rund 206 Milliarden Euro liegen derzeit auf unverzinsten Konten herum. Je tiefer die Realzinsen in den negativen Bereich abtauchen, desto mehr wird angespart, um pünktlich zum geplanten Pensionsantritt über die gewünschte Finanzreserve zu verfügen. Dass die staatliche Pension bestenfalls zur Abdeckung eines kargen Lebensabends reichen wird, ist allen klar. Aber die Angst, sich mit den Aktienmärkten einzulassen, ist größer. Bevor sich der Österreicher an die Börse traut, lässt er das, was von den hoch versteuerten Arbeitseinkommen übrig bleibt, lieber auf dem Sparbuch vermodern. Schon eine moderate Teuerung von zwei Prozent vernichtet in 30 Jahren 45 Prozent des Geldwerts. Bei einer Teuerung von zehn Prozent ist das Geld bereits nach sechs Jahren nur noch die Hälfte wert. Die Bevölkerung zahlt jetzt einen hohen Preis dafür, dass die staatliche Geldpolitik jahrelang unbegrenzt Gratisgeld in die Märkte gepumpt hat.

Rund 206 Milliarden Euro liegen derzeit auf unverzinsten Konten herum.

An der Aversion der Bürger gegen die Aktienmärkte hat die hohe Inflation aber nichts geändert. Die breite Ablehnung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines gezielt geführten Feldzugs gegen die Kapitalmärkte. Seit Jahrzehnten wird der Bevölkerung von Arbeitnehmervertretern eingehämmert, dass die Beteiligung an Unternehmen nichts für die einfachen Leute sei. Die Börse sei ein Hort des Bösen, an dem windige Spekulanten rechtschaffene Bürger um deren Ersparnisse erleichtern. Hierzulande gilt es als sicherer, im nächsten Casino alles auf “Rot” oder “Schwarz” zu setzen, statt sich an zukunftsträchtigen Unternehmen zu beteiligen. Dabei war es noch nie einfacher, bereits kleine Beträge breit gestreut in verschiedenste Firmen zu investieren und unkompliziert am Vermögenszuwachs teilzuhaben.

Bemerkenswert ist, dass auch die meisten Unternehmen von den Kapitalmärkten nicht viel wissen wollen. Sie leihen sich lieber Geld von der Bank, als Aktionäre zu akzeptieren, denen sie möglicherweise auch noch Rechenschaft schuldig wären. Das war in der Vergangenheit kein großes Problem, schließlich zählte es zum Kerngeschäft von Kreditinstituten, die Expansionspläne von Unternehmen zu finanzieren. Mit den neuen Regulierungen, die nach der Finanzkrise eingeführt wurden, hat sich das grundlegend geändert. Um in Krisenzeiten gegen drohende Pleiten gewappnet zu sein, brauchen Unternehmen mehr Eigenkapital. Banken dürfen nur noch finanzieren, was ökologisch unbedenklich und weitgehend frei von Risiken ist. Überspitzt formuliert bekommen nur noch jene problemlos Geld, die es eigentlich nicht brauchen, weil sie ihre Expansionspläne auch aus eigener Kraft finanzieren könnten.

Das ist nicht nur, aber vor allem für neue Unternehmen ein ziemlich großes Problem. Allen voran für jene Start-ups, die zu Beginn viel Geld verbrennen, weil sie noch keine Kunden haben. Klassische Geschäftsbanken dürfen deren Ideen nicht finanzieren, weil sie zu riskant sind. Und einen großen Markt für Risikokapital sucht man in Österreich ebenso vergeblich wie in ganz Europa. Dabei fehlt es nicht an Geld. Allein in Stiftungen liegen enorme Summen, die nach Investitionsmöglichkeiten suchen. Aber auch dort wird das Risiko gescheut. Was wiederum dazu führt, dass sich viele Start-ups bei der Unternehmensgründung auf den Staat verlassen müssen, der noch immer einer der größten Bereitsteller von Risikokapital ist. In Österreich sind selbst die “Heuschrecken” verstaatlicht.

Wer heute eine gute Idee hat, geht damit am besten in die USA.

In vielen Staaten Europas sieht es nicht besser aus. Womit es höchst unwahrscheinlich ist, dass das nächste Google, das nächste Netflix oder das nächste Amazon aus Europa kommen wird. Wer heute eine gute Idee hat, geht damit am besten in die USA; dort gibt es ebenso wie in Asien einen riesigen, leicht zugänglichen Kapitalmarkt mit einheitlichen Regeln und Standards. Während in Österreich Unternehmen 75 Prozent ihres Investitionsbedarfs über Banken und 25 Prozent über den Kapitalmarkt finanzieren, ist es in den Vereinigten Staaten genau umgekehrt. In den USA gibt es nicht nur eine Kapitalmarkt-, sondern auch eine Risikokultur. In Europa fehlt es leider an beidem.

Das hat zur Folge, dass sich das Rückgrat der europäischen Wirtschaft, der Mittelstand, nahezu ausschließlich über klassische Bankkredite finanziert. An den Kapitalmärkten gibt es zwar jede Menge Werte aus der “Old Economy” zu kaufen, aber kaum neue Technologietitel. Ob es gelingt, das zu ändern, wird für Europa zur alles entscheidenden Zukunftsfrage. Zumal wir in einer alternden Gesellschaft leben, die auf eine prosperierende Wirtschaft angewiesen ist. Die Zahl der Erwerbstätigen geht in so gut wie allen EU-Staaten kontinuierlich zurück, während die Zahl der Pensionisten stetig wächst. Immer weniger Beschäftigte müssen also immer mehr Empfänger von staatlichen Leistungen finanzieren. Allen voran ein riesiges Heer an Pensionisten, deren Renten von den Aktiven zu erwirtschaften sind. In Österreich wird es bis 2050 eine Million Rentner mehr geben, während die Zahl der Erwerbstätigen um 300.000 Menschen sinken wird. Das ist beunruhigend. Wer dann im Ruhestand ist, wird Monat für Monat gebannt seinen Kontostand abfragen, um zu sehen, ob die Pension auch tatsächlich eingetroffen ist. Zu diesem Zeitpunkt werden 1,3 Aktive die Pension eines Rentners stemmen müssen. Zu schaffen ist das nur mit einer heute noch unvorstellbaren Produktivitätsexplosion.

Wie es anders geht, zeigen die Dänen.

Wie es anders geht, zeigen die Dänen. Sie haben die demografische Bombe rechtzeitig ticken gehört und bereits in den 1970er-Jahren damit begonnen, sie zu entschärfen, indem sie die betriebliche und die private Altersvorsorge radikal ausbauten. Heute sind in Dänemark 250 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in der zweiten und dritten Pensionssäule veranlagt -in Österreich sind es bescheidene 6,6 Prozent. Während das Geld hierzulande in sichere (aber negativ verzinste) Staatsanleihen gesteckt werden muss, investieren die Dänen ihre Altersvorsorge breit gestreut in Unternehmen; selbst hochriskante Veranlagungen sind nicht tabu. Damit werden die Bürger nicht nur am Wertzuwachs der Wirtschaft beteiligt, sie haben auch die Angst vor den Kapitalmärkten verloren. Jeder will wissen, wie sich die eigene private Altersvorsorge entwickelt, und jeder hat begriffen, dass die Beteiligung an wachstumsstarken Unternehmen für alle von Vorteil ist.

Womit auch völlig klar ist, wie Europa am schnellsten zu einem starken Kapitalmarkt kommt: indem wir uns vom Dogma der sicheren staatlichen Pension befreien und die betriebliche wie die private Altersvorsorge ausbauen. Damit würde nicht nur der Wohlfahrtsstaat abgesichert, sondern auch dringend benötigtes Kapital in die Wirtschaft fließen, um die gigantischen Herausforderungen von der Sicherung der Energieversorgung über die grüne Transformation bis hin zur Digitalisierung zu finanzieren. Europa darf bei all diesen Aufgaben nicht vom Verkäufer zum Käufer werden. Dazu braucht es einen großen, barrierefreien Kapitalmarkt. Oder wie es der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, beim Europäischen Forum Alpbach vor einem Jahr auf den Punkt brachte: “Entweder du sitzt bei Tisch oder du stehst auf der Menükarte.” Wir sollten mit allen Kräften sicherstellen, nicht die nächste Hauptspeise zu sein.

Gastkommentar von Franz Schellhorn für den “Trend” (7.12.2022).

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